Přešt'ovice - die Wiege Altbayerns
Vor 7 Jahren haben wir unsere Forschungesarbeit zur Wanderbewegung der Juthungen und deren entscheidender Bedeutung für die Genese der Bajuwaren einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Unter den bayerischen Historikern wird seit jeher das Thema "Woher kamen die Bajuwaren?" diskutiert, meistens kontrovers. Für uns lag die besondere Faszination dieses Themas seinerzeit darin, die verpönte bayerische Stammesage sowohl durch die diversen Schriftquellen römischer Geschichtsschreiber als auch durch das spezifische Verteilungsmuster der nordgermanischen Grabkeramik vom "Kauerlach-Friedenhain-Přešt'ovice-Typ" - Stichwort ("Bootsurnen") - in ihrem Wahrheitsgehalt zu bestätigen und mit der Wanderbewegung eine Stammes, den die spätrömischen Historiker zunächst "Juthungi", zuletzt dann "Bajowarii" nannten, sozusagen hieb- und stichfest zu machen.
![]() | |
Links nordgermanisches Rundboot aus Lederhäuten und Zweigstaken, rechts die von dieser Form abgeleiteten germanischen KFP-Graburnen = Bootsurnen: ohne Drehscheibe relativ flach geformt, fakultativ mit Rand, Ovalfacetten, Schrägkannelierung, Punkt- und Strich-Dekoren. Sie ermöglichten den Verstorbenen sozusagen die sichere Seelenfahrt ins Jenseits - nach germanischer Sitte.
|
Hier unsere Forschungsresultate von 2018 in aller Kürze:
![]() | |
"SIVE IOVTHVNGORVM" - Nennung der Juthungen auf dem Augsburger Siegesaltar von 260 n. Chr.
|
Erst jetzt, genau gesagt am 2. Mai 2025, hat sich für uns anlässlich eines Kurzurlaubes in Westböhmen die Gelegenheit ergeben, den an der Otava gelegenen Ort Přešt'ovice bei Strakonice zu besuchen, der unserer Ansicht nach von zentraler Bedutung für die Stammungsbildung der Bajuwaren ist. Dazu folgen nun etliche Bilder und Kurzberichte zu den archäologischen Stätten von Přešt'ovice, nur wenige Kilometer östlich von Strakonice gelegen..
![]() | |
Es folgen zunächst Kartenausschnitte aus Mapy.com und dem Geoviewer Tschechien - zur Makro- und Mikrolage der Dorfgemeinde Přešt'ovice an der Otava:
![]() | |
Tschechien heute. Roter Punkt = einstiger Siedlungsraum der Ost-Juthungen an der Otava, zwischen Strakonice und Písek.
|
![]() | |
Einstmalige Siedlungskerne der West-Juthungen (links) und der Ost-Juthungen (rechts), vom Ende des 3. bis zum Ende des 5. Jahrhundert n. Chr. Distanz: ca. 190 km Luftlinie!
|
![]() | |
Das mittlere Otava-Tal zwischen Strakonice und Písek. Roter Punkt = Siedlungsareal von Přešt'ovice.
|
Anschließend einige Abbildungen mit dem ALS-gestützten Bodenprofil:
![]() | |
Uferabschnitt Přešt'ovice: Die Topografische Karte in Überprojektion mit dem ALS-vermittelten Bodenprofil.
|
![]() | |
Abschnitt Přešt'ovice: Das Bodenprofil (DMR 5G) mit den archäologisch interessanten Stätten: Rot = vermutetes keltisches Oppidum "Na Býkovci", gelb = Siedlung der Juthungen "Na Štěbuzích", grün = Gräberfeld auf dem Hügel "Na Vrcholu", blau = Abschnittsbefestigung von "Srdov Tvrz".
|
Zur besseren Erfassung der dreidimensionalen Topografie folgen einige 3D-Panorama-Luftbilder aus Mapy.com (4.Mai 2025):
![]() | |
![]() | |
Sicht von Süden aus: Linker weißer Pfeil: = keltisches Oppidum "Na Býkovci" (407 m. über NN), linker roter Pfeil = juthungische Siedlung "Na Štěbuzích", in der Mitte 2 weiße Pfeile = juthungisches Gräberfeld von "Na Vrcholu" (alternativ "Na Vrchu"; 417 m über NN), rechts 3 weiße Pfeile = juthungische Abschnittsbefestigung "Srdov Tvrz".
|
![]() | |
Dieselben Strukturen in anderer Projektion (Sicht von NWW): Im Vordergrund die Höhe "Na Býkovci", zu ihren Füßen die Juthungen-Siedlung "Na Štěbuzích"; (gut erkennbar am Minderwuchs im Getreidefeld), darüber, in der Mitte, der juthungische Gräberhügel "Na Vrcholu", rechts dahinter die Otava-Schleife mit der ca. 100 m langen, vermutlich ebenfalls juthungischen Abschnittsbefestigung "Srdov".
|
![]() | |
Auf der grün markierten Anhöhe resp. Geländestufe befand sich vermutlich einst ein keltisches Oppidum, das seit langem verlassen war, als sich zu dessen Füßen (zwischen den blauen Geländekanten) aus dem Westen zugewanderte Juthungen niederließen und nach 260 n. Chr. mit weiteren Verbänden der Juthungen eine Großsiedlung gründeten, die ca. 250 Jahre Bestand hatte.
Dass der geografische Raum um Přešt'ovice herum zwischen der Zeitenwende und dem 6./7. Jahrhundert "unbesiedelt" und "menschenleer" gewesen sei, fiel als historischer Irrtum schon B. Dubský auf, jenem Hobby-Archäologen, der hier ab 1932 zahlreiche stichprobenartige Ausgrabungen durchführte.
Wir zitieren dazu im Folgenden aus seiner Arbeit von 1937 "Südböhmen in römischer Zeit, 1. bis 5. Jahrhundert n. Chr.", konkret aus dem in Deutsch gehaltenen Resümee am Ende, ab S. 141 (in Kursivschrift):
Südwestböhmen wurde nach dem Abzug der Hügelgräberleute = Kelten (Anfang 1. Jahrhunderts v. Chr.) und nach anscheinend kurzer Besetzung durch die Träger der Stradonitzer Kultur (datiert in die Zeit kurz vor und nach Christi Geburt) bis zur Ankunft der Slawen, deren Existenz die Geschichte erst für das 6. bis 7. Jahrhundert nachweist, für menschenleer gehalten.
Als Grundlage dieser Ansicht, die auch in der Fachliteratur zur Tradition wurde, dienten die sporadischen Funde aus provinzialrömischer Zeit. Zu diesen gehörten ein bei Stradonitz ausgegrabener bronzener Sporn von künstlerischer Qualität (Typus 1.-3. Jahrhundert) und römische Münzen von mehr als 22 Fundorten. An Siedlungen war nur die provinzialrömische Siedlung bei Zalužany in der Gegend von Mirovice bekannt, deren Material den ersten Beweis für die Kontinuität der Stradonitzer und der römischen Dobrichover Kultur lieferte, an Burgen nur der Sedlo = Hefenstein bei Sušice = Schüttenhofen, der als Wachstation im 2., resp. auch im 4. Jahrhundert n. Chr. verwendet wurde. Aus den Funden antiker Münzen wurde geschlossen, dass in provinzialrömischer Zeit das menschenleere, südliche Böhmen nur von Zeit zu Zeit durch Karawanen belebt wurde, die die Handelsverbindung des römischen Gebietes jenseits der Donau mit Mittelböhmen vermittelten.
Nun - diese Ansicht ist durch Dubskýs Nachweis der Siedlung in der Flur "Na Štěbuzích" gründlich widerlegt:
Im Jahre 1932 entdeckte ich bei Přešt'ovice in der Gegend von Strakonice eine grosse Siedlung und ein Gräberfeld aus provinzialrömischer Zeit. Diese Entdeckungen widerlegen die bisherige Theorie der Menschenleere Südböhmens gänzlich und versetzen die Geschichtsschreibung in eine vollkommen geänderte Situation; die chronologischen Daten des Inventars dieser Entdeckungen ändern aber auch die traditionellen Grundlagen der Ansichten über die Länge der letzten Phase der Urnenfelder-Bevölkerung und widersprechen den Dogmen, die zum Credo der Literatur geworden sind.
Die provinzialrömische Siedlung liegt am linken Ufer der Otava auf Parzellen der Gemeínden Přešt'ovice und Slaník auf der "Na Štěbuzích" genannten Flur. Durchforscht ist der Osten, die Mitte und der Westen. Die Gebäude waren entweder selbständig oder bilden einen Haufen hölzernen Balkenwerkes, vielfach bis einige Male versetzt, sodass ihre Umrisse aus den erhaltenen Gruben und der Menge von Pfahlspuren heute nicht mehr genau feststellbar sind [...]
Na Štěbuzích.
Vorübergehend taten wir uns sehr schwer, das einstige Grabungsareal Dubskýs zu lokalisieren, denn dort, wo heute in der Topografischen Karte Tschechiens der Name "Na Štěbuzích" steht, liegt ausgeschließlich das oft überflutete Schwemmland der Otava. In diesem Feuchtgrund wären 1932 archäologische Funde wegen vermutlich meterdicker Ablagerungsschichten kaum zu ergraben gewesen, das Holz verfault, Metall verrostet gewesen.
An einer derart wasserexponierten Niederung hätte man auch höchstens Pfahlbauten erwarten dürfen. Diese sind zwar im Fall der Juthungen nicht ausgeschlossen, da diese zum großen Teil ein Fischervolk darstellten, und Reste von juthungischen Bauten an der Wasserkante auch im westjuthungischen Siedlungskern, in der Kauerlacher Flur in Nordbayern, gefunden worden sind. Zwar hat Dubský in der zitierten Arbeit solche Pfahlbauten nicht expressis verbis erwähnt, er sprach aber in einer früheren Publikation zum Thema "Význam objevů u Přešťovic" (1935) von "eng beieinander stehenden Hütten auf tief gegründeten Pfählen", was durchaus Pfahlbauten entsprechen könnte. Leider hat er hierzu keine spezielle Planzeichnung hinterlassen.
Glücklicherweise hat uns aber der Ausgräber von 1932 zwei grob gezeichnete Karten hinterlassen, mit denen wir wenigstens das einstige Grabungsareal einigermaßen genau lokalisieren konnten:
![]() | |
Die linke Zeichnung weist das Grabungsareal der Siedlung mit dem Buchstaben "a" aus; es scheint auf gleicher geografischer Höhe wie das Gräberfeld "b" zu liegen. In der rechten Karte sind im Bereich der Siedlung (tschechisch "osada") einige Feldwege eingezeichnet, die heute nicht mehr existieren. Ansonsten gilt das zuvor Gesagte!
|
Die Konsequenz aus diesen Karten ist, dass B. Dubský seinerzeit die Grenzen der Flur "Na Štěbuzích" sehr weit gefasst und die Siedlung zu Füßen der Anhöhe "Na Býkovci" lokalisiert hat. Damit ist die bereits eingangs vorgestellte Einzeichnung unsererseits hinreichend begründet.
Inzwischen soind aber auch weitere Sondagen erfolgt. Sie sind nun nach Auswertung der Archive in einer ganze exakten Karte von P. Zavřel im Anhang zur seiner Dissertation von 2016, "Labskogermánské osídlení jižních Čech na příkladu lokality Přešt'ovice", zusammengefast. Wir zeigen einen Ausschnitt daraus:
![]() | |
Gesamtplan der Siedlungskerne von Přešt'ovice, Ausschnitt aus P. Zavřels Dissertation von 2016. Dt. Übersetzung der Legende durch uns.
|
Alle von P. Zavřel in der Karte blau eingezeicheten Fundorte haben mit unserer Geschichte nichts zu tun und betreffen allenfalls eine frühere, vermutlich post-keltische Population. Sie wurde erweitert - was für einen friedlichen Übergang spricht - durch eine ufernahe Fischersiedlung der Juthungen, ab ca. 260 n. Chr. (in der Karte mit der Farbe rot kodiert; ein Otava-Arm dürfte direkt an dieser Siedlung vorbeigeflossen sein). Den war ein bereits ein etwas älterer Siedlungskern der Juthungen vorangegangen (hier mit der Farbe grün kodiert). Ein vermuteter zweiter Siedlungskern Nr. II ist im Süden der Otava eingezeichnet. All entspricht im relativ genau der Situation der Juthungen im dänischen Ursprungsland (Seenplatte Mossø, Madum Sø u. v. a. bei Yding), aber auch im westlichen Siedlungsgebiet an der bayerischen Schwarzach (Schwarzach-Aue und Kauerlacher Weiher).
Wenn sich inzwischen weitere germanische Siedlungen aus der betreffenden Zeit nördlich von Budweis gefunden haben - ob mit KFP-Keramik odre nicht, ist uns aktuell nicht bekannt - dann entspricht dies genau demselben Siedlungsmuster - Leben in einer Seenplatte - und legt nahe, dass sich auch hier Teile des juthungischen Verbandes niedergelassen hatten. Womit auch der Haupterwerbszweig der Juthungen, die Binnenfischerei, plastisch beschrieben ist. Man vergleiche dazu die entsprechenden Mapy 2 und 3 bei P. Zavřel
![]() | |
Mapa 3 aus P. Zavřels Dissertation von 2016. Zusätzliche Markierung durch uns.
|
Derselbe Kartenausschnitt in plastischer Ausführung.
![]() | |
Kartenausschnitt aus dem Geoportal Tschechien. Einzeichnung durch uns.
|
Wie in der Mapa 3 von P. Zavřel und der Karte des Geoportals Tschechien gut demonstriert, sind jedoch andere Seenplatten, derer es in Tschechien relativ viele gibt, von dieser germanischen Besiedelung nicht betroffen gewesen, was nun eine spezielle, allerdings sehr beschränkte Weiterwanderung der Juthungen, von Přešt'ovice in Richtung Südost, in den Raum stellt.
Mit einer Zuwanderung aus Elbgermanien hat dies, dessen sind wir uns sicher, rein gar nichts zu tun!
Wir fassen zusammen:
Die Juthungen waren an sich ein friedliches Volk, das primär von der Binnenfischerei, daneben aber auch von Ackerbau und Viehzucht (Schweine, Rinder), Pferdezucht und von der Jagd lebte (Wildtruthähne, Hirsche, Rehe). Ein einziges gefundenes Elchgeweih dürfte allerdingsd ausd re skandinavischen urheimat stammen, zu der ja die Kontakte nie abbrachen. Lebensbestimmend blieb jedoch alle Zeit die Fischerei. Deshalb bevorzugten die Juthugnen für ihre Wohnsiedlungen trockene Areale an der Wasserkante von Binnengewässern, an Flüssen und Seen, jedoch keine ausgesprochenen Höhenlagen wie zuvor die Kelten (wahrscheinlich blieben solch erhabene Orte nur ihren Heiligtümern - sakrale Haine und Fels-Altäre -, Grablegen und Festen vorbehalten.
![]() | |
Gelb eingezeichnet ist das einstige Grabungsareal von B. Dubský. Die heutige Flur "Na Štěbuzích" liegt deutlich südlicher, direkt am Ufer der Otava.
|
![]() | |
In diesem Rapsfeld des Frühjahrs 2025 liegt das einstige Grabungsgebiet von B. Dubský. Im Hintergrund markiert das Wäldchen "Na Býkovci" den vermuteten Standort einer wesentlich älteren, keltische Höhensiedlung.
|
![]() | |
Blick von Dorf Přešt'ovice aus, in Richtung Westen: Zur Linken die Otava-Niederung mit der Flur "Na Štěbuzích", zur Rechten die Anhöhe "Na Býkovci", dazwischen im Rapsfeld das Areal der juthungischen Siedlung.
|
Vernehmen wir im Folgenden noch einmal B. Dubský:
Diese Siedlung zeigt durch ihre Keramik das Fortschreiten von den Stradonitzer Formen (senkrecht schraffierten Gefässen mit gewulstetem Rand und schwarzen, geglätteten Schüsseln mit eingedrückten konzentrischen Kreisen), es folgt der mit dem Rädchen hergestellte und der geritzte Mäander aus dem Gebiet jenseits der Oder und aus der Elbegegend, weiter importiertes Material (Terra sigillata, Reinschüssel und orangefarbene Keramik des 2. Jahrhunderts). Die Fortsetzung bildet eine grosse Menge handgemachter, barbarischer Hauskeramik, die durch charakteristische Formen vertreten ist - analog zur Keramik der jüngeren provinzialrömischen Zeit nördlich der mittleren Donau, aus den Barbarensiedlungen der Slowakei, deren Ornament aus eingeritzten Winkelbändern, senkrechten oder sich kreuzenden Rillen, mit dem Kamm geritzten konzentrischen Bogen, plastischen Rippen, kreisförmigen Buckeln, Kanneluren, Warzen und Zickzacklinien besteht, also Keramik des 2. bis 4. Jahrhunderts; es tritt auch Stempelverzierung, deformierte "Nomadenkeramik" (vom Ende des 4. Jahrhunderts), schräge Kannelierung und der ausgeschnittene Kragen aus der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts auf. Für die Feststellung der absoluten Chronologie lässt sich als Anfangstermin das 1. Jahrhundert n. Chr. und als Zeitpunkt des allmählichen Untergangs die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts bestimmen. Gleichzeitig treten aber in der Siedlung mit Wellenlinien verzierte, früheste burgwallzeitliche Typen auf.
Leider hat hier B. Dubský nicht besser differenziert, dann wäre die juthungische Keramik besser herausgeschält gewesen.
Es ist nicht unsere Aufgabe zu bewerten, inwieweit auch die von B. Dubský vorgenommene Einteilung böhmischer Keramik in einer Zeit, in der fast alle Archäologen der "Erweiteren Einteilung der römischen Kaiserzeit" nach H.-J. Eggers (mit Epochen A - G2) folgen, noch Bestand hat. B. Dubský folgte in seiner Beurteilung dem soeben herausgegebenen böhmischen Standardwerk von H. Preidel "Germanen in Böhmen im Spiegel der Bodenfunde" (1930) und berücksichtigte auch die Forschungsergenbisse von E. Šimek, der übrigens damals auch vor Ort war: "Čechy a morava za doby Řimské - Böhmen und Mähren in der Römerzeit" (1923).
Eines ist jedoch gewiss:
Wenn man das von B. Dubský vorgeschlagene Zeitfenster mit der aktuellen Einteilung der Grabungsfunde nach P. Zavřel, "Labskogermánské osídlení jižních Čech na příkladu lokality Přešt'ovice" (Diss. 2016) vergleicht, dann fallen keine großen Unterschiede auf, und die relativ spezifische Keramik, die sich sowohl in der Siedlung als auch im nachfolgend beschriebenen Gräberfeld fand, schließt die von uns angenommene große Wanderbewegung der Juthungen von West nach Ost und zurück relativ exakt ein, von ca. 260 bis 510 n. Chr., wobei kleinere Abwanderungen nach Südböhmen schon deutlich von 260 n. Chr. stattgefunden hatten!
B. Dubský lag also mit seiner Chronologie im Großen und Ganzen richtig, dabei hatte er nach eigener Aussage maximal 10% des gesamten Siedlungsareals untersucht!
Es folgen einige Abbildungen der von B. Dubský gefundenen Siedlungs-Keramik. Die abgebildeten Scherben stellen dabei nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten Fundmaterials dar. Bis auf eine Ausnahme (Teile einer Fibel) sind hier Metallfunde nicht erfasst.
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
Soweit zur juthungischen Siedlung im Nordabschnitt der Flur "Na Štěbuzích".
Lesen wir weiter in B. Dubskýs Publikation von 1937 und beginnen wir mit seinem Resümee am Ende derselben:
Die Funde von Přešt'ovice beweisen, dass sie nunmehr das jüngste selbständige Glied des provinzialrömischen Typus bildet, das von Trebická und Piněv abweicht, gleichzeitig aber, dass das Fundmaterial von Přešt'ovice ein abgeschlossenes Ganzes bildet, das tatsächlich die Aufgabe eines typischen Vertreters einer besonderen Kulturphase erfüllt, die ich für die Zeit vom 2. bis 5. Jahrhundert n. Chr. für Böhmen Přešt'ovicer Stufe nenne.
Dies entspricht einer isoliert böhmisch-tschechischen Betrachtungsweise. Durch spätere deutsche resp. bayerische Archäologen wurde daraus sozusagen "grenzüberschreitend" der Keramiktyp "Friedenhain-Přešt'ovice", [Link] der wiederum von uns aus gutem Grund auf den Keramiktyp "Kauerlach-Friedenhain-Přešt'ovice", kurz "KFP-Keramik" erweitert wurde. Man vergleiche dazu zu unsere obigen Vorbemerkungen und unsere ausführlichen Arbeiten zum Thema: [Link] [Link].
![]() |
|
Büste B. Dubskýs in Čejetice.
|
Vorauf es an dieser Stelle ankommt:
All unsere geschichtlichen Erkenntnisse zu diesem Thema wären nicht möglich gewesen, hätte B. Dubský nicht seinerzeit mit einem kompetenten Team in ca. 100 Tagen des Jahres 1934 Grabungen im Brandgräberfriedhof von Přešt'ovice, auf der Anhöhe "Na Vrcholu", durchgeführt.
Es fanden sich 522 Graburnen, verteilt auf 444 Grabstellen - darunter mehrere Mehrfachbestattungen.
Bei dieser Grabungskampagne handelt es sich im wahrsten Sinn des Wortes um eine großartige Pioniertat, die unter widrigsten politischen Bedingungen durchgeführt wurde und deshalb trotz ihrer zeit- und methodenbedingten Einschränkungen noch heute unseren vollsten Respekt verdient.
Diese Entdeckung und Grabung hat B. Dubský hohe Ehren eingebracht; schon 1835 wurde er zum geschäftsführenden Direktor des Staatlichen Archäologischen Insatituts in Prag ernannt.
Sein Lebenswerk, über Jahrzehnte geprägt von rastloser Suche nach prä- und frühgeschichtlichen Stätten, fasste er schließlich im Jahr 1949 in einer Publikation zusammen: "Pravěk jižních Čech - Die Vorgeschichte Südböhmens".
Ehe wir B. Dubský ausführlich zu seinen Grabfunden zu Wort kommen lassen, schildern wir zunächst die topografische Situation:
Der an der West- und Südseite stark abgegrabene Hügel bedeckt im intakten Gipfelareal von ca. 670 m Umfang ca. 29100 qm oder 8,5 Tagwerk Fläche. Diese Fläche bestand, wie ein historische Fotografie zeigt, zu B. Dubskýs Zeit aus magerem Grasland.
![]() | |
Aufnahme von der südwestlichen Otava-Aue her: Man erkennt deutlich den wilden Steinbruch zur Linken, sowie die südliche Hangkante zur Rechten, ansonsten einen nackten Hügel. Zwei Stöcke markieren den Gipfel.
|
Heute ist dieser Hügel durch einen schütteren Föhrenbestand mit entsprechendem Unterwuchs aus Laub- und Nadelholz bedeckt. Im Norden desselben befindet sich ein kleines Neubaugebiet, von dem aus wir den Zutritt wagten, im Süden eine deutlich tiefere Geländestufe mit Grasterrasse, im Westen die Reste des schon oben abgebildeten Steinbruchs, aus dem sich die Bewohner von Přešt'ovice einst ihr Baumaterial holten.
Die heutige Topografie geben anschaulich die beiden folgenden 3D-Panorama-Aufnahmen wieder.
![]() | |
Blick von Westen.
|
![]() | |
Blick von Nordosten.
|
Wir selbst haben die soeben abgebildete Brücke über den Fluss Otava aufgesucht, um den Hügel von der Flußseite her zu betrachten:
![]() | |
Ansicht von der südlichen Brücke über die Otava; der bewaldete Hügel im Hintergrund birgt das einstige Brandgräberfeld.
|
Von der Brücke aus hat man zu beiden Seiten reizvolle Blicke auf den Flusslauf der Otava, der schon für die hier siedelnden Juthungen wegen seines reichen Fischbestandes im wahrsten Sinn des Wortes "lebensspendend" wirkte.
![]() | |
![]() | |
Wir befassen uns nun ein wenig mit der Oberflächengestalt dieses Hügels an der Otava, der eines der größten ergrabenen Graburnen-Felder Mitteleuropas in sich birgt.
Noch heute erkennt man stellenweise im Gelände lineare Rillen, welche durch die Grabungsarbeiten B. Dubskýs entstanden sind.
![]() | |
Das ALS-vermittelte Bodenprofil zeigt diese Rillen vor allem südöstlich des Gipfels:
![]() | |
Auf folgender Aufnahme haben wir versucht, einzelne markante Bereiche auf dem Hügel optisch hervorzuheben:
![]() | |
Violette Zone = Steinbruch, blaue Gruben = neuzeitliche Gruben unklarer Genese (von B. Dubský einst als "Störungszonen" bezeichnet), gelbe Zonen = Areal mit noch heute sichtbaren Grabungsspuren, rote Gipfelzone = vermutlich stark verebnetes Hügelgrab aus keltischer Zeit.
|
Die folgende Fotografie zeigt vormalige Grabungsrillen und Stufenbildung im südlichen Abschnitt.
![]() | |
Es folgt das lichte Gipfelareal, mit dem stark verflachten Hügelgrab aus keltischer Zeit.
![]() | |
Im zentralen Bereich des "Grabhügels" finden sich stellenweise leichte Vertiefungen und eine aktuelle Wildfutterstelle (mit Kastanien).
![]() | |
Dieselbe Situation zeigt folgende historische Fotografie, die das Titelblatt von B. Dubskýs Publikation von 1937 ziert. Der Ausgräber befand sich hier auf dem höchsten Punkt des Hügels, 417 m über NN. Einen Baumbestand gab es, wie bereits erwähnt, damals noch nicht.
Nebenbei: Eine archäologische Stätte wie diese mit Bäumen überwachsen lassen oder für den Mais- oder Kartoffelanbau freizugeben, wie es häufig und vielerorten - auch in der BRD - der Fall ist, ist eine der Todsünden einer nur auf Profit schielenden, sogenannten "Moderne". In dem einen Fall zerstören Wurzeln den historischen Situs, im anderen die Tief-Pflügung - bis 35 cm Tiefe! Am besten sind solch wertvolle Flächen durch einen mähbaren oder - auch hier mit Einschränkung - beweidbaren Grasbewuchs geschützt!
![]() | |
Der folgende Plan stammt ebenfalls aus B. Dubskýs Publikation von 1937: Von den 444 Grabstellen mit insgesamt 522 Urnen sind die markantesten mit KFP-Keramik vom Bootsurnen-Typ mit roten Punkten markiert.
![]() | |
Die farbliche Markierung einzelner Grabfelder stammen von uns. Sie macht deutlich, was schon B Dubsý 1937, aber auch P. Zavřel 2018 unbd andere Autoren versäumt haben, nämlich daraud hinzuweisen, dass das germanische Gräberfeld über mehrere Jahrhunderte in unterschiedlicher Weise belegt wurde:
Mit diesen Kriegsbestattungen - die Naturkatastrophen lassen wir nun beiseite, denn diese sind in diesem milden Landstrich unwahrscheinlich - korreliert z. B. die Tatsache, dass sich in diesem Friedhof - pauschal gesehen - weitaus mehr Frauen- und Kindergräber als Männergräber fanden:
![]() | |
So könnte ein Kriegswagen der Juthungen ausgesehen haben. Hier rekonstruierter Wagen "Dejbjerg I" aus dem Freiluftmuseum "Dejbjerg Præstegårdsmose", somit direkt aus der Urheimat der Juthungen, Jütland. Beschläge von etwas früherer Zeitstellung (A nach Eggers, ca. 50 v. Chr.)
|
Dass man bei der Ausgrabung in diesem Bereich ab 1934 keiner größeren Menge Asche fand (außer den Leichenaschen in den umgebenden Graburnen), muss nicht verwundern: Man wird die heilige Asche der Gefallenen nach dem Brand sorgfältig gesammelt und verstreut haben - entweder in alle Winde oder - wahrscheinlicher - in die fließenden Wasser des Flusses Otava, zu Füßen des Hügels.
![]() | |
Zum kleineren Teil mag dies daran gelegen haben, dass B. Dubskyý nicht südlich genug, an der Uferkante, sondiert hatte, zum größeren und wichtigeren Teil scheint durch wiederholtes Wegsterben einer ganzen Männergeneration im Kampf gegen die Römer für viele Jahrzehnte die Binnenfischerei - eine Männerdomäne der Juthungen - zum völligen Erliegen gekommen sein.
Auch die Keramikproduktion litt in diesen Zeiten stark. So hat P. Zavřel in den von ihm nachuntersuchten und neu klassifizierten Keramikproben für die Zeitstufe C3 nach Eggers (260-375 n. Chr.) keinerlei Grabkeramik ausgewiesen, wobei jedoch einschränkend anzunehmen ist, dass einige der Graburnen aus den Nachbar-Epochen C2 und D vielleicht doch in diese Gruppe gehörten.
Dennoch entsteht hier nun ein ganz starkes Argument dafür, dass es sich in der Tat um juthungische Männer handelte, die im Kollektiv beim Freiheitskampf gegen Rom in Rätien in den Tod gegangen sind:
![]() | |
Schlacht zwischen Germanen und Römern - Relief auf dem Sarkophag von Portonaccio, um 190 n. Chr.
|
Genau damit korrelieren die Befunde von "Na vrcholu":
Dennoch hat der Doktorant auf den 480 Seiten seiner Dissertation (ohne Bild- und Kartenteil) kein Wort davon berichtet - von einer beiläufigen Erwähnung der Juthungen bei J. Jiřik 2015 abgesehen, der er keine Bedeutung beimaß (Vgl. S. 382). Er hat auch nichts in dieser Hinsicht analysiert, ganz zu schweigen davon, dass er die eigentliche Heimat der KPF-Keramik von Bootsurnen-Typ, nämlich Jütland, erkannt und diskutiert hätte. Auch die eindeutigen Ergebnisse unserer großen Caracalla-Arbeit 2025 oder der Juthungen-Arbeit 2018 sind ihm völlig fremd gewesen. Zu seiner Entlastung sei allerdings erwähnt, dass auch in der allgemeinen deutschsprachigen Fachliteratur darüber nichts zu entnehmen ist und unsere zuletzt genannte Publikation erst 2 Jahre nach Abschluss der Doktorarbeit öffentlicht wurde.
Das ist übrigens nicht der einzige Fall von akademischer Fachblindheit, der uns in unserer privaten Altertumsforschung begegnet ist - ganz im Gegenteil. Wir vermuten als Grund: Allzu vorsichtiges, oft aber auch opportunistisches, manchmal sogar argwöhnisches Schielen auf andere Fachkollegen und deren Publikationen, vor allem aus dem deutschsprachigen Ausland, die sich in vielen Punkten dem aktuellen Zeitgeist des Dekonstruktivismus ergeben haben (z. B. Heitmeier et al.), weil diese einem die Suppe verderben könnten: Nur nicht anecken! Ansonsten wird hier wie andernorts gegolten haben: Nach des Doktorvaters Willen - Elbgermanen-Theorie - kann nicht sein, was nicht sein darf!
Alles in allem ein Jammer - und schade um die vielen Mühen der peniblen Befundzusammenstellung, die in dieser tschechischen Dissertation steckt. Dieser Teil der Dissertation hat uns echten und wertvollen Erkenntnisgewinn beschert, wie soeben zu sehen war. Dafür bedanken wir uns beim Autor!
Die wiederholten Leiden der Ost-Juthungen, die wohl vereint mit ihren Vettern, den West-Juthungen, gemeinsam in den Kampf gegen den Hegemon West-Rom gezogen waren, waren mit dem Jahr 384 n. Chr, nicht zu Ende:
Kaum hatte sich die Population der Juthungen von Přešt'ovice wieder etwas erholt, versuchten sie erneut, und nunmehr zum letzten Mal, für den erlittenen Unbill Rache an den Römern zu nehmen. Und wieder nahmen sie selbst schweren Schaden - vermutlich durch Verrat!
![]() | |
Ausschnitt aus: Wilhelm Petersen: Germanen auf der Wanderung, 1936.
|
Und so geschah es: Im Jahr 508 n. Chr. kommen die Ost-Juthungenn als "Baiovarii - Leute aus Böhmen" in der alten Heimat an! Sozusagen als urbaierische Elite greifen sie wenig später die mit Ost-Rom paktierenden Ostgoten in Oberbayern an, um sie zusammen mit den Resten der romanischen Bevölkerung aus dem Land zu treiben. Doch dies ist eine neue Zeit und eine andere Geschichte.
In Přešt'ovice sind aber ab dem Zeitpunkt, zu dem der Entschluss der Rückkehr nach Bayern gefallen war, keine Bestattungen mit den typischen Bootsurnen mehr nachzuweisen. Dies zeigt die Auswahl der Urnen, die P. Zavřel getroffen hat, deutlich:
In der Zeitstufe E1 (430-460 n. Chr. finden sich fast ausschließlich Bootsurnen, in der Stufe E2 (460-500 n. Chr.) nur noch 2, und in der Stufe F (500-600 n. Chr.) gar keine mehr!
Bedarf es eines Beweises mehr, dass hier Juthungen gesiedelt haben?
Wir meinen "Nein" und verweisen im Weiteren auf die sonstigen Argumente unserer Arbeit von 2018!
Nach diesem wichtigen Exkurs kehren wir zurück zu B. Dubskýs Friedhofsplan. Im Folgenden zeigen wir zu besseren Orientierung nochmals das Bodenprofil mit seinen Zonen und zum Vergleich die nun exakt genordete Karte von B. Dubský: Man erkennt, dass dessen Karte heutigen Standards der exakten Erfassung von archäologischen Objekten in keiner Weise entspricht. Totz aller Mängel der gezeichneten Karte erkennt man aber auch, dass weite Zonen des einstigen Gräberfeldes keine Verwerfungen der Bodenoberfläche hinterlassen haben, wenn man von einem nordwestlichen Areal absieht.
![]() | |
![]() | |
Zum besseren Verständnis der Grabungsaktivitäten ab 1934 folgen nun historische Fotografien und am Ende weitere Auszüge aus B. Dubskýs Veröffentlichung von 1937:
![]() | |
Die Aufnahme dokumentiert, wie die vielen Grabungsrillen enstanden sind. Die damalige Neugier der Einheimischen wird hier greifbar.
|
![]() | |
Graburne in situ.
|
![]() | |
Die Ausgräber bei der Arbeit.
|
![]() | |
Weitere Graburnen werden freigelegt.
|
Die beiden folgenden Abbildungen des Fundmaterials zeigen ausschließlich Urnen vom KFP-Typ, z. T. mit Standfuß.
![]() | |
Bei Urnen, die dem KFP-Typ nicht entsprechen, haben wir ein rotes Minus-Zeichen links oben angebracht.
![]() | |
Andere Abbildungen aus B. Dubskýs Publikation zeigen neben typischen Bootsurnen auch viele "normale" germanische Töpfe. Die Urnen von KFP-Typ, die wohl überwiegend von den aktiven Fischer-Familien der Juthungen verwendet wurden, sind hier mit einem rotem Kreuz markiert:
![]() | |
![]() | |
![]() | |
Auch wenn die abgebildeten Funde nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten Spektrums der 522 Totengefäße wiedergeben, so erkennt man an ihnen doch die reife Beute, die B. Dubský seinerzeit gemacht hat.
Die Totenasche konnte damals noch nicht mit der Radiokarbonmethode untersucht werden - leider.
Wenigstens ließen die festen Grabbeigaben bei einem kleinen Teil der Gräber eine Differenzierung nach Frau und Mann zu: Die Grabbeigaben bei Frauen bestanden aus Schmuckperlen, Schmucknadeln und Knochenkämmen, die der Männer aus Feuerstein (Silex), mitunter auch aus Metall (Messer, Schaber o. ä.).
![]() | |
Es folgt nun der deutsche Text von B. Dubskýs Zusammenfassung dieser Grabungskampagne. Anmerkungen unsererseits sind im laufenden Text durch eckige Klammern und Fettdruck markiert:
Das dazugehörige Gräberfeld stellte ich im Jahre 1934 auf einer ungefähr 330 m von der Siedlung entfernten Anhöhe fest.
Trotz der ungünstigen Situation der seicht gelegenen Bestattungen und ihrer jahrhundertelangen Zerstörung durch den Ackerbau war es möglich, bei der Durchforschung eine Reihe interessanter Beobachtungen zu machen, nach denen sich dieses Gräber von denen der Třebická-Piněver Kultur unterscheiden.
So wurde vor allem festgestellt, dass bei Přešt'ovice nicht [richtiger als "nicht" wäre: "nur zum kleineren Teil"] auf die Anordnung der Gräber in geraden Reihen geachtet wurde, wie dies im Elbtal und in Piněv der Fall war, wo in der Anlage der Bestattungen Symmetrie herrschte, die dadurch erzielt wurde, dass die Gräber auf irgendeine Weise (durch eine hölzerne Säule oder einen Stein) gekennzeichnet wurden.
In unregelmässigen Reihen, 1/2 bis 3,4 m voneinander entfernt, lagen nur die Gräber im nördlichen Teil, ungefähr in ost-westlicher Richtung und im mittleren Teil in einer Entfernung von 3/4 bis 1 m in der Richtung NOO-SWW oder umgekehrt, aber auch dort ohne chronologische Ordnung. [sicherlich nicht ganz richtig]
Es wurden insgesamt 522 Gräber festgestellt, von denen 10 Bestattungen ohne Keramik in der Grube niedergelegt waren.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen Gruben mit mehreren Bestattungen, in denen sich auseinander geworfene Knochen von Personen ungleichen Alters und oft zeitlich auseinander liegende Keramik befindet, so in den Gräbern 65, 164, 212, 246, 370 und 414. Auch zahlreiche Doppel- und Dreifachbestattungen bilden Abweichungen von Třebická und Piněv. Manche von ihnen waren übereinandergelegt und nur durch eine schwache Sandschicht getrennt, andere wieder stiessen eng aneinander.
Dass der Grund dieser engen Gruppierung der Gräber nicht im Raummangel zu suchen ist, beweisen leere Flächen mit Spuren von Pfählen, wo irgendwelche Holzkonstruktionen errichtet waren. Eine Brandstätte wurde nicht gefunden.
[Was diese "leeren" Flächen zu bedeuten haben, haben wir obenstehend ausführlich begründet; alternativ zu der von uns vermuteten Wagenverbrennung wäre eine gezielte Nicht-Erd-Bestattung der Gefallenen, ihre Mumifizierung auf luftigen Balkengestellen, in voller Kriegsmontur, mit Schild und Schwert - ähnlich, wie dies bei manchen Indianerstämmen Amerikas der Fall war - als Mahnmal für die nachfolgende Generation an Kriegern. Allerdings wurden entsprechendes Equipment hier nicht gefunden, so dass doch die Verbrennung wahrscheinlicher ist.]
Von den Beigaben [der Graburnen] sind hervorzuheben: Halsketten aus Glas- und Bernsteinperlen, Reste von Kämmen und Nadeln und Feuersteine. Halsketten und Kämme sind charakteristisch für die Frauengräber, die Feuersteine sind nur in Männergräbern vertreten.
Der grösste Teil der Gräber ist jedoch absolut ärmlich. Es wurden weder Fibeln noch Geräte oder Waffen [!!] gefunden; die Armut der realen Kultur der Leute des Gräberfeldes von Přešt'ovice ist bezeichnend.
Glasperlen traten in 58 Gräbern auf, verbrannter Bernstein wurde in 27 Gräbern, Beinnadeln in 2 Gräbern und Feuerstein in 11 Gräbern festgestellt.
Für die Festsetzung der Chronologie ist die Keramik das einzige Hilfsmittel, sie wurde aber in zahlreichen Fällen vom Pflug zerstört. Nach dem typologischen System Preidels gehören der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. 24 Gräber, dem 3. Jahrhundert 117 Gräber, dem 4. Jahrhundert 117 Gräber, dem Ende des 4. und Anfang des 5. Jahrhundert 34 Gräber und der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts 141 Gräber an.
Von den keramischen Gruppen sind vor allem die mit waagrechten Kanneluren verzierten wichtig, besonders aber die mit schrägen Kanneluren (abgerundeten oder kantigen), die die Entwicklung von seichten, schrägen Rillen bis zu den merowingischen Formen zeigen (Grab 244 und 378), welche Analogien in den Skelettgräbern von Běsno-Wiessen und Vinařice haben. Nur in Grab 61 wurde aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts wurde Keramik mit entwickelter Kannelierung gefunden.
Eine zweite, wichtige selbständige Gruppe bilden Formen mit ausgeschnittenem Kragen. [Notabene: Das sind die Bordkanten der juthungischen Boote; bei den Urnen war der ausgeschnittene Kragen auch deshalb wichtig, weil hier die über die Urnen gespannten Lederhäute festgezurrt wurden.] In ihnen erreicht die stilistische Eigenart von Přešt'ovice ihren Gipfel, an ihnen setzt wieder die Improvisation ein (wie an den kannelierten Formen), die, zwar eingekeilt in die merowingische Periode, von der sie vielleicht das Motiv des Ausschneidens übernahm, dieses doch nicht einfach durch einen von der Kante des Gefässes waagrecht abstehenden Kragen nachahmte, sondern es selbständig an dem ovalen oder schärfer abgebogenen Bauchknick ausführte und so eine besondere, auf anderen provinzialrömischen Gräberfeldern Böhmens nicht vertretene Stilgruppe schuf. Als Erstformen des ausgeschnittenen Kragens führe ich eine Schüssel aus Grab 176 an, die, auf älterer Třebická-Form, auf der Ausbauchung schütter angeordnete, seichte, bogenförmige Schüsselchen trägt, weiters Schüsseln aus den Gräbern 119 und 272 mit seichten Grübchen. Die weitere Entwicklung schreitet über einfach ausgeführte Schüsselchen auf dem Umbruch (z. B. aus Grab 346, 388, 173, 147 usw.) fort zu Formen, deren oberer Bogen des ausgeschnittenen Kragens von Punkten oder Grübchen gesäumt wird (27, 81 b, 303, 312 usw.) und endet mit feinen Formen (z. B. aus dem dreifachen Grabe 379). Insgesamt trat der ausgeschnittene Kragen in 74 Gräbern auf.
Schon diese beiden Gruppen - mit Kanneluren [Notabene: Diese Kanneluren sind die stilisierten Verziehungen der Lederhaut in den realen Booten der Juthungen!] und mit ausgeschnittenem Kragen [Bordkanten!] - liefern einen Beweis für die Abweichung der Přešt'ovicer Gräber von der Třebická-Piněver Kultur.
Eine weitere abweichende Gruppe ist die Keramik mit eingestempelter Verzierung. Sie wurde in 5 Gräbern gefunden: in Grab 153, 260, 267, 275 und 277.
Eine interessante Gruppe ist die Keramik mit Wellenlinienverzierung, die immer nur in waagrechter Richtung ausgeführt ist. [Die Wasserkante der realen Boote!] Ihre Entwicklung könnte entweder von der gebrochenen Linie (z. B. aus Grab 246-3) hergeleitet werden, oder von der seichten, breit geführten Wellenlinie mit einer Bogenlänge von 8 cm aus Grab 204, resp. Grab 154, ihre Fortsetzung kann festgestellt werden auf der graphitierten Form aus Grab 163, wo sie punktiert ausgeführt ist, weiter auf den Situlen aus Grab 34b und 200, auf denen sich eine eingedrückte, mit dreiseitigen Grübchen gesäumte Wellenlinie findet, bis zu der entwickelteren Form aus Grab 246/3. Die Fortsetzung zur burgwallzeitlichen Wellenlinie ist in der Siedlung von Přešt'ovice ersichtlich, wo ihre Ausführung mit den burgwallzeitlichen Formen durchaus übereinstimmt. [Ein juthungischer Burgwall vor Ort wird im nächsten Kapitel beschrieben; er gehört zur Endphase der juthungischen Besiedelung!]
Eine bezeichnende Gruppe des Gräberfeldes bei Přešt'ovice bilden weiters niedrige Fuss-Schüsseln, die ich Situlen nenne. [Das ist missverständlich, den Situlen sind eimerartige Gefäße. Es finden sich aber auch vereinzelt Füße an den flachen Bootsurnen. Diese Füße an den niedrigen Schüsseln dienten der Standfestigkeit auf planem Untergrund und belegen in ihrer Art nur, dass diese Gefäße bereits zu Lebzeiten angefertigt und zunächst zu Aufbewahrungszwecken verwendet wurden, ehe aus ihnen später Graburnen wurden!] Sie beginnen erst zu Anfang des 3. Jahrhunderts in typischen Formen mit scharfem Umbruch, einer kurzen Partie über dem Umbruch und geradem, nach aussen geneigten Rand. Die älteren von ihnen sind noch mit waagrechten Rillen oder Winkelbändern verziert (Grab 36 und 261), sie gehen dann alle bezeichnenden, auch plastische Verzierungen durch; es finden sich auf ihnen waagrechte Kanneluren, Wellenlinien, schräge, abgerundete und kantige Kanneluren aus hufeisenförmigen Rinnen und sie enden wieder mit dem ausgeschnittenen Kragen in der entwickelten merowingischen Kultur. Insgesamt traten sie in 53 Gräbern auf und bilden wiederum eine charakteristische Abweichung von der gleichzeitigen Třebická-Piněver Kultur (in Třebická sind Fussgefässe nur viermal, in Piněv nur zweimal vertreten).
[Die folgenden Beispiele haben mit der KFP-Keramik nichts zu tun!] Zahlreich ist in Přešt'ovice auch eine Gruppe von Gefässen mit nach innen umgeschlagenen Rande vertreten. [Hier sind mit hoher Wahrscheinlichkeit normale Aufbewahrungsgeefäße zu Graburnen zweckentfremdet worden, denn richtige Bootsurnen wurden mit einem gegerbten Leder verzurrt, was zwingend einen nach außen gebogenen Rand voraussetzt.] Es kommen verschiedene Techniken vor. Der Grossteil der Gefässe ist unverziert, manche jedoch sind mit Dellen versehen, die entweder symmetrisch verteilt oder in schrägen Reihen immer nur zu dritt angeordnet sind; absonderlich ist, dass die Zahl 3 auch in anderen Verzierungen wiederkehrt, zum Beispiel bei Grübchen, hufeisenförmigen Rillen usw. Gefässe mit eingezogenem Rand kamen insgesamt in 31 Gräbern vor.
Weiters verdient Aufmerksamkeit eine Keramik von deformierten Formen, wie man sie in Böhmen in merowingischen Skelettgräbern, in der Slowakei in der Völkerwanderungszeit und in der älteren Burgwallzeit findet, die sogenannte "Nomadenkeramik". Ich datiere sie ins 4. Jahrhundert. Vom Přešt'ovicer Gräberfeld führe ich Gefässe von primitiver Form und Technik an, aus den Gräbern: 94, 127, 191, 346 b, 347, 354, 360, 394, 399. Sie liefern den Beweis, dass das Gräberfeld auch diese Phase des Verfalls der keramischen Technik durchmachte, ehe es die entwickelte Stufe der merowingischen Kultur erreichte.
Ausser ovalen Warzen traten in seltenen Fällen auch andere plastische Verzíerungen auf, wie z. B. senkrechte Rippen in den Gräbern 159, 220, 206, 371 und 372, weiters kreisförmige Buckel in den Gräbern 64, 66, 89, 117 (4), 166, 172, 186, 199, 212 (74 u. 5), 235, 243, 252 u. a.
Vertikale Henkel und Mäander fehlen gänzlich. [Sie hätten bei Bootsurnen auch nichts zu suchen!]
Das Ornament ist immer über oder auf dem Umbruch der Schüsseln konzentriert; eine Ausnahme bildet Grab 379, wo vom Bauch zum Boden unregelmässige, mit Grübchen ausgefüllte Rillen geführt sind.
Aus der Analyse des keramischen Materials aus dem Gräberfeld bei Přešt'ovice ist ersichtlich, dass sich für die Aufstellung der absoluten Chronologie sein Anfangstermin mit dem letzten Drittel des 2. Jahrhunderts n. Chr., [Das waren vermutlich keine Juthungen, eher vereinzelte Nachfahren einer post-keltischen Urbevölkerung; das Erscheinen der Juthungen ist im Westen nach unseren Ermittlungen auf ca. 210 n. Chr. anzusetzen, im Osten später!], sein Ende mit der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr. festsetzen lässt. [Die letzte Generation der Ost-Juthungen starb nicht mehr vor Ort, sondern wanderte Ende des Jahrhunderts noch zu Lebzeiten relativ geschlossen nach Westen ab. Dieses schnelle Verschwinden einer ganzen Population muss dennoch verwundern; es findet bei Dubský keine Würdigung, ja nicht einmal eine Erwähnung!]
Bei Anwendung desselben chronologischen Masstabes (nach Preidels typologischer Einteilung) endet die bisherige jüngste Phase der provinzialrömischen Kultur, die Stufe von Třebická-Pínev, um 1 Jahrhundert früher. [Sie hat mit den Juthungen auch nichts zu tun!]
Hierzu am Ende noch einmal ein kritisches Wort unsererseits - zum Status der Archäologie unserer Tage, jedoch ohne dabei weitere Namen zu nennen:
Nicht nur bei B. Dubský, der zwar die Verzierung der Urnen etwas überbewertete, aber wenigstens daraus relativ rationale und auch heute noch gültige Hinweise zur Datierung der Urnen entnahm, sondern auch bei anderen Arbeiten zur KFP-Keramik fällt auf, dass die jeweiligen Autoren in ihrem Drang nach Wissenschaftlichkeit oft "vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen."
Anstatt den zwingend notwendigen Versuch zu unternehmen, eine Korrelation zwischen der doch relativ spezifischen Grundform der KFP-Keramik und realen Gegenständen aus dem Erfahrungshorizont der einstigen Töpfer herzustellen, verstieg sich in der Vergangenheit so mancher Autor bei der Herkunftbestimmung nach Morphologie und Dekor in eine akademische Verspieltheit und Weitschweifigkeit, mitunter sogar in eine förmliche "Klassifizierungssucht", was es dann den "Dekonstruktivisten" unter den Historikern umso leichter macht, die Kartenhäuser dieser Konkurrenten im wissenschaftlichen Lager wieder zum Einsturz zu bringen - wohlgemerkt, ohne selbst zu einem Erkenntnisfortschritt beizutragen. [Beispiel]
Wir empfehlen deshalb abschließend dem Leser dieser Seite, die oben als KFP-Keramik bezeichneten Urnen nicht nur bezüglich ihres ebenso reichen wie verwirrenden Zierats zu betrachten, sondern ganz einfach den gesunden Menschenverstand zu benutzen und sich an die Juthungen und ihre anzunehmende Lebensweise von einst zu erinnern. Man wird dann sehr schnell feststellen, dass die Grundform der meisten Urnen, so variabel sie in Detail auch ausfallen mögen, mit jenen Rundbooten korreliert, die früher nicht nur von den Juthungen, sondern von vielen Kulturvölkern - weltweit! - als ebenso einfaches wie effektives Hilfsmittel bei Fischfang und Gütertransport verwendet wurden.
Leider verfügen wir heute dazu nur über sehr eingeschränktes Anschauungsmaterial, aus dem wir nachfolgend eine Auswahl zeigen, wobei leider viele Boot-Nachbauten mehr oder wenig ohne Reling verwirklicht wurden.
Relings sind aber bei den Urnen wie bei den Booten der Juthungen obligat gewesen, um den Wellengang parieren zu können und den Booten höhere Stabilität zu verleihen.
Deshalb finden wir auch im windreichen Dänemark die größten "Bordkanten" an den juthungischen Urnen. Diese Krägen hatten aber noch einen anderen, bereits oben kurz erwähnten, rein technischen Grund:
![]() | |
Von links nach rechts: zunächst ein irisches "Coracle", dann entsprechende Rundboote der Inder, ein vietnamesiches Rundboot "Thúng chai", zuletzt eine historische Abbildung von zwei "Currachs" auf dem River Boyne (in diesem Fall mit Reling!). Rechts daneben einen typische Bootsurne aus dem dänisch-juthungischen Brandgräberfriedhof "Möllegards Marken", mit auffallend hoher Reling und umschlingenden Seilen: So gebaut, waren die als Vorlage dienenden Boote vielleicht sogar ostsee-geeignet!
|
An ihnen wurde einst die über die deckellosen Urnen gespannten, vermutlich gewachsten Lederhäute so festgezurrt, dass keine Erde, keine Feuchtigkeit und zunächst auch kein Boden-Ungeziefer ins Innere der Urnen gelangen konnten. Der Umstand, dass man heute davon wegen Verwesung nichts mehr findet, sollte nicht zu der Annahme verleiten, die Urnen seien einst unverschlossen geblieben.
Hierzu zum Vergleich nochmals einige KFP-Bootsurnen aus Gräberfeldern bei Straubing. Die genannten Schrägriefen an den Schalen haben ebenfalls einen hohen Anschauungswert:
Genau so dürften sich einst an den realen Rundbooten der Juthungen im Lauf der Zeit die Lederhäute der Bootsschale unter Einfluss der Flußströmung verzogen haben!
![]() | |
Je eine Facetten- und Schrägriefenschale von Friedenhain, 1 Facettenschälchen von Azlburg I, 2 Schrägriefenschalen von der Bajuwarenstraße.
|
Damit kommen wir zur letzten archäologischen Struktur bei Přešt'ovice, die wir leider erst nach unseren dortigen Besuch wahrnahmen, die aber gleichwohl eine spät-juthungische Genese aufweisen dürfte. Es handelt sich um eine Abschnittsbefestigung auf den Hochufer der Otava, nur ca. 1 km südlich von Ortskern Přešt'ovice entfernt, die später in einem mittelalterlichen Adelssitz aufging.
Diese bedeutsame Abschnittsbefestigung, ganz in der Nähe des juthungischen Gräberfeldes gelegen, ist uns in der Tat erst aufgefallen, als wir wieder zuhause waren. Die folgende Beschreibung in Kursivschrift und deutscher Übersetzung stammt vom Nationalen Denkmalinstitut Tschechien. [Link]
Die Festung liegt auf einem dreieckigen Ausläufer einer Terrasse, die etwa 10 m über der Aue des Flusses Otava liegt, etwa 1,5 km westlich des Dorfes Šteken. Auf der ungeschützten Nord- und Ostseite war das Plateau durch einen tiefen, bogenförmigen Graben und wahrscheinlich auch durch einen äußeren Wall vom umgebenden Gelände getrennt [...]
![]() | |
Beschreibung
Die Festung liegt auf einer Höhe von 394 m auf einem dreieckigen Vorgebirge einer Terrasse, die etwa 10 m über der Überschwemmungsebene des Flusses Otava liegt. Auf der ungeschützten Nord- und Ostseite war das Vorgebirge durch einen tiefen, bogenförmigen Graben und wahrscheinlich einst auch durch einen äußeren Wall vom umgebenden Gelände getrennt.
Der Graben ist heute 12–15 m breit und 2,5–3 m tief. Sein südliches Ende mündet in die Überschwemmungsebene und sein nördliches Ende in den Fluss Otava. An der Außenseite des Grabens ist in älteren Berichten von einem niedrigen Wall die Rede, der nun nicht mehr sichtbar ist. [Diese Angabe stimmt so nicht; vgl. Abbildung weiter unten] Die Innenfläche der Festung hat eine ovale Form mit den Abmessungen 60x40 m, wobei die längere Achse in N-S-Richtung verläuft. Die Oberfläche des Inneren ist eben, weist keine Spuren von Gegenständen auf und neigt sich nur leicht nach Westen. Auf der Nord- und Ostseite, am äußeren Rand der Festung oberhalb des Grabens, befindet sich ein niedriger, linearer Wall von bis zu 0,5 m Höhe, der wahrscheinlich ein Überrest einer inneren Mauer ist.
![]() | |
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die moderne Straße, die in der nordwestlichen Ecke der Festung verläuft, den ursprünglichen Eingang respektiert. Im Gebäudekomplex des Hauses Nr. 79, für dessen Bau der südliche Teil der Festung abgegraben wurde, sind spärlichen Reste einer gotischen Stützmauer erhalten. J. Dyk berichtete 1925 über ältere Funde von Gefäßen, Ziegeln, Pfeilen und Messern aus vorhussitischer Zeit.
![]() | |
In den 1930er Jahren führte der Archäologe B. Dubský hier Ausgrabungen durch und legte im V-Teil (?) der Festung Mauerwerksreste frei. Die letzten Untersuchungen wurden hier im Jahr 1980 von Jan Michálek durchgeführt, der im zentralen Teil der Festung 4 archäologische Sondagen durchführte. Aus der obersten Bodenschicht barg er Keramikfunde aus der Römerzeit [!!] und dem Hochmittelalter. Bei der Sondierung im nördlichen Teil des Untersuchungsgebietes wurden Bruchsteine mit Mörtelresten festgestellt. Weitere Keramikfunde und ein Architekturobjekt wurden bei wiederholten Sammlungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erbracht.
![]() | |
Weitere Bilder des tschechischen Denkmalamtes und eine wenig stimmige Handzeichnung von 1941.
|
![]() | |
3D-Panoramabild aus Mapy.com
|
Beschreibung des Denkmalwertes
Die Festung Srdov bei Šteken ist ein Beispiel für einen nicht mehr bestehenden Sitz des ländlichen Adels, der um die Mitte des 13. Jahrhunderts gegründet und an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhunderts aufgegeben wurde. Aus schriftlichen Quellen sind aus der Zeit vom 13. bis zur ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts mehrere Besitzer der Festung bekannt, die den Titel "von Srdov" führten. Die Festung wurde an einer strategischen Stelle über dem Fluss Otava errichtet und durch Befestigungsanlagen geschützt, die aus einer inneren Mauer, einem massiven Graben und wahrscheinlich auch einem äußeren Wall bestanden. Auf dem inneren Gelände sind keine Gebäudereste erhalten, lediglich archäologische Untersuchungen haben Spuren von Steingebäuden zutage gefördert. Die Stätte enthält eine große Sammlung archäologischer Funde aus dem 13. bis 16. Jahrhundert.
Soweit die Beschreibung des Tschechischen Denkmalamtes. Sie kann nicht befriedigen, zumal sie u. E. die Zeitstellung der Anlage verkennt:
![]() |
|
Keltische Spuren. Abb. 44 aus J. Michálek, a. a. O.
|
Besiedelt war dieses relativ kleine Hochplateau an der Otava schon in der Keltenzeit (ab ca. 6. bis 5. Jahrhundert v. Chr.), wie J. Michálek in seiner Publikation "Památky Strakonicka - Arch. Denkmäler bei Strakonitz" von 2003, auf S. 63f. festgehalten hat: Es fanden sich Reste von Keramik, ein Bronzearmband, Tonfett und Eisenschlacke, welche der späten Hallstatt-Zeit entsprachen; Luftaufnahmen zeigen die Größe des keltischen Hofes und Verhüttungsplatzes.
Festung Srdov: Westlich von Šteken an der Otava liegt ein einsamer Ort namens Mosták. Oberhalb davon, zwischen der Kreisstraße nach Strakonice und dem Feldweg, der von den Wiesen wegführt, befindet sich eine ziemlich große Festung, d. h. ein Feld, das von den Höhen durch einen Graben getrennt ist, der in eine Landzunge mündet. Der nahe gelegene Wald heißt 'Chrast', die nahe gelegenen Wiesen 'Luh', die Festung selbst wird von den Einheimischen 'Zlatá houska' [Süßes Brötchen?] genannt. In Wahrheit gab es hier eine Festung namens "Srdov". Bereits 1251 wird Vernér von Srdov mit Pfeilwappen erwähnt, sein Nachkomme, auch Vernér genannt, war 1359-1369 im Besitz von Kamenný Újezda bei Budejovice; 1365 verkaufte er einige seiner Dörfer bei Krumlov an die Herren von Rožemberk, für die sich ein Maršik von Srdov verbürgte. In späteren Zeiten wurde Srdov mit Dvorec (Slaník) verbunden; 1409 werden 19 Morgen von Srdovské erwähnt, die Sigismund von Dvorec innehatte; Zibrid von Srdov wird noch 1427 erwähnt. In späteren Memoiren wird Srdov nicht mehr erwähnt.
Damit ist klar geworden, wie der missverständliche Ausdruck "Festung Srdov" in die Beschreibung des tschechischen Denkmalamtes gelangte.
Um es unsererseits klarzustellen:
Es besteht aus dokumentarischen Gründen kein Zweifel, dass der Niederadel diese Anlage an der Otava vom 13. bis 15. Jahrhundert für sich nutzte, doch wird der eigentliche Sitz des Adeligen jener Hof zu Füßen des Schutzplateaus gewesen sein, der in der Form eines Nachfolgebaues noch heute existiert. Von daher stammen auch die dort aufgefundenen, als "gotisch" klassifizierten Mauerreste. Im Inneren des erhabenen Plateau-Areals dahinter hat allenfalls ein steinerner Turm existiert, wenn überhaupt.
Das weitgehende Fehlen von Mauerzügen, Kellern, Brunnen, Steinfundamenten etc. stellt dagegen eine ganz andere Zeitstellung als das Mittelalter in den Raum:
Abschnittsbefestigungen wie diese beim Weiler "U mosták" - im Sinne eines Rückzugsortes bei feindlichen Überfällen - finden sich zuhauf im ursprünglichen Verbreitungsgebiet der West-Juthungen, sowohl in Nähe der Altmühl, aber auch in der alten Heimat Dänemark.
![]() | |
Der sog. "Ehekamm", eine juthungische Verteidigungsanlage bei der Siedlung von Pollanten, entstand aus einer eiszeitlichen Sanddüne auf dem Jura-Plateau. Wegen des lockeren Materials ist der Wall heute stark verflacht, der südlich vorgeschaltene Graben nahezu komplett verstrichen.
|
![]() | |
Der juthungische Doppelwall-Graben von Rappersdorf, bei der Juthungen-Siedlung Pollanten (Gemeinde Berching, Bayern).
|
![]() | |
Links findet sich eine Rekonstruktion des "Trældige", ein 12 km langer Verteidigungswall westlich von Kolding, aus der römischen Kaiserzeit. Die Rekonstruktion ist hier insofern nicht stimmig, als der äußere Wall fehlt bzw. nur schwach angedeutet ist. Rechts erkennt man den 1,5 km langen "Dandiget" bei Purhus, sein Graben ist inzwischen weitgehend verfüllt.
|
Es waren die Juthungen, die diese Abschnittsbefestigung einst errichtet haben. Sie waren auch andernorts fähige Erbauer von solchen Wallgräben oder "Deichen"!
Schon diese rekonstruierte Panoramaaufname aus Mapy.com stellt klar, dass eine innere Brustwehr einst bestanden hat.
![]() | |
Das ALS-gestützte Bodenrelief verdeutlicht nun, dass entgegen der Aussage des tschechischen Denkmalamtes auch ein Außenwall existiert hat, selbst wenn dieser heute teilweise eingeebnet ist.
![]() | |
Die Mächtigkeit des tschechischen Wallgrabens, der stellenweise fast 15 m Breite und 3 m Tiefe erreicht, ist eindrucksvoll mit folgender Fotografie des tschechischen Denkmalamtes belegt. Man vergleiche dazu den Doppelwall-Graben von Rappersdorf oben: Beide bieten einen ganz und gar gleichartigen, eben "juthungischen" Aspekt.
![]() | |
Da sich bei Grabungen im Inneren des abgegrenzten Areals von Srdov neben Überbleibseln des Mittelalters obendrein auch Keramikreste aus spätantiker resp. römischer Zeit fanden (vgl. Beschreibung oben), ist für uns der letzte Zweifel beseitigt:
Bei der Abschnittsbefestigung "Srdov" handelt es sich um eine juthungische Verteidigungsanlage, um eine Fluchtburg der Ost-Juthungen aus später Zeit. Diese wurde im Angriffsfall aufgesucht - vermutlich deshalb, weil die Siedlung "Na Štěbuzích" zu exponiert und weitläufig war, um noch effektiv verteidigt werden zu können!
Aus der Existenz dieser Anlage kann nun der weitere Rückschluss gezogen werden, dass die Juthungen an der Otava wenigstens einmal, vielleicht sogar mehrfach angegriffen wurden.
Damit endet dieser historische Ausflug nach Přešt'ovice! Eindrucksvoll hat sich vor Ort bestätigt, was wir bereits in unserer Arbeit von 2018 angenommmen haben. Lediglich die Anlage "Strdov" und der eigentliche Ort der Juthungen-Siedlung "Na Štěbuzích" bleiben zu ergänzen.
Unverständlicherweise findet sich in heutigen Dorf Přešt'ovice nicht der geringste Hinweis auf seine einmalige Geschichte in der Zeit der Völkerwanderung.
Wir haben sowohl am Gemeindeamt mit seinem schönen Wappen als auch im Umfeld der zentralen Dorfkapelle "Kaple Panny Marie Sněžuné - Kapelle Unserer Lieben Frau vom Schnee" nach einer entsprechenden Schautafel gesucht - vergebens.
![]() | |
Links die "Kaple Panny Marie Sněžuné", rechts das Wappen des Gemeindeamtes. Bei diesem hängt tatsächlich ein Schaukasten - aber nicht mit Informationen über die einmalige Geschichte des Dorfes an der Otava, sondern nur mit einigen amtlichen Bekanntmachungen.
|
Mit der sonstigen Fachliteratur - von den primären Schriftsätzen aus der Hand B. Dubskýs abgesehen - sind wir nicht gerade reich gesegnet:
und die bereits mehrfach erwähnte tschechische Dissertation aus der Philosophischen Fakultät Hradec Králové, von 2018:
Bei dieser Doktorarbeit, die den gesammmelten Kenntnisstand zu Přešt'ovice über mehr als 490 Seiten zusammenfasst oder - besser gesagt - ausbreitet, ist schon der Titel falsch:
![]() |
|
Karte 1 von Springer, die Schrägkannelierung betreffend. Roter Punkt = Solitärbefund von Přešt'ovice.
|
Es waren Juthungen und keine Elbgermanen, die Ur-Přešt'ovice besiedelt haben!
Die Fehlannahme, der der Autor Dutzende von Seiten seiner Arbeit widmet, beruht auf einem Klischee der Archäologie, resultierend aus der unveröffentlichten Dissertation Tobias Springers: Das Brandgräberfeld von Friedenhain (1991). Daraus stammt nebenstehende Karte 1.
Dass man einzelne Verzierungen der Grabkeramik (hier die Schrägkannelierung) auch an der Elbe nördlich des Erzgebirges nachweisen kann, ist noch lange nicht der Beweis dafür, dass es Elbgermanen waren, die die Ufer der Otava besiedelten. Hier gibt die Auskunft spätantiker Autoren in Übereinstimmung mit der bayerischen Stammessage weitaus validere Hinweise als allein die Keramik. Und es spricht vieles dafür, dass ein Großßteil der Juthungen von Jütland auf direktem Landweg nach Süden gezogen sind und dabei auch in der Main-Gegend kurzen Halt gemacht, aber diesen mit Sicherheit auch überquert hat und dann entlang der Regnitz-Aue weitergewandert sind, sodass sich vereinzelt kannelierte Graburnen auch im heutigen Franken finden. Neue Metallfunde (Taschenbeschläge) in Přešt'ovice korrelieren sehr gut mit diesem Wanderweg (Funde Scheßlitz), werden aber ebenfalls fälschlicherweise als "elbgermanisch" eingeschätzt.
Wichtiger erscheint uns, dass die Juthungen, wie schon der Augsburger Siegesaltar von 260 n. Chr. belegt, Nachfahren oder wenigstens eine Zeit lang - bei ihrer Wanderung von Norden her - Alliierte der Semnonen waren. Diese waren ein viel älterer, schon bei Tacitus erwähnter Großstamm oder suebischer Stammesverbund. Die Semnonen hatten, nachdem sie die dänische Urheimat verlassen hatten, erst im heutigen Schleswig-Holstein (nahe Hamburg) gesiedelt und waren später in Richtung Süden an die Elbe und die Weser gewechselt, wo sie sich an den Mittelläufen ausbreiteten - in etwa analog zur Keramikverteilung in nebenstehender Karte von Tobias Springer. Auch Semnonen kannten also die Schrägkannelierung!
Dass es zwischen Juthungen und Semnonen zu einem Kulturtransfer kam, der auf die Urnengestaltung Einfluss nahm, ist in unseren Augen genauso eine Banalität wie die Tatsache, dass auch semnonische Germanen auf Elbe und Weser in Rundbooten fischten. Wer da wen zuerst beeinflusst hat, ist die Frage von der Henne und dem Ei.
Unabhängig davon entspricht (mit wenigen Ausnahmen)ihre Keramik in anderen Punkten nicht der KFP-Keramik, sodass die Elbgermanen aus unserem Betrachtungsrahmen herausfallen.
Gerade an diesem Beispiel wird klar, welcher Unfug entsteht, wenn Archäologen - die oft nicht einmal mehr des Lateinischen und Griechischen mächtig sind, sodass sie die spätantiken Autoren gar nicht mehr im Original lesen können - allein mit Keramikformen Geschichte schreiben wollen.
![]() |
Mapa 5 aus P. Zavřel, Dissertation von 2018, von uns gering modifiziert: Das sporadische Auftreten der KFP-Keramik südlich des Mains, nordwestlich von Prag, bei Pilsen, sowie im Rottgau und am Inn wollen wir bewusst unkommentiert lassen. Nicht all diese Orte befanden sich an ehemaligen Seenplatten und Flussläufen. Einzelne Wandergewegungen gab es zu allen Zeiten, ansonsten fischt man hier mit vorschnellen Erklärungen im Trüben. Rot markiert haben wir nun auch den gut beforschten, wenngleich ebenfalls in den entscheidenden Punkten missinterpretierten Ort Kauerlach bei Forchheim (Diss. Maranz), der das "K" bei der KVP-Keramik ausmacht.
|
Diese Karte zeigt perfekt die Verteilung der KFP-Keramik in Tschechien und Bayern und damit in aller Deutlichkeit das ehemalige Verbreitungsgebiet der Juthungen - geteilt in West-Juthungen und Ost-Juthungen - wobei man die vereinigten Juthungen, die spät den Limes überschritten und westlich und östlich von Regensburg bis an die Donau vorrücken, auch als Spät-Juthungen bezeichnen könnte:
Die Juthungen waren an sich ein friedliches Volk von Binnenfischern aus Jütland. Sie waren allerdings auch ein nordgermanischer Stamm, der die politische Freiheit, vor allem die Bewegungsfreiheit, so sehr über alle anderen Werte menschlichen Zusammenlebens stellte, dass sie Grenzen wie den Limes Romanus einfach nicht anerkannten und lieber ihr Leben opferten, ja sogar mehrfach an die Grenze des eigenen Aussterbens kamen, als dass sie sich dem übermächtigen Hegemon Rom unterwarfen.
In dieser Freiheitsliebe verdienen die Juthungen noch heute unsere Bewunderung - und sie könnten durchaus Vorbild sein für nachfolgende Generationen!
Dieses und anderes im Sinn habend, verließen wir etwas wehmütig - und betrübt über Ignoranz der tschechischen Landbevölkerung und die akademischen Irrwege der Jetztzeit - das Dorf Přešt'ovice und hingen hinterher zuhause noch einige Tage unseren Gedanken über die dortigen "Ur-Baiern" nach ... Aus diesen Überlegungen entstand vorliegende Arbeit, die keinen Anspruch erhebt, eine wissenschaftliche zu sein, aber dennoch der historischen Wahrheit ziemlich nahe gekommen sein dürfte. Und nur um diese geht es - speziell in der Geschichtswissenschaft!
![]() | |