Demnach muss Abaelards Popularität - verglichen mit anderen Zeitgenossen wie Gilbert, Petrus Lombardus, Hugo von Saint-Victor - zunächst als sehr niedrig eingeschätzt werden. Allerdings widerfuhr dieses Schicksal auch anderen Autoren. Gerade deshalb sind deren Schriften so wertvoll für die heutige Forschung. An Beispielen seien genannt: Die Sententie Atrebatenses, die Historia pontificalis des Johann von Salisbury (nur 1 Manuskript), die Sententiarum libri octo des Kardinal Robert Pulleyn (2 Manuskripte), die Sententie Varsavienses (1 Manuskript). Auch Gerhoh von Reichersberg (verst. 1167) genoss nie Popularität; gerade 3 Kopien sind von seinem De simoniacis erhalten. Sein Kommentar zu den Psalmen wurde nie kopiert. Auch Abaelards Name findet sich kaum in den Katalogen der mittelalterlichen Literatur. Worin liegen die Gründe?
Im Jahre 1120 hatte sich Abaelard - nach seiner Verstümmelung - der Theologie zugewandt. 1121 war er vor das Konzil von Soissons zitiert worden: Ich sollte die Abhandlung über die Trinität, die ich geschrieben hatte, mitbringen. Ich stimmte zu... Seine Gegner und Verurteiler hatten keine einzige Kopie seines Buches zur Vorlage bei sich gehabt: in presenti non habebant - sie hatten gerade keines dabei. (Hist. Cal.)
Für heutige Verhältnisse war dies ein unglaublicher Vorgang. Abaelard wurde gezwungen, sein Buch Theologia Summi Boni mit dem Traktat De Unitate Et Trinitate Divina eigenhändig ins Feuer zu werfen. Ich wurde vor das Konzil gerufen, und ohne Untersuchung, ohne Prüfung zwang man mich, mein erwähntes Buch mit eigener Hand ins Feuer zu werfen. Und so ward es verbrannt... (Hist. Cal.)
Nach seinem erneuten öffentlichen Unterricht in Paris seit dem Jahre 1133 begann eine beispiellose, im Vergleich zu den Ereignissen von Soissons noch wesentlich schlimmere Kampagne gegen seine Lehre und seine Bücher:
Im Jahre 1139 warnte Wilhelm von St. Thierry Bernhard von Clairvaux: Peter Abaelard lehrt und schreibt schon wieder Neuigkeiten. Seine Bücher überqueren die Meere, springen über die Alpen. Seine neuen Behauptungen über den Glauben, seine neuen Lehrsätze verbreiten sich über die Provinzen und Königreiche, feierlich vorgetragen und straflos verteidigt, soweit, dass man sagt, sie erfreuen die Autorität der Römischen Kurie. Doch anderer Stelle schränkt er die weite Verbreitung der Werke Abaelards schon wieder ein: Anderntags gelang es mir, dessen Büchlein, das den Titel trug: Theologia Petri Abaelardi, zu lesen. Es gibt zwei Büchlein mit fast identischem Inhalt, abgesehen davon, dass eines zufälligerweise mehr, das andere weniger Inhalt hat. Von anderen Werken wie Scito Te Ipsum und Sic et Non wusste Wilhelm nur vom Hörensagen. Sie hassen das Licht; man findet sie nicht, wenn man nach ihnen sucht. (PL 182, Ep. 326)
Berhard von Clairvaux hatte einige Werke Abaelards gelesen: Ein Brief an Papst Innozenz II. bestätigt, dass er Abaelards Theologia kannte, die er Stultilogia nannte (PL 182, Ep. 190). Er hatte außerdem ein Liber sententiarum aus der Schule Abaelards und dessen Römerbriefkommentar gelesen. So seltsam es klingt - Bernhard hatte Kopien von Abaelards Werken und er sandte sie nach Rom zu deren Zerstörung. Den Kurienkardinälen empfahl er auch die Lektüre von Scito Te Ipsum - natürlich zur Abschreckung (PL 182, Ep. 188). Abaelard hatte in diesem Werk den Amtsklerus massiv angegriffen. Auch Kurienkardinal und Kanzler Haimerich kannte Abaelards Schriften: Wir haben die Bücher und Lehrsätze des Meisters Peter Abaelard sowohl gehört als auch gesehen. (PL 182, Ep.338) Bernhard verstärkte seine Angriffe auf Abaelard: Seine Bücher kommen aus dem Dunkel ans Licht. Nach außen zeigt er sich als Mönch, nach innen als Ketzer. (PL 182, Ep. 332) Lange hatte er geschwiegen; aber solange er schwiegt, erfuhr er in der Bretagne Schmerz und erfährt jetzt in Franzien Unbilligkeit. (PL 331, Ep. 331) Mehrere Bischöfe meldeten an Papst Innozenz II. über Bernhard von Clairvaux: Mehrere seiner Schüler ermahnte er, sie sollten die Bücher voller Gift verschmähen und wegwerfen. (PL 182, Ep. 337)
Wie die Kampagne endete, ist bekannt. Abaelard wurde schließlich nach dem Konzil von Sens zu ewigem Schweigen und Klosterhaft verurteilt, seine Bücher verbrannt. Von Papst Innozenz ist eine dementsprechende Verbrennung überliefert. Die Bücher brannten in incendio celebri - in herrlichem Feuer. So berichtete Gottfried von Auxerre (Ep. ad Alb., 14). Wenig später starb Abaelard.
Wie aufgezeigt wurde, sprechen die zeitgenössischen Quellen von wenigstens zwei Theologien, einem Werk namens Sic et Non, einem Buch mit dem Titel Scito te ipsum oder Ethica, einem Römerbriefkommentar und einem Liber sententiarum, dessen Echtheit Abaelard jedoch selbst zurückgewiesen hatte. Wilhelm von Saint-Thierry kannte noch zwei andere Werke, weigerte sich jedoch, ihre Titel preiszugeben. Zeitgenössische Angaben über die philosophischen Werke finden sich nicht.
Vermutlich kehrte ein Großteil von Abaelards Werk - wahrscheinlich sogar die Originalschriften - nach dessen Tod durch Vermittlung von Abt Petrus Venerabilis von Cluny in den persönlichen Besitz Heloïsas und somit in das Paraklet-Kloster zurück - darunter wahrscheinlich auch der persönliche Briefwechsel, die liturgischen Werke und Gesänge. Möglicherweise wurde ein Teil von ihnen noch von Heloïsa persönlich nach Paris gebracht (siehe Robl, Heloïsas Herkunft: Hersindis Mater). Wahrscheinlich verblieben sie nach Heloïsas Tod über Jahrhunderte an diesen Orten und sind erst während der Französischen Revolution endgültig verloren gegangen. Die Paraklet-Schriften konnten eine Öffentlichkeitswirkung während des Mittelalters nicht entfalten, deshalb lohnt es sich nicht, an dieser Stelle weiter darauf einzugehen.
War es Bernhard von Clairvaux gelungen, den Ruf des Literaten Abaelard und damit sein Werk zu vernichten? Er selbst hatte darüber zeitweise seine Zweifel: ...hoffentlich bleiben seine verderblichen Folianten in Kisten verborgen und werden nicht öffentlich gelesen. Volant libri, d.h. Bücher verbreiten sich schnell. (PL 182, Ep.38)
Einzelne Persönlichkeiten wussten Abaelard und sein Werk trotz der Indizierung durchaus zu würdigen. So verweigerte Kurienkardinal Guido von Cittá di Castello die Verbrennung: Im Jahre 1144 überließ er Kopien von Abaelards Theologia und Sic et Non seiner Kirche in Cittá di Castello in Umbrien.
Andere Autoren wie Johann von Salisbury oder Otto von Freising erwähnten Abaelards Lehre in ihren Werken.
Aber im Großen und Ganzen waren binnen einer Generation Abaelards Werke weitgehend in Vergessenheit geraten. Nur ca. 80 Manuskripte, die Werke Abaelards enthalten, haben bis heute überdauert; keines trägt Abaelards persönliche Handschrift. Häufig handelt es sich nur um Varianten desselben Werkes. Die Theologia findet sich in 18, Sic et Non in 11, die Ethica in 5, der Dialogus in 3, der Genesiskommentar in 4, der Römerbriefkommentar in 3 Fassungen. (Luscombe, The School of Peter Abelard) Es ist verwunderlich, dass Abaelards Zeitgenossen so wenig Interesse an seinen Schriften zeigten und auf das Kopieren weitgehend verzichteten.
Teilweise ist diese Unpopularität Abaelard selbst zuzuschreiben. Kaum eines seiner Werke präsentierte er zu Lebzeiten der interessierten Öffentlichkeit als abgeschlossen und vollendet. Er war ein fleißiger Arbeiter, suchte ständig nach neuen Argumenten und war oft auch durch die Lebensumstände gezwungen, seine Werke zu überarbeiten. Aber gerade deshalb war er ein schlechter Editor. Wegen der häufigen Ortswechsel verfügte er wohl nie in seiner Karriere über ein leistungsfähiges Skriptorium, das eine umfangreiche Kopierarbeit zugelassen hätte. Weiteres über die zahlreichen Redaktionen von Abaelards Werken findet sich an anderer Stelle.
Zweitens muss man annehmen, dass die fehlende Verbreitung von Abaelards Werk auf die Verurteilung von Sens und das Bücherverbot zurückzuführen war. Dasselbe Schicksal war allerdings auch Gilbert von Poitiers widerfahren. Trotzdem existieren z.B. über 50 Handschriften seiner langen und deshalb teuren Kommentarien über die Opuscula sacra. Die These wird auch dadurch abgeschwächt, dass Abaelards philosophische Werke, die nicht verboten worden waren, dasselbe Schicksal erfuhren. Hier wirkte sich eventuell die Tatsache aus, dass erst nach Abaelards Tod die wichtigsten Werke des Aristoteles wieder entdeckt wurden, und somit alle früheren Arbeiten zu dessen Werk als überholt galten. (Podlech, Heloïsa und Abaelard)
Abaelard hatte zu Lebzeiten einen ungeheuren Zulauf von Studenten aus ganz Europa erfahren. Aber offensichtlich wurde damals versäumt, Vorlesungsskripten zu erstellen. Die Sentenzenbücher aus der Schule Abaelards, die meist auf den verschiedenen Fassungen von Abaelards Theologia aufbauen, sind spärlich:
Die Sententie Hermanni aus der Schule Abaelards überdauerten in 6 bekannten Manuskripten, die sogenannten Sententie Florianenses, die anonymen Sententie Parisienses, das Fragment Quoniam misso in nur einem Manuskript. Die Isagoge in theologiam, von einem gewissen Odo aus England verfasst, existiert in nur einer Kopie, Neuarrangements in zwei weiteren. Der Commentarius Cantabrigiensis, auch ein Werk aus Abelards Schule, findet sich in einem einzigen Manuskript, ebenso eine Abbreviatio des Römerbriefkommentars. Ein Manuskript mit den Sententie des Meisters Omnebene ging 1914 in Louvain verloren, zwei spätere Kopien wurden allerdings wieder entdeckt. Ebenfalls nur ein Manuskript enthält die Sententie Rolandi, die Sätze des späteren Papstes Alexander III.
Viele mittelalterliche Autoren äußerten sich gegen Abaelard und seine Lehre, ohne sein Werk je begutachtet zu haben. Sie beriefen sich dabei meistens auf die veröffentlichten Briefe Bernhards von Clairvaux, die damit gewissermaßen in paradoxer Weise doch die Erinnerung an Abaelard aufrecht erhielten:
So verunglimpfte 1177 Walter von St. Victor Abaelard als eines der 4 Labyrinthe von Franzien. Dabei berief er sich auf Bernhard von Clairvaux, griff jedoch auf kein Werk Abaelards direkt zurück, obwohl sie vermutlich in St. Victor damals zur Verfügung gestanden hätten.
Als Gottfried von Auxerre an Kardinal Albinus berichtete, berief er sich, als er den Kardinal über Abaelard aufzuklärte, nur auf die Vita S. Bernardi und Bernhards Brief an die Kurie. Dieses dossier Abélard (J. Leclercq) ist in drei Serien und insgesamt 117 Manuskripten erhalten.
Auf denselben Brief - und ebenfalls nicht auf Abaelards Werk - berief sich auch der Autor des Liber de vera philosophia, als er Abaelard massiv angriff: Noch ein anderer Meister, zwar von Scharfsinn, hat einen unbekannten Weg ohne Führer beschritten. Vom Laufen müde, ruhte er sich etwas aus, schlief in der Einsamkeit ein und während er noch anderes verbesserte und schrieb, träumte er, dass der Vater im Sohn sei, wie die Gattung (genus) in der der Einzelart (species). Wegen dieser Aussage und Ähnlichem ist er zu ewigem Schweigen verurteilt worden, und man muss ihn nicht weiter beachten. (MS Grenoble, Bibl. mun. 290) Der Autor verfügte wohl über die Summa sententiarum, aber nicht über eine von Abaelards Ausgaben der Theologia.
Der Chronist Alberich von Trois-Fontaines beschrieb zwar Abaelard als berühmten Wissenschaftler, erwähnte jedoch, dass nach Verbrennung der Bücher die Werke Abaelards lange Zeit von seinen Schülern versteckt werden mussten. Er habe in den Briefen des Heiligen Bernhard gelesen, dass Papst Zölestin, der frühere Kardinal Guido, einer von Abaelards Schülern gewesen sei. (Chron. Albrici; MGH SS 23)
Kardinal Matthäus von Aquasparta (verst. 1302) postulierte ebenfalls Abaelards Irrtümer und schrieb: In diesen Irrtum ist Petrus Baalardus verfallen, wie der Heilige Bernhard in mehreren Briefen berichtet. (Quaest. disp. qu. 2 de fide, 1903)
Der Franziskaner Bartholomäus von Bologna (verst. nach 1294) verwarf einen verdammungswürdigen Satz in Bezug auf Glaube und Vernunft: Das war die Haltung des Petrus Baelardus zur Zeit des Papstes Innozenz, des Heiligen Bernhard und Heinrichs von Sens. (Ruf und Grabmann, ... Bruchstück der Apologia Abaelards, 1930)
Im 15. Jahrhundert schrieb ein unbekannter Leser folgende Warnung auf ein Manuskript von Abaelards Theologia Summi Boni: Hüte dich, das Gift zu trinken... welches der Heilige Bernhard in einem Brief an Papst Innozenz gerügt hat. Ich rate dir, lese zuerst diesen Brief. (Ostlender, Abaelards Theologia Summi Boni, 1939)
Trotzdem lohnt es sich, nach den mittelbaren, indirekten Einflüssen von Abaelards Werk auf die literarische Nachwelt zu suchen. Den Namen Peter Abaelard wird man dabei höchst selten finden. Dies sei an einigen Beispielen aufgezeigt:
Petrus Lombardus, einer der Nachfolger Abaelards als Leiter der Domschule von Paris, verfasste das berühmteste Sentenzenbuch des Mittelalters. Es war das Standardwerk der Theologie bis zur Reformationszeit. Petrus Lombardus legte Abaelards Kenntnisse und Methode diesem Werk zugrunde, verschwieg jedoch dessen Namen. Johann von Cornwall berichtete, dass Petrus Lombardus häufig Abaelards Theologia benutzte. Seinerseits zitierte er selbst zwei Paragraphen aus der Theologia scholarium (Eulogium 3). Auch wenn Petrus Lombardus sein Plagiat nie bekannte, hatte er zweifelsohne häufig Abaelards Theologia herangezogen: So entlieh er fast vollständig Abaelards Zitatensammlung des Alten Testamentes in Bezug auf die Trinität. (Luscombe, The School) Er kopierte Abaelards Griechische Autoritäten, um sein Filioque zu rechtfertigen. Anselm of Havelberg benutzte Abaelards Kompilation in seinem Dialogus mit den Griechen in Konstantinopel im Jahre 1136. Als im Jahre 1172 einen ähnlichen Dialog auch Petrus Lombardus niederschrieb, griff er vermutlich erneut auf Abaelard zurück. Ebenso entlieh Petrus Lombardus Abaelards Umschreibungen der Trinität - Macht, Weisheit und Liebe - als Zeichen der Vollkommenheit und Güte Gottes. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass Petrus Lombardus an anderen Stellen auch Abaelard z.T. beträchtlich widersprach; dies mindert jedoch nicht grundsätzlich Abaelards Einfluss auf sein Werk.
Abaelards Handschrift erkennt man auch in den Schriften Odos von Ourscamp und seiner Schule. Odo, ein ehemaliger Schüler Abaelards, lehrte 1145 bis 1165 als Kanoniker an der Domschule von Notre-Dame, wurde später Zisterzienser und Abt von Ourscamp. Er entwickelte den systematischen Gebrauch der quaestio weiter - eine Methode, die auf seinen Lehrer Abaelard zurückging. (Sic et Non) Eine ansehnliche Zahl von Manuskripten mit quaestiones aus seiner Schule existieren noch heute. (Pitra, Anal. novissima Spicilegii Solesmensis, und Landgraf, Introduccion)
Der berühmte Kirchenlehrer Thomas von Aquin erwähnte Petrus Almarareus (ein Wortspiel mit amarus = bitter oder eine Namensverwechslung?) in Verbindung mit einem der Capitula haeresum. (Ruf und Grabmann, ... Bruchstück der Apologia Abaelards, 1930) Er selbst führte Abaelards Methodik, die Gesetze der Logik auf Glaubensfragen anzuwenden, in seinen Summae konsequent fort und vollendete sie.
Schon lange ist bekannt, dass Abaelards Römerbriefkommentar Robert von Melun und seine questiones de epistolis Pauli stark beinflusst hat. Eine weitergehende Wirkung war jedoch nicht bekannt. Abaelard griff in seinem Kommentar zum Brief des Apostels Paulus an die Römer Lehrinhalte der Schule von Laon auf, verwendete aber auch die eigenen Methoden der Logik und Dialektik und stellte seine Vorstellung von Ethik, die die personale Verantwortung des Einzelnen für sein Heil betont, wiederholt in den Vordergrund. Erst kürzlich konnte bewiesen werden, dass dieser Kommentar erheblichen Einfluss auf die weitere Exegese des Mittelalters hatte: Bindeglied ist ein anonymer Pauluskommentar aus dem 12. Jahrhundert, der in 3 Manuskripten erhalten ist. (z.B. Vat. Otto. 445) Sein Incipit stimmt wörtlich mit Abaelards Expositio überein. Dieser Kommentar findet sich seinerseits zu großen Teilen in den Allegoriae super Novum Testamentum, einem Standardwerk der exegetischen Tradition des Mittelalters, das in weit über 100 Handschriften erhalten blieb. (Peppermüller, 1972)
Auch wenn Abaelard also nach seinem Tode nicht gleich vergessen war - unter seinem Namen wurde sein Werk so gut wie nicht verbreitet. Der Name Abaelard verschwand somit vollständig aus den Annalen. Allerdings wurden die relativ wenigen Manuskripte seiner Werke über einen relativ weiten europäischen Radius verbreitet und in zum Teil bedeutenden Skriptorien, wie zum Beispiel im Kloster Prüfening an der Donau, kopiert. Dies belegt zumindest, dass Abaelards Ideen in gewissen intellektuellen, meist klösterlichen Kreisen nach wie vor geschätzt und in ihrer Bedeutung erkannt wurden. Einer Verbreitung seines posthumen Rufes war dies jedoch nicht förderlich. Über lange Zeit blieb sein Name mit dem Odem des Ketzers behaftet, und sein Werk konnte vom großen Teil der Vertreter der Amtskirche nicht guten Gewissens zitiert werden. Mit Erfindung und Verbreitung der Buchdruckerkunst setzte vor allem in nicht-kirchlichen, historisch und literarisch interessierten Kreisen ein gewisses Umdenken ein. Doch dann war es Abaelards tragische Liebesbeziehung zu Heloïsa, die die Menschen faszinierte, viel weniger sein wissenschaftliches Werk. Der Wissenschaftler Abaelard blieb der Amtkirche bis dato suspekt. Dies kann z.B. sehr anschaulich in den Kommentaren der großen theologischen Standardwerke der beiden letzten Jahrhunderte nachvollzogen werden. Die Verdrängung des Namens Abaelard setzte sich hier bis zum heutigen Tag fort. Der amtierende Papst Johannes Paul II. hat in seiner jüngst erschienenen Enzyklika Fides et ratio den Philosophen mit keinem Wort erwähnt.