Wilhelm von Champeaux hatte bei Manegold von Lautenbach, Anselm von Laon und Roscelin von Compiègne studiert. Im Jahre 1095 wurde er Leiter der Domschule und 1103 Archidiakon von Paris. Die Domschule verließ er jedoch bereits im Jahre 1108 wieder - entweder als Folge der Auseinandersetzung mit Abaelard, oder aber, weil er mit der Gründung des Stiftes Saint-Victor seine weitere Karriere betrieb. Dort nahm er jedenfalls den Unterricht wieder auf. Sein Einfluss auf das weitere geistige Leben von Saint-Victor war enorm; ihm war die mystische Ausrichtung zu verdanken. Im Jahre 1113 wurde er Bischof von Châlons-sur-Marne. Von da an setzte er sich heftig gegen Priesterehen ein. Als glühender Verteidiger der kirchlichen Investur wurde er von Papst Kallixtus II. im Jahre 1119 als Legat zur Sitzung von Monzon geschickt. Als treuer Freund des Heiligen Bernhard ließ er sich hierauf in den Konvent von Clairvaux aufnehmen, wo er wenig später, im Jahre 1121, verstarb. Uns sind von seinen Werken ausschließlich die theologischen - und auch das nur in Bruchstücken -überliefert: De origine animae und ein Liber sententiarum, sowie ein Dialogus seu altercatio cujusdam Christiani et Iudaei. Seine philosophischen Werke kennen wir nur durch die Erwähnungen seiner Gegner, vor allem durch Abaelard.
In Paris schien die Dialektik Wilhelms wesentlich durch Boethius beeinflusst worden zu sein: Wie er – und entgegen dem Nominalismus seines Zeitgenossen Roscelin – hielt er das Universale der Wesen für eine Sache. Folgerichtig sei das Individuum ganz den Akzidenzien dieser Substanz zu verdanken. Wilhelm machte daraus offensichtlich eine materielle Essenz. Diese nannte Abaelard Realie. Das Universale, das also wie eine Sache rangiert, wurde nach Weglassen der Akzidenzien und ohne Berücksichtigung der Unterschiede, auf eine einzige identische Substanz zurückgeführt.
Diese These griff Abaelard bei seinem zweiten Aufenthalt bei Wilhelm in Saint-Victor an: Die Texte von Aristoteles, Porphyrius und Boethius zitierend, zeigte Abaelard seinem Meister auf, dass es offensichtlich unmöglich sei, dass die Gattung Mensch identisch sei in Platon und in Sokrates, und dass ein vernunftloses Lebewesen nicht dasselbe sei wie ein vernunftbegabtes, und dass man deshalb zugeben müsse, dass Gegensätze in ein- und derselben Substanz existieren. In der Tat lag nach Wilhelm das Universale ganz in jedem Individuum. Hierauf antwortete Abaelard, dass die Essenz Mensch nicht gleichzeitig in Platon und in Sokrates liegen könne.
Schließlich unterstellte Wilhelm, dass die Universalien vor den Sachen existierten: universalia ante rem. Folglich – so argumentierte Abaelard – könne das Individuum, das durch seine Akzidenzien zusammengesetzt sei, nicht Subjekt sein, da das Subjekt ja vor den Akzenten sei. Wenn Wilhelm auch in diesem Streit klar unterlag, so muss man nichtsdestoweniger dem Bericht misstrauen, den Abaelard in der Historia Calamitatum von der Niederlage Wilhelms gab. Dieser bekannte die Indifferenz des Universalen; diese These – gleichermaßen von Boethius vorgetragen – ist die, dass im Hinblick auf die unterschiedlichen Essenzen die Individuen nicht weniger ähnlich, d.h. nicht unterschiedlich sind im Menschen.
Ein zweites Mal bekämpfte Abaelard seinen Lehrer: Die Indifferenz aufrechtzuerhalten - nämlich, dass bezüglich des Menschseins kein Unterschied bestehe zwischen Sokrates und Sokrates sowie Sokrates und einem anderen Menschen - das könne nicht sein. Andererseits – wenn sich Sokrates und Platon nicht im Menschen unterschieden, dann unterschieden sie sich auch nicht vom Stein.
Abaelard diskreditierte so den Unterricht Wilhelms. Dennoch liegen Wilhelms letztgenannte Thesen nahe an denen seines Schülers, der erkannte:
So nahe diese beiden Thesen auch liegen, so widersetzte sich Abaelard Wilhelm durch die Sprachanalyse wie folgend: Die Universalien waren für ihn voces, d.h. Worte, Sprachhülsen, allein von Interesse für den Dialektiker. Aber nach Gilson war Abaelard trotzdem ohne Zweifel mehr der Schüler seines Meisters, als er glaubte.
Die Theorie der von Wilhelm verkündeten Indifferenz fand sich stellenweise noch im 13. oder 14. Jahrhundert.