Bernhard von Clairvaux am Schreibpult, Fresko, Klosterbibliothek Metten, nördlicher Seitenraum, von Innozenz Waräthi, um 1724 |
Obendrein wurden einige Werke Bernhards in der Vergangenheit nicht oder nur vereinzelt in die Interpretation des Verhältnisses zu Abaelard einbezogen, da in ihnen der Name Peter Abaelard nicht expressis verbis auftaucht. Dies betrifft vor allem zwei der längeren Brief-Traktate Bernhards, die ungeachtet des Mangels der fehlenden Namensnennung einige Schlaglichter auf die inneren Gegensätze beider Kontrahenten werfen.
Die folgende Zusammenstellung versucht, all diese Umstände zu berücksichtigen. Sie ermöglicht dem interessierten Leser, sämtliche Schriften Bernhards von Clairvaux, in denen er sich mehr oder minder direkt mit Peter Abaelard kritisch auseinandersetzte, im lateinischen Original nachzulesen. Die Texte sind - soweit nicht anders vermerkt - der kritischen Gesamtausgabe der Werke Bernhards durch J. Leclercq und H. M. Rochais entnommen: Leclercq J., Rochais, H. M., Editiones Cistercienses, Sancti Bernardi Opera, 8 Bände, Rom, 1957 und folg. JG. Auf die Angabe der in dieser Ausgabe vermerkten Lesevarianten wurde der Übersicht halber verzichtet. Für Leser, die der lateinischen Sprache nicht mächtig sind, ist eine eigene deutsche Übersetzung beigefügt. Einzelne Passagen, die Peter Abaelard betreffen, sind farblich gekennzeichnet.
Sicherlich müssen die Schriften Bernhards auch mit vielen anderen überlieferten Zeitdokumenten in Beziehung gesetzt werden, deren Wiedergabe an dieser Stelle den autorenbezogenen Rahmen überschreiten würde. Eine ausführliche Bearbeitung des Themas, eine Arbeit von mehr als 160 DIN-A-4-Seiten, erschienen im April 2003, findet sich als Online-Buch innerhalb dieser Seiten:
Unter Berücksichtigung oben genannter Neudatierung gliedern sich die Schriften Bernhards, die Peter Abaelard betreffen, in insgesamt fünf, chronologisch oder inhaltlich miteinander verbundene Corpora. Ein weiterer, später Brief, der ein Gesuch der Äbtissin Heloïsa beinhaltet, schließt sich an. Außerdem werden zwei Briefe, die gegen Abaelards Mitstreiter Arnold von Brescia gerichtet sind, wiedergegeben, da sie in denselben Zusammenhang gehören.
Abhandlung über die Thesen eines namentlich nicht genannten Lehrers der Theologie. Aufgrund der Inhalte spricht alles dafür, dass Peter Abaelard dieser Theologe war. Abfassung nach 1116.
Nach einem Briefwechsel mit Wilhelm von Saint-Thierry entschloss sich Bernhard von Clairvaux, ein offizielles kirchliches Lehrzuchtverfahren gegen Abaelard zu eröffnen. Einem Antwortbrief auf Wilhelms Gutachten folgte eine eigene Anklageschrift gegen neunzehn als häretisch angesehene Thesen Peter Abaelards. Dieses Schreiben baute weitgehend auf der Anklageschrift Wilhelms auf. Bernhard sandte dieses an Papst Innozenz II., damit er die Entscheidungsgrundlage von Sens erfuhr und das Urteil bestätigte.
Um den Fall Abaelard in seinem Sinne zu entscheiden, richtete Bernhard von Clairvaux einen Brief an die Bischöfe der Franzia vor dem Konzil von Sens, indem er diese um ihre Unterstützung bat. Erzbischof Heinrich der Eber hatte für den Oktavtag nach Pfingsten - das war der 25. Mai 1141 - nach Sens zu einem öffentlichen Disput zwischen Peter Abaelard und Bernhard von Clairvaux eingeladen. Am Konzilstag musste Abaelard bestürzt zur Kenntnis nehmen, dass seine Werke bereits am Vorabend von den beteiligten Bischöfen auf Hintertreiben Bernhards als ketzerisch verurteilt worden waren. Daraufhin verweigerte er jede Stellungnahme, erklärte unter Appell an den Heiligen Stuhl die Versammlung als nicht zuständig und verließ Sens. Nach dem Konzil war wohl trotz entgegen laufender Berichte der Bischöfe die Kunde nach Rom gedrungen, dass bei dem Verfahren in Sens formaljuristisch nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Deshalb wandte sich der Zisterzienserabt mit einem eigenen Rechtfertigungsschreiben an den Papst. So wurde Abaelards Fall auch an der Kurie anhängig. Ohne selbst in Rom zu sein, betrieb Abaelard mit Hilfe von Freunden die Urteilsrevision - ohne eine Entscheidung zu seinen Gunsten zu erreichen. Weil sich die Protestbewegung, an deren Spitze Abaelard stand, auch wegen des Mitwirkens Arnolds von Brescia gefährlich ausgeweitet hatte, schriebt der Abt von Clairvaux schließlich ein weiteres Mal an den Papst, nunmehr mit der dringenden Bitte, das längst überfällige Vernichtungsurteil gegen Abaelard zu fällen.
Um bei der anstehenden Entscheidung einen Umschwung der öffentlichen Meinung an der Kurie zu seinen Gunsten zu bewirken, richtete Bernhard eine Reihe von Briefen an kirchliche Würdenträger in Rom. Er scheute sich nicht, Abaelard in schwärzesten Farben zu malen und ihm jegliche Art von Häresie - die arianische, nestorianische und pelagianische - anzuhängen. Offen beklagte sich Bernhard von Clairvaux über mangelnde Unterstützung aus Rom und warf bezeichnende Seitenblicke auf die Auseinandersetzung, die in Sachen Abaelard an der Kurie entbrannt war.
Abaelard lag vermutlich bereits in seinen letzten Zügen, als Bernhard von Clairvaux Ende 1141 oder wahrscheinlicher Anfang 1142 anlässlich einer diplomatischen Reise in den Norden Frankreichs nach Paris begab, um den Klerikern von Paris - gemeint sind damit die Studenten und Dozenten der Theologie - in einer langen öffentlichen Predigt seine Auffassung vom wahren Christentum und der Notwendigkeit der inneren Bekehrung zu verkünden. Obwohl Bernhard seinen Kontrahenten Peter Abaelard in dieser Predigt mit keinem Wort erwähnte, ihn quasi totschwieg, prangerte er im letzten, besonders beschwörenden Teil seiner Rede dessen verderbte Attitüden exemplarisch an.
Als Arnold von Brescia im Sommer 1141 durch Papst Innozenz II. zusammen mit Peter Abaelard zu Klosterhaft und ewigem Schweigen verurteilt worden war, wich er spätenstens im Folgejahr in das Gebiet der heutigen Schweiz aus - in die Diözese Konstanz. Deshalb richtete Bernhard von Clairvaux, der nicht gewillt war, auf eine weitere Verfolgung Arnolds zu verzichten, einen warnenden Brief an den Bischof Hermann von Arbon. Wenig später - wohl Ende 1142 - schloß sich Arnold einer Legation des Kardinal Guido nach Böhmen und Mähren an. Erneut schrieb Bernhard einen vorwurfsvollen Brief - nunmehr an den päpstlichen Legaten.
Dieser Brief, der entweder 1147 oder 1149 an Papst Eugen III. gerichtet wurde, referiert u. a. ein Gesuch Heloïsas an den Papst, über dessen Inhalt Bernhard leider nichts verlauten ließ. Dieser Brief belegt späte Kontakte Heloïsas zu Bernhard von Clairvaux und Papst Eugen. Bernhard empfahl dem von ihm abhängigen Papst, dem Gesuch Heloïsas zu entsprechen.