Dichter und Arzt in Berching von 1938 bis 1977
© Dr. Werner Robl, Berching 2024
Ein Kollege von uns, der wie wir seine familiären Wurzeln in Weiden in der Nordoberpfalz hat, aber große Teile seines Berufs- und Privatlebens in der Westoberpfalz verbrachte, genauer gesagt im Städtchen Berching, ist der ehemalige Hausarzt und Heimatdichter Heinz Schauwecker. [Link]
Am 11. Oktober 1894 in Regensburg geboren und in Nürnberg aufgewachsen, blieb Heinz Schauwecker Zeit seines Lebens ein echter Oberpfälzer. Im Jahr 1954 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Berching ernannt - wegen seines umfangreichen lyrischen und prosaischen Gesamtwerks und seiner vielen Verdienste, die er sich um die Heimat Oberpfalz und die Stadt, in der er über 39 Jahre lang lebte und wirkte, erworben hatte.
Gleichwohl wird Heinz Schauwecker heute in Berching nicht mehr geehrt, zumindest in nicht in öffentlichen Veranstaltungen. Unverständlicherweise ist auch sein Grab aufgelöst worden und und heute vergessen. Der Grund für diese Nichtbeachtung liegt in einer "völkisch-braunen" Vergangenheit, die in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts von Schwandorfer "Jusos" aufgedeckt wurde. Eines der damaligen "Beweismittel" - Schauweckers Unterschrift im sogenannten "Treuegelöbnis deutscher Schriftsteller" vom 26. Oktober 1933 - ist inzwischen stark relativiert, da hier nur in den allerwenigsten Fällen authentische Unterschriften vorliegen und im Übrigen Heinz Schauwecker mit dem gleichnamigen NS-Schriftsteller Franz Schauwecker (1890-1964) verwechselt worden sein dürfte.
Wer sich hier weiter informieren will, sei auf die relativ objektive Kurzbiografie von Bernhard Baron im Literaturportal Bayern verwiesen: [Link]
Wir fühlen uns weder berufen, den tief gottgläubigen und stark mit Heimat und Vaterland verwurzelten Heinz Schauwecker wegen seines frühen Irrweges zu entschuldigen, noch dazu, ihn deswegen zu verurteilen. Wir erinnern vielmehr den Leser dieser Zeilen an das bekannte Bibel-Wort: "Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein." (Joh. 8,7)
Außerdem legen wir Wert auf die Feststellung, dass bestimmte Episoden in Schauweckers Lebens dafür sprechen, dass er sich nach gemachter Erfahrung nach und nach von allen völkisch-nationalistischen Ideen abgewandt und sich sogar mitunter in gewissen Gegensatz zum NS-Regime gebracht hat - und zwar unter Lebensgefahr und z. T. lange bevor dieses Regime in sich zusammenbrach.
Darauf deuten wenigstens 3 Tatbestände hin, von denen übrigens Heinz Schauwecker selbst zu Lebzeiten nie ein Aufhebens gemacht hat:
Stattdessen entschloss sich Heinz Schauwecker schon früh zur Niederlassung als praktischer Arzt, um möglichst unabhängig zu sein, zunächst in eigener Praxis am Nürnberger Stadtrand, in der Gothaer Str. 1 (in Nähe des konfessionellen Theresien-Krankenhauses).
Im Jahr 1938 wechselte er dann in die altbayerische Provinz, die weitaus weniger als der Nürnberger Raum von der NS-Ideologie kontaminiert war, wie nebenstehende Grafik verdeutlicht. Konkret zog es ihn in das beschauliche Mittelalter-Städtchen Berching, zu dem er schon um 1925 erste dichterische Kontakte geknüpft hatte, durch Dichtung des "Berchinger Spiels" für die 1000-Jahrfeier 1926. Berching wurde daraufhin zu Schauweckers Heimat.
Zum politischen Diskurs war da nicht die geringste Zeit, zumal im Verlauf des Krieges auch immer klarer wurde, dass das 1000-jährige Reich ein schlimmer Trugschluss gewesen war. In dieser schweren Zeit rettete Heinz Schauwecker nach einem Bericht des Donaukuriers vom 12. Februar 1994 20 geistig Behinderte vor dem Zugriff der Waffen-SS. Ein wahrlich riskantes Unterfangen! Es ist anzunehmen, dass diese Behinderten Insassen der Anstalt in Holnstein waren, denn dieses Heim meldete später in seinen Jahresberichten stolz, durch die Schreckensherrschaft des NS-Regimes nur 2 Bewohner durch Deportation verloren zu haben!
Da zu befürchten stand, dass beim weiteren Rückzug das Depot und damit die halbe Stadt Berching in die Luft fliegen würde, simulierte Heinz Schauwecker als Oberfeldführer des Roten Kreuzes - wohlgemerkt unter der persönlichen Gefahr, wegen Wehrkraftzersetzung und Sabotage standrechtlich liquidiert zu werden - mit ein paar Helfern den Fortbetrieb des Hilfslazarettes im Kloster, um dem kommandierenden General der Waffen-SS klar zu maachen, dass die Munitionspläne unmenschlich seien. Schauwecker setzte sich durch und die Waffen-SS entschloss sich hierauf, ihre Verteidigungslinie inklusive Munitionlager südlich von Beilngries, bei Paulushofen aufzubauen. Welch ein Glück für Berching und seine Bewohner!
Leider ist heute seine umfangreiches Werk in unzählige Einzelausgaben und Zeitschriften verstreut und als Gesamtwerk nicht greifbar, wir bringen aber im Folgenden wenigstens einige Auszüge davon, die mit seinem geliebten Berching zusammenhängen.
Heinz Schauwecker war, soweit wir es von alt-eingesessenen Einwohnern Berchings noch in Erfahrung bringen konnten, mit einer Einheimischen verheiratet und hatte aus dieser Ehe 4 Kinder, von denen uns 3 namentlich bekannt sind: die Tochter "Heinrike", die sich als verheiratete Zimmer in Hechendorf beim Ammersee niederließ, eine weitere Tochter "Imfrieden", über deren Verbleib uns nichts bekannt ist, sowie den Sohn "Heinz-Dieter Schauwecker", der sich mit seiner Frau, einer geb. Steiner aus Berching, und Kindern in Ilmmünster bei Pfaffenhofen niederließ. Ansonsten ist über Schauweckers Privat- und Familienleben so gut wie nichts bekannt, wenn wir von ein paar autobiografischen Angaben in seinen Kurzgeschichten absehen.
Es folgen einige Portraits Schauweckers. Links ist Heinz Schauwecker im Jahr 1925 zusammen mit dem Gründer des Laßleben-Verlags in Kallmünz abgelichtet, dem Lehrer und Zeichner Johann Baptist Laßleben (1864-1928), der auch die Zeitschrift "Die Oberpfalz" gründete, für die Schauwecker über viele Jahre tätig war. Ganz rechts sehen wir sein Aussehen in forgeschrittenem Alter, numnmehr in der Uniform eines Chefarztes im BRK.
HEIMAT
Wer die Heimat preisgibt,
Sich lossagt von seinem Volke,
Treibt wie das herbstfahle Blatt,
Losgerissen und ohne Halt,
Ziellos taumelnd im Wind,
Spiel jeder fremden Gewalt.
Staatsformen ändern sich, Heimat hat Dauer!
Welch eine Aktualität, gerade in einer Zeit der Globalisierung!
So heimatgebunden Heinz Schauwecker auch war, er war rastlos und unermüdlich, wenn es darum ging, die Kunde vom Wert des Patriotismus in die Welt zu tragen. Neben Praxis und Dichtung war er zwar nicht parteipolitisch - das war er übrigens nie gewesen -, dafür umso mehr berufs- und bildungspolitisch unterwegs: erst in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, nach dem Krieg im neuen Freistaat Bayern, in der jungen BRD, ja selbst in der Welt:
Als Chefarzt des Bayerischen Roten Kreuzes im Kreisverband Beilngries saß er z. B. nach dem 2. Weltkrieg auch im Vorstand des BRK-Bezirksverbandes Niederbayern/Oberpfalz. Schon 1928 hatte er die erfolgreiche Schriftenreihe "Rast am Tor" gegründet (vgl. weiter unten), im Jahr 1951 folgte als Gründung das zweijährig stattfindende, große Heimatfest des sogenannten "Nordgautages", der bis heute vom Oberpfälzer Kulturbund weiter gepflegt wird. Schon 75. Jahre alt, gründete er noch den "Bund der bayerischen Schriftsteller-Ärzte", initiierte danach die Gründung den "Bundesverbandes deutscher Schriftsteller-Ärzte" (BDSÄ), dessen Präsident er bis 1974 war, und erreichte selbst gegen Widerstand dessen Aufnahme in die "Weltorganisation der Schriftsteller-Ärzte", als deren Vizepräsident er im Jahr 1972 den 17. Weltkongress in Regensburg leitete. Es prägte ihn Zeit seines Lebens auch ein herzliches Verhältnis zum Verlag der Familie Laßleben in Kallmünz - mit teils schritstellerischem, teils redaktionellem und editorischem Engagement.
Heinz Schauwecker zog gegen Ende seines bewegten Lebens folgende dichterische Bilanz:
BILANZ
Von allem,
was ich für mich getan,
blieb nur ein schaler Satz.
Was ich für andre tat,
lebt fort,
hat mir gebracht
Freundschaft und Liebe,
so meines Winters kalte Tage
ein wenig wärmt
und heiter macht.
Heinz Schauwecker verstarb am 4. Juni 1977 in Berching und wurde wenig später im Beisein einer großen Menschenmenge im Berchinger Friedhof, nördlich der Leichenhalle, zu Grabe getragen. Der genaue Ort seines Grabes ist heute nicht mehr zu eruieren.
Heinz Schauweckers gesamter Nachlass (untergebracht in insgesamt 30 Kartons) stünde für Forschungszwecke bereit, in der Staatlichen Bibliothek Regensburg. Daran gemacht hat sich unseres Wissen noch keiner.
Wir wollen uns im Folgenden auf die Vorstellung derjenigen Werkstücke beschränken, die Heinz Schauwecker seiner Heimatstadt Berching gewidmet hat - zur Freude für alle, die Berchinger mit Leib und Seele sind, als Mahnung an unsere Jugend und Ermunterung, den Schauwecker'schen Heimatgedanken allen Widerständen zum Trotz auch in die Zukunft weiterzutragen!
Eine Episode aus dem Bauernkrieg 1525
Heinz Schauweckers Schauspiel zur 1000-Jahrfeier in Berching 1926
Als Heinz Schauwecker Berching als künftigen Lebensschwerpunkt wählte, war ihm der Ort nicht unbekannt. Bereits im Jahr 1921 hatte er Berching anlässlich einer Treidel-Bootsfahrt auf dem Ludwig-Kanal kennengelernt. Im Jahr 1926 erhielt er dann den Auftrag der Stadtgemeinde Berching, für die anstehende 1000-Jahrfeier ein Festspiel zu schreiben.
Aus diesem Grund hielt sich Heinz Schauwecker im Sommer 1926 für mehrere Wochen in der Stadt auf und studierte dabei intensiv die Geschichte Berchings. Dabei muss sich eine Art von Liebe auf den zweiten Blick entwickelt haben, so dass dann 1938 die Entscheidung, für immer in die westliche Oberpfalz und an die Sulz zu wechseln, relativ leicht fiel. Der Wechsel dürfte allerdings Schauwecker auch insofern leicht gefallen sein, als ihm kurz zuvor die Nazionalsozialisten in Nürnberg unter Missachtung seines vorherigen Engagements beim Roten Kreuz Nürnberg und Bayern einige Posten entzogen hatten (Schauwecker war zuvor leitendes Mitglied der Sanitätskolonne Nürnberg, außerdem Mitbegründer der Helferinnenbereitschaften Nürnberg, Ansbach, Schwabach, Weißenburg sowie Stadtschul- und Flughafenarzt von Nürnberg gewesen).
Schauwecker arbeitete an seinem Manuskkript zum Fest fleißig und zügig, so dass bei der Feier sein "Berchinger Spiel", eine Episode aus dem Bauernkrieg 1525, wie geplant aufgeführt werden konnte. Szenenbild und Kulisse prägte die ehemalige Propstei am Gredinger Tor, die damalige Schreinerei Pirkl. Von der Aufführung, die unter Mitwirkung von zahlreichen Berchinger Laienschauspielern auf einer niedrigen hölzernen Bühne stattfand, haben sich einige Bilder enthalten:
Von links: Galster Erika, Lichtenegger Alfons, Krebs Clement, Hollnberger Adolf, Klenner Josef, Schätz Franz.
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Es war für uns gar nicht so leicht, Heinz Schauweckers Textbuch zum Festpiel zu besorgen. Am Ende gelang es doch, als Kopie aus der UB Eichstätt:
Das Berchinger Historienspiel fand wie das im selben Jahr geschriebene Heimatspiel "Bürgertreue" für Kallmünz große Anerkennung und begründete Schauweckers Ruf als begabter Autor historischer Schauspiele. So folgten nach dem Krieg in der Westoberpfalz auch der "Haug von Parsberg" ( 1950), das "Schweppermannspiel" für Kastl (1953) und schließlich der "Bernhard von Weimar vor Beilngries" (1953).
Das Krapfentor als Heimatdank
Stiftung Dr. Schauweckers im Jahr 1926
Diese Fotografie des Jahres 1926 zeigt Dr. Schauwecker vor seinem Torturm, zusammen mit den Berchinger Kindern (von rechts nach links): Toni Köstler, Hans Regnath, Kathl Regnath, Marie Stürmer, Bärbel Sandner, Anni Bayerschmidt und Fanny Ferstl (Hainz).
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Heinz Schauweckers Stiftung wurde schon im Jahr 1952 wieder aufgelöst. Aktuell haben wir weder Information darüber, aus welchen Grunden dies geschah, noch, wie sich der Schriftstellerarzt selbst dazu stellte. Vermutlich ging es, wie in solchen Fällen üblich, um das Geld und die Verantwortlichkeit für den Unterhalt. Heute ist der Turm heruntergekommen, unbewohnbar, das beistehende Pflasterzollhaus vernichtet, damit jeglicher Sinn für das Schöne in Berching verloren gegangen.
Stadt Berching in der Oberpfalz
von Dr. Heinz Schauwecker (1894-1977)
Heimatdankgabe 1928-1931
gegründet von Dr. Heinz Schauwecker im Jahr 1928
Heinz Schauwecker hat in Zusammenarbeit mit dem Lassleben-Verlag Kallmünz seine "Rast am Tor" in den Jahren 1928 bis 1931 in vier Einzelausgaben editiert und dabei bis dato unbekannten oberpfälzer Schriftstellern und Dichtern die Möglichkeit geboten, ihr Können vorzustellen. Der Titel "Rast am Tor" bezieht sich konkret auf das Berchinger Krapfentor im Norden der Vorstadt, damals noch, wie deutlich auf dem Titelblatt zu sehen ist, mit dem Pflasterzöllhäuschen zur Linken, das vor wenigen Jahren einer frevlerischen Spitzhacke zum Opfer fiel [Link].
Später erschienen noch ein paar Sammelausgaben, doch während des Zweiten Weltkriegs kam diese Edition zum Erliegen. Nach Kriegsende lebte die Reihe jedoch wieder auf, ab 1952 als Kulturteil der Zeitschrift "Die Oberpfalz". Als Emblem dieser anfangs von Heinz Schauwecker redigierten Sammlung von Kurzgeschichten und Gedichten diente nach wie vor das Berchinger Krapfentor, nunmehr in stilisierter Form:
In dieser Intention erscheint die Sektion "Dichtung, Musik und bildende Kunst der Oberpfalz" in der Zeitschrift "Die Oberpfalz" noch heute.
Loseblatt-Sammlung von vertonten Weihnachtsgedichten
von Dr. Heinz Schauwecker - 1929
Gedichte und Erzählungen
von Dr. Heinz Schauwecker - 1955
Gedichte - zugeeignet der Stadt
von Dr. Heinz Schauwecker - 1957