Berengar von Poitiers
Von nur wenigen Schülern
Abaelards kennen wir den Namen. Einer von ihnen, ein gewisser
Berengar aus
Poitiers, etwa um 1120 geboren, hatte offensichtlich am Konzil von
Sens als unmittelbarer Augenzeuge teilgenommen. Nach
Duchesne sei er ein
scholasticus, d.h. Schulmann, gewesen. Wenngleich sich dieser Rang durch die Quellen nicht weiter untermauern lässt, so entbehrt die Annahme
Duchesnes nicht einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Denn zu diesem Amt passt der Bildungsrahmen, der sich in den wenigen Schriften
Berengars, die von ihm überliefert sind, erkennen lässt. Wo
Berengar das Amt des
scholasticus ausübte, wissen wir nicht - vermutlich in seiner Heimatstadt
Poitiers.
Abaelard selbst hat diesen wackeren Streiter für seine Rehabilitation in seinen eigenen Schriften nicht erwähnt.
Berengar ergriff nach Abaelards Verurteilung auf dem Konzil von Sens
am 25. Mai 1141 das Wort und schrieb zu dessen Verteidigung eine sarkastisch-freche Apologie, d.h. eine Rechtfertigungsschrift, in welcher er heftig und beleidigend die Umstände des Konzils und vor allem das Verhalten Bernhards von Clairvaux anprangerte und lächerlich machte:
Berengarii Pictavensis Apologeticus contra Beatum Bernardum, Claravallensem abbatem, et alios qui condemnaverunt Petrum Abaelardum
Des Poiteviners Berengar Verteidigungsschrift gegen den Heiligen Bernhard, den Abt von Clairvaux, und die anderen, die Peter Abaelard verurteilt haben.
So lautet der Titel des Schreibens, welches an anderer Stelle innerhalb dieser Seiten im vollständigen Wortlaut (ergänzt durch eine auszugsweise deutsche Übersetzung) widergegeben wird. Nach
Berengars eigenen Angaben muss die Apologie damals die Runde in ganz Europa gemacht haben. Schon zu Beginn seines Schreibens warf
Berengar Bernhard vor, er sei in den
artes liberales ungebildet und er habe in seiner Jugend zweideutige Lieder verfasst. Er bezeichnet ihn als den
Hohenpriester Kaiphas und vergleicht
Abaelard etwas blasphemisch mit
Christus. Dann schildert er aus seiner Sicht die Zusammenkunft der geistlichen Würdenträger am Vorabend des Konzils. Die Prälaten seinen nichts anderes als ein desinteressierter, betrunkener Haufen gewesen. Nicht nur diese, sondern auch viele andere Passagen des Schreiben bedürfen der Aufmerksamkeit, enthalten sie doch bei aller Subjektivität wichtige Hinweise über den Ablauf der Verurteilung
Peter Abaelards. Enthalten ist u.a. die berühmte
confessio fidei ad Heloissam, die aus der Feder des Philosophen stammt. Vielleicht hatte
Abaelard persönlich dieses Schreiben dem
Berengar nach seiner Niederlage vor dem Konzil übergeben, damit er es in den Parakleten zu
Heloïsa bringe. Ob dieses Schreiben die Äbtissin je erreicht hat, ist unbekannt.
Schon zu Berengars Lebzeiten löste die Apologie einen Sturm der Entrüstung und die sofortige Gegenreaktion des orthodoxen, kirchlichen Lagers aus. Berengar musste in die Cevennen fliehen und wegen Bernhards Verfolgungen Bischof Wilhelm von Mende, 1109 - 1150, um Hilfe anflehen. Berengar war offensichtlich geächtet, seine akademische Laufbahn beendet. Diese Information entnehmen wir zwei weiteren Briefen des Schulmannes, die ebenso wie die erwähnte Apologie in Mignes Patrologia Latina, Band 178, abgedruckt sind. Der eine Brief richtete sich an Mitglieder des Kartäuserordens, in dem er noch angriffslustig die Sache Abaelards vertrat. Mit dem zweiten wandte sich Berengar flehentlich an den erwähnten Bischof von Mende: Seine Apologie sei nur als Scherz zu verstehen gewesen. Berengar zeigte somit - unter dem Eindruck seiner Verfolgung - einen Gesinnungswechsel und formulierte eine Entschuldigung gegenüber Bernhard von Clairvaux. Wann und unter welchen Umständen Berengar zu Tode kam, ist unbekannt.
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