Villa Pirihinga - das karolingische Berching

aus der Reihe: Perlen am Wegesrand der Berchinger Stadtgeschichte

© Dr. Werner Robl, Berching 2012

Der Lauf der Geschichte bringt es mit sich, dass hin und wieder kleine und eher unbedeutende Orte aus dem Schatten treten und kurzfristig als Schauplatz großpolitischer Ereignisse und Entwicklungen eine gewisse Bedeutung erlangen.

Kann sich ein kleines beschauliches Städtchen wie Berching mit einem solchen Attribut schmücken?

Ich meine, in Berching würde es heute im Allgemeinen ein jeder verneinen, wenn man von einem Ereignis absieht, das einen gewissen Kenntnisstand erreicht hat. Es handelt sich um die Geburt des zu seiner Zeit berühmtesten und gefeiertsten Komponisten Europas, Christoph Willibald Ritter von Gluck, im nahen Erasbach. Dabei hat unsere Kleinstadt zu mindestens zwei weiteren markanten Zeitpunkten eine gewisse historische Rolle eingenommen, wohl nicht in weltpolitischen Dimensionen, aber doch so, dass sich die große Geschichte im Kleinen spiegelt und dadurch zu einer Anschaulichkeit gelangt, die ihr sonst nicht vergönnt ist. Diesen Ereignissen war ein breiteres Bekanntwerden nicht vergönnt, deshalb möchte im Folgenden wenigstens von einem der beiden berichten und dabei die Stätten, die in Berching damit verbunden sind, vorstellen. Wir verlassen dabei etwas die üblichen Touristenpfade in Berching.

 

Die Geschichte eines Namens

Das Sulztal um Berching ist als Siedlungsraum sehr alt, Streufunde reichen bis weit vor die Zeitenwende zurück.

Der Name "Berching" selbst deute auf eine Gründung zur Zeit der bajuwarischen Landnahme im 5. und 6. Jahrhundert hin, so meinen seit einer Veröffentlichung K. O. Ambronns die Berchinger Chronisten.

Nur: Der von Ambronn "konstruierte" Ortsgründer Piricho oder Bericho wäre ein ziemliches Unikum gewesen; nirgendwo sonst ist die Bezeichnung als authochthon-bajuwarischer Name referiert. Schon Ambronn selbst relativierte seine Hypothese, indem er eine frühe Urkunde zitierte, derzufolge der Name Piricho auf einen fränkischen, nicht bajuwarischen Stammesangehörigen verwies. Außerdem sei ein gehäuftes Auftreten des Eigennamen Piricho vor allem in einem Urkundenbuch des Klosters St. Gallen nachweisbar, also im alemannischen Sprachraum, wohingegen im altbayerischen Raum nur vereinzelt Namensähnlichkeiten wie Pirithilo aufgetaucht wären. Erst spät, in einer Schenkungsurkunde von 893 für das Bistum Eichstätt, taucht dann ein Pircho unter den bavarisci centuriones auf, was jedoch mit der bajuwarischen Landnahme mit Sicherheit nichts zu tun hat.

Inzwischen steht fest, dass die heutigen "-ing"-Namen in unserer Region keinesfalls unterschiedslos der bajuwarischen Landnahme zugeschrieben werden dürfen, zumal sich hinter vielen dieser Orte eigentlich Gründungen mit der zweisilbigen Endung "-ingen" verbergen (z. B. Onningen 1057 = Öning, Tegeningen 1080 = Töging, Pollingen 1068 = Pölling, Gundolfingen 1095 = Gundlfing). All diese Ortsnamen werden nach den Forschungen von E. Schwarz heute eher der juthungischen, d. h. der alemannischen, als der bajuwarischen Landnahme zugeschrieben. Nun - Berching trug im frühen Mittelalter eine zweisilbige Endung: Paeirichingen, Birichingen (1194), Berchingen liest man in den Urkunden, und der lateinische Ausgangsname pirihinga oder auch birihinga besagt nichts anderes als dieses! Demnach ist Berching in der Tat eine alemannische Gründung!

Die Juthungen waren ein alemannischer Volksstamm, der im 3. Jahrhundert n. Christus, also noch zur Römerzeit, vorübergehend unsere Gegend besiedelte. Dieser Volksstamm hat im nahen Pollanten ein großes Brandgräberfeld hinterlassen, das erst vor wenigen Jahrzehnten wieder aufgefunden und archäologisch ergraben wurde.

Auf die alemannische Herkunft des Namens "Berching" deutet auch die Tatsache hin, dass sich weit weg von hier, in einem südbadischen Ort an der Schweizer Grenze namens Birkingen (bei Waldshut), die latinisierte Form des Namens Berching - pirihinga - ebenfalls erhalten hat.

Pirihinga, das heißt im Alemannischen nichts anderes als "Birkenort" - eine etymologische Erklärung, die sich speziell für den Ort Berching im Sulztal anbietet, weil ein Birkenurbewuchs auf der wasserdurchlässigen, trocken-sandigen Geländeterrasse der Berchinger Vorstadt - also dort, wo Berching einst entstanden ist - durchaus Sinn macht. Die hier vorliegende K-CH-Lautverschiebung findet sich noch heute im Hochalemannischen: "Birke" meint im Dialekt "Birche". Bei einem sehr alten Ort in Niederbayern, heute Pürkwang, findet man übrigens mit pirihhinuuang die gleiche Sprachwurzel, wobei hier "-wang" so viel wie Abhang bedeutet und deshalb der "Birkenabhang" als sehr sicher gilt.

Mit diesen neueren Erkenntnissen steht weitgehend fest:
 
Im Namen Berching birgt in sich eine frühalemannische Sprachwurzel, der Ort selbst ist somit dem Dafürhalten nach eine juthungisch-alemannische Gründung und damit wesentlich älter, als bisher angenommen: Er stammt bereits aus dem 3. bis 5. Jahrhundert nach Christus. In diesem Kontext stellt Berching schon eine Besonderheit unter den Orten Altbayerns dar.

Dass indes das Berching-Pollantener Becken selbst von den Alemannen nicht unbesiedelt vorgefunden, sondern als bereits vorhandener Siedlungsraum erobert wurde, daran gibt es auch keinen Zweifel. Schon in vorkeltischer und keltischer Zeit finden sich in unserer Gegend bedeutende Siedlungsspuren, und in der Spätlatène-Zeit, d. h. im 4. Jahrhundert vor Christus, gab es wenige Kilometer nördlich von Berching, bei Pollanten, sogar so etwas wie eine "Großstadt". Gemeint ist die zweitgrößte spätkeltische Talsiedlung, die je in Bayern gefunden wurde - nach Manching bei Ingolstadt.

 

Die "Geburt" eines Ortes - Berching kaiserlicher Fiskalbesitz

Nun ist es Usus der Historiker, den Gründungszeitpunkt einer Stadt in die Zeit zu verlegen, in der sie Literalität erreicht, d. h. in das Jahr, in der ihr Name erstmals aufgeschrieben wurde. Damit geraten wir im Falle Berchings allerdings in der Zeitachse ein gutes Stück nach hinten und landen direkt bei den Karolingern.

Dabei begann die schriftliche Überlieferung Berchings gleich mit einem Paukenschlag!

Denn Berching war, so erfahren wir aus einer Urkunde, nichts weniger als eine kaiserliche Domäne!

Das Dokument, welches solches verrät, stammt in der Tat aus der Hand eines veritablen Kaisers, des letzten Erb-Kaisers der Karolinger. Am 23. März des Jahres 883 n. Chr. übereignete Karl der Dicke, dem in seinem Kaisertum keine rechte Fortune beschieden war, eine capella in der villa pirihinga mit allen Liegenschaften einem seiner treuen Vasallen namens Euprant - nicht als vererbbaren Eigenbesitz, aber immerhin zur weitgehenden Verfügung zu Lebzeiten, nachdem dieser die Kapelle bereits zuvor als beneficium - Lehen - inne gehabt hatte.

Diese Übertragung der vollständigen Verfügungsgewalt geschah jedoch mit der Auflage, dass die Kapelle nach Euprants Tod an die Alte Kapelle in Regensburg zurückfallen solle. Die Alte Kapelle, das war die Kirche der Regensburger Karolingerpfalz. Ob es zu dieser Rückübertragung je kam, müssen wir mangels Information offen lassen.

Man sieht am Wortlaut der Urkunde:

An der Hofkapelle in Berching war dem Kaiser so sehr gelegen, dass er sie im Weiteren als kaiserliches Fiskalgut und als capella regia seinem Herrschergeschlecht erhalten wollte. Neben der capella, die dem Namen nach mit einem karolingischen Hofgeistlichen, einem capellanus - so benannt nach der cappa des heiligen Martin von Tours - besetzt gewesen sein muss, erfahren wir auch von einer villa.

Das bedeutet im Klartext, dass zur damaligen Zeit in Berching ein karolingischer Königshof bestanden haben muss.

Es handelte sich um einen der ziemlich einheitlich angelegten Höfe zur Landerschließung - mit zahlreichem Gesinde, mit einer Umzäunung und einem größeren Administrationsgebäude. In diesem residierte ein iudex, wobei iudex im karolingischen Wortsinn nicht Richter, sondern Amtmann bedeutet. Eine karolingische villa regia war Verwaltungszentrum, Tierzucht- und Pflanzenbauanstalt, Lagergelände, Richtstätte, mitunter auch militärischer Stützpunkt u.v.a.m., organisiert und zusammengehalten durch einen einheitlichen Verwaltungscodex, dessen 70 Paragraphen im sogenannten capitulare de villis, der karolingischen Landgüterverordnung, festgehalten waren.

 

Die strategische Bedeutung des Königshofes Berching

Wenn wir erschließen wollen, warum Kapelle und Königshof pirihinga dem Kaiser so wichtig waren, müssen wir zunächst um 80 Jahre zurückgehen und auf eine Urkunde seines Urgroßvaters, Kaiser Karls des Großen, achten. Sie trägt den bezeichnenden Titel divisio regnorum - die Teilung der Königreiche.

Wie wir alle wissen, handelt es bei Karl dem Großen um jenen Herrscher, der im Laufe seines Lebens ganz Europa von den Pyrenäen bis nach Sachsen und hinein ins Awarenland zusammeneroberte und wegen des entstandenen paneuropäischen Reiches noch heute als der größte aller deutschen - die Franzosen würden sagen "französischen" - Kaiser gilt. Kein Wunder, dass sich Kaiser Karl darüber Gedanken machte, wie nach seinem Ableben mit einer derart großen Landmasse zu verfahren sei. Die divisio regnorum war eine testamentarische Nachfolgeregelung, die Kaiser Karl der Große höchstpersönlich am 6. Februar 806 für den Fall seines plötzlichen Todes erließ. Dass diese später hinfällig wurde und nicht zur Ausführung kam, weil zwei seiner Söhne vor ihm starben, tut in diesem Zusammenhang nichts zur Sache.

Teile der im Wortlaut erhaltenen divisio regnorum werfen ein indirektes Schlaglicht auf Berching!

Worum ging es damals konkret?

Karl der Große sah die Aufteilung des Fränkischen Reiches unter seinen Söhnen Pippin von Italien, Karl dem Jüngeren und Ludwig dem Frommen vor. Dabei sollte Pippin das alte Stammesherzogtum der Bayern erhalten, so wie es einst Herzog Tassilo III. aus der Sippe der Agilolfinger besessen hatte, d. h. vornehmlich das heutige Ober- und Niederbayern, sowie Kärnten, Niederösterreich und Teile von Norditalien, außerdem geringe Anteile des sog. Nordgaus. Wir werden auf die Begrifflichkeit des Nordgaus in der Folge noch weiter eingehen. Einstweilen bleibt festzuhalten, dass Karl der Große im Jahr 806 u. a. das Herzogtum Bayern prospektiv vergab, allerdings mit einer eigentümlichen Ausnahme, die in der Urkunde ausdrücklich festgehalten wurde:

Die beiden Königshöfe Lauterhofen und Ingolstadt, die an sich zum Ur-Nordgau gehörten und die der Agilolfinger-Herzog Tassilo III. einst als Lehen gehalten hatte, sollten jetzt dem Herzogtum Bayern entnommen werden und an Karl den Jüngeren fallen, wohingegen Sohn Pippin leer ausging. In unserer Region erhielt Karl der Jüngere einen Teil des eigentlichen Stammesgebietes der Franken, welches damals viel größer war als das Franken, das wir heute kennen, und bis nach Belgien und Nordfrankreich reichte, genau genommen Ostfranken und obendrein den Rest des Nordgaus.

Wir entnehmen dem Sachverhalt, dass Herzog Tassilo zuvor mit den Höfen in Lauterhofen und Ingolstadt belehnt worden war und damit einen spornartigen Ausläufer von Bayern südlich der Donau quer durch den Jura hinein nach Ostfranken unter seiner Botmäßigkeit gehalten hatte - einen Sporn, der jetzt zugunsten von Ostfranken von Karl dem Großen wieder eingezogen wurde.

Warum geschah dies?

Bei der Achse Ingolstadt-Lauterhofen handelte sich zum größten Teil um eine alte Salz- und Heerstraße, die relativ bequem das Reisen vom einzig möglichen Donauübergang bei Pförring bzw. Großmehring, so wie er z. B. auch im Nibelungenlied erwähnt ist, über das Altmühl- und Sulztal hinein nach Kernfranken und weiter bis nach Frankfurt und Aachen ermöglichte. Südlich des limes bestand diese Straße schon seit der Römerzeit und führte vom Salzburgischen nach Nordwesten. Dies entspricht in etwa dem Verlauf der heutigen B 299, die von der Salzach über das Isartal bei Landshut bis an die Donau führt. Es handelt sich allein wegen des Salzimports um eine der wichtigsten Altstraßen Bayerns.

Was die genannten Königshöfe anbelangt, so dürfte der Name Ingolstadt jedem bekannt sein; der zugehörige karolingische Königshof konnte allerdings bis dato nicht lokalisiert werden; er ist wohl im heutigen Stadtgebiet von Ingolstadt untergegangen. Lauterhofen dagegen ist heute ein kleiner, relativ unbedeutender Marktflecken ca. 10 km nördlich von Neumarkt in der Oberpfalz, der das einstige Areal seines Königshofes noch relativ gut nachvollziehen lässt. Dieser Königshof, den auch eine Wegetrasse von Regensburg und Premberg an der Naab erreichte, war damals auf halber Strecke zwischen den Kaiserpfalzen Regensburg und Forchheim gelegen, wobei letztere relativ neu errichtet war: Sie wurde im sog. Diedenhofer Kapitulare 805 erstmals erwähnt.

Kaiser Karl wollte die territoriale Einheit Ostfrankens als fränkisches Kernland wiederherstellen und sah offensichtlich eine Kontrollmöglichkeit des unsicheren Stammesherzogtums Bayern dergestalt vor, dass er die Heerstraße zum Königshof Ingolstadt, dem einzigen für ein Heer möglichen Donauübergang zu den unsicheren und aufrührerischen Baiern aus der Verfügungsgewalt Tassilos und seiner Nachfahren entriss und für seinen Sohn und Nachfolger Karl den Jüngeren und die Ostfranken frei hielt.

Notabene: Der erste gemauerte Donauübergang, die Steinerne Brücke in Regensburg, entstand erst über drei Jahrhunderte später.

Tassilo III. war für den Karolinger-Kaiser ein ausgesprochen unsicherer Kantonist gewesen. Zwar seit 757 mit seinem Herzogtum den Karolingern formal unterworfen und lehenspflichtig, hatte er aufgrund seiner Verbindung zu den Lombarden immer wieder separatistische Neigungen gezeigt, weswegen ihn Karl der Große im Jahr 787 kurzerhand absetzte und weit weg, in die französische Abtei von Jumièges, verbannte.

Wie wichtig die Ausnahmestellung der Achse Ingolstadt und Lauterhofen auch für die nachfolgende Karolinger-Generation war, erkennt man am Reichsteilungsplan Ludwigs des Frommen von 817: Wieder werden die Angelpunkte Ingolstadt und Lauterhofen eigens hervorgehoben, wieder werden sie vom sonstigen Nordgau differenziert und dem Sohn Karls des Großen und Ostfrankenherrscher, Ludwig dem Deutschen, zugeschlagen.

Karl der Große war keinesfalls der erste gewesen, der die Bedeutung der genannten Achse erkannt hatte. Bereits sein Großvater, der karolingische Hausmeier Karl Martell hatte noch vor Gründung des karolingischen Königtums das zugehörige Land akquiriert - anlässlich zweier Feldzüge nach Bayern in den Jahren 725 und 728 -, wobei er die Separationsbestrebungen des bayerischen Herzoghauses unterband und das Land südlich wie nördlich der Donau fest an das künftige Karolingerreich band.

Zu dieser Zeit schlug nicht nur die Geburtsstunde des sogenannten Nordgaus, sondern auch der genannten Königshöfe, die fürderhin der unmittelbaren Reichsverwaltung unterstellt wurden: "Dorf und Königshof Lauterhofen und die Festung Ingolstadt schlug Karl Martell zum fränkischen Reich, damit der Übergang nach Bayern frei und ohne Hindernisse sei…" So zumindest berichtet uns der bayerische Geschichtsschreiber Aventinus (Johann Thurmair) noch vor 1534 in seinen Annalen. Die zugehörige Primärquelle ist heute verloren, doch Aventinus, der in Ingolstadt studiert hatte, muss es genau gewusst haben.

Was aber bisher noch keiner so recht beachtet hat, ist Folgendes, selbst wenn es in den Urkunden von 806, 817 und 883 nicht eigens erwähnt ist:

Mit den Höfen Ingolstadt und Lauterhofen war eine geographische Achse in ihrer Längenausdehnung beschrieben. Die villa pirihinga, also der Königshof und damit die Keimzelle der späteren Stadt Berching, lag im Abstand eines Tagesrittes (ca. 35 km) genau zwischen diesen beiden Höfen! Selbst wenn er nicht deren Ausbaustufe erreicht haben sollte, so nahm er doch an deren strategischer Bedeutung teil und stellte fürderhin ein wichtiges Bindeglied der beiden dar!

Ob die villa pirihinga indes bereits auf die Neuordnung Karl Martells im frühen 8. Jahrhundert zurückgeht und erst im Zuge des Ausbaus dieser Achse errichtet wurde - die Nichterwähnung in der Urkunde Karls des Großen deutet in diese Richtung - müssen wir mangels Quellen offen lassen.

Das Itinerar Karls des Großen gibt übrigens her, dass er mindestens einmal, vielleicht sogar zweimal persönlich durch Berching gekommen ist. Soviel nur nebenbei.

Die Karolingergründung Berching ist damit möglicherweise sogar zwei Jahrzehnte älter als eine weitere Großstruktur aus karolingischer Zeit in unserem Raum. Gemeint ist das Bistum Eichstätt, welches, wie E. Klebel vermutet, auf die Initiative Karls den Großen zurückgeht.

Womit auch klar sein dürfte, dass die Ansicht, der karolingische Begriff Nordgau habe sich auf die waldreichen Gegenden nördlich von Regensburg bezogen, überholt ist. Vielmehr erfolgte die Landnahme des Nordgaus, der sich nach einer Neuordnung Karls des Großen um 805 bis zum Oberpfälzer und Böhmerwald erstreckte und so bis 1003 überdauerte, ursprünglich von Südwesten her, z. T. über vormals juthungische Siedlungskerne des sog. "Ur-Nordgaus", wobei das Epithet "Nord-" sich eher auf frühes fränkisches Kronland im Süden, in der Gegend von Erding und München, nicht aber auf die spätere Karolingerpfalz Regensburg bezogen haben muss. Speziell in der Regensburger Geschichtschreibung wird wegen des "ratisbono-zentrischen Weltbildes" (Lauterhofen bezieht sich hier immer nur auf die Achse Regensburg-Frankfurt) dieser Umstand meistens übersehen.

Berching wird heute zu Recht auch noch einer weiteren historischen Straße, der sogenannten Straße der Kaiser und Könige, zugerechnet, die sich aber weniger auf die Karolingerzeit, sondern auf spätere Zeiten bezieht. Diese Straße kam von Regensburg und Passau, ging aber nicht nach Ingolstadt, sondern folgte dem Verlauf der unteren Altmühl und zweigte in Beilngries, 7 km südlich von hier, in das Sulztal ab. Die Straße der Kaiser und Könige setzte sich im Hochmittelalter bis nach Wien fort; sie wird deshalb heute als große europäische Touristikstraße vornehmlich von Österreich aus vermarktet.

Was bedeutet dies alles im Klartext?

Berching war im 8. und 9. Jahrhundert nicht irgendein unbedeutender Meierhof oder gar Weiler, wie villa bisweilen sinnentstellend übersetzt wird, sondern Teil und Zwischenstation einer Achse von kriegsstrategischer und verkehrstechnischer Bedeutung, Teil einer Landbrücke zwischen dem Herzogtum Bayern und Ostfranken, die sich zum Unwillen Kaiser Karls des Großen vorübergehend der Agilolfinger-Herzog Tassilo III. einverleibt hatte.

Und: Der Königshof Berching mit seinen seinen Liegenschaften war, wenn man es plakativ ausdrücken will, das geographische Zentrum des sog. "Ur-Nordgaus" der frühen Karolinger und damit die Keimzelle jenes größeren Reichsdistrikts, der später den bekannten Namen Nordgau erhalten sollte.

Als solcher stand er nach der Zeit Karls des Großen wie die beiden genannten Höfe Lauterhofen und Ingolstadt, mit denen der bayerische Herzog Tassilo nur vorübergehend belehnt worden war, unter unmittelbarer Reichsverwaltung und gehörte keinesfalls zum Stammesherzogtum Bayern.

Kehren wir zurück zur Urkunde Karls des Dicken von 883, die im Original im bayerischen Hauptstaatsarchiv liegt und als Faksimile im Berchinger Rathaus hängt, und beschäftigen wir uns noch ein wenig mit deren Inhalten.

Wir lesen hier: "quandam capellam in villa nuncupata pirihinga cum omnibus ad eandem capellam pertinentibus edificiis, mancipiis, terris, agris, campis et silvis, pratis, aquis…"

Wenn hier von einer Hofkapelle die Rede ist, zu der "eine ganze Reihe von Bauwerken, Mannscharen, Ländereien, Äckern, Feldern, Wäldern, Wiesen und Gewässern gehörte" - darunter gesichert Eglasmühle und die sog. Kappell-Leiten -, wie umfangreich mag erst der weltliche Hofbesitz in Berching gewesen sein?

Hier beginnen wir zu erahnen, dass es sich nicht nur bei der capella, sondern auch bei der villa pirihinga um einen Großbesitz gehandelt haben muss. In einer wenig später verfassten Tauschurkunde Bischof Tutos von Regensburg aus dem Jahr 900 - der Raum Berching war zu dieser Zeit also noch in Regensburger Hand - ist gar von einer pirihchingaro marcha, einer karolingischen Mark Berching die Rede, wobei das Wort Mark erst recht den Größenumfang betont: Mark, das war die Untereinheit eines ganzen Gaus, im vorliegenden Fall des pagus solanzae oder Sulzgaus. Zu dieser Mark gehörten auch Besitzungen "sive in montibus seu in vallibus", was nichts anderes bedeutet, als dass zur damaligen Zeit nicht nur das Sulztal und der Sulzgau, der sich hinaus Richtung Freystadt erstreckt, sondern auch die angrenzenden Jurahochebenen unter Ausbildung so genannter Mansen, die zu jedem karolingischen Königshof gehörten, bereits gerodet, kultiviert und vermutlich sogar dörflich erschlossen waren.

Die daraus ableitbare Zentralfunktion Berchings für die umliegenden Landgemeinden der Jurahochebene ist somit über mehr als ein Jahrtausend historisch gewachsen. Sie hat sich bis in die heutige Zeit erhalten.

Erst unter dem letzten ostfränkischen Karolinger, König Ludwig dem Kind (900-911), dem Sohn Kaiser Arnulfs von Kärnten, endete die Zugehörigkeit der villa und marcha pirihinga zum Fiskalgut des Karolingergeschlechts:

In einer Schenkungsurkunde König Konrads I. vom 5. März 912 wird Berching erstmals als vorherige Schenkung an Bischof Erchanbald von Eichstätt ausgewiesen. Irgendwann zwischen 900 und 912, am ehesten 911, muss sich also der entscheidende Besitzübergang von den Karolinger-Herrschern zu den Bischöfen von Eichstätt zugetragen haben. Fast 900 Jahre blieb Berching in der Folge in Eichstättischem Besitz.

 

Die Lage und Form des karolingischen Königshofes Berching

Wo lag nun jener karolingische Königshof Berching im Zentrum des Sulzgaus und Ur-Nordgaus, von dem soeben die Rede war, genau?

Er lässt sich recht eindeutig wie die Kirche St. Lorenz östlich der Sulz lokalisieren, in der heutigen Vorstadt. Er grenzte an eine nördliche Schleife des Flusses, die sich trotz der Hochwasserverbauung des letzten Jahrhunderts ansatzweise bis heute erhalten hat. Sein Zentralgebäude, das palatium, lag vermutlich gegenüber der Hofkapelle, der nachmaligen Kirche St. Lorenz, auf dem Terrain des heute verlassenen Gasthofs Post.

Dieser wurde im Spätmittelalter auch Meierhof - da steckt das karolingische Wort major, d. h. Vorsteher, drin - und Sitz der Herren von Berching genannt und behielt bis in die Neuzeit Rechte und Pflichten, die noch auf die karolingische Landgüterverordnung zurückgingen:

Dazu gehörte z. B. die Verpflichtung, für alle Rinder Berchings den Zuchtstier vorzuhalten, das Recht, alle Hirten und Flurer anzustellen, sowie die Verpflichtung, alle möglichen landwirtschaftlichen Geräte bis hin zum Stallbesen für die Berchinger Ackerbürger vorzuhalten. Mit welchen Privilegien diese Verpflichtungen kompensiert wurden, ist uns nicht bekannt.

Auch das Recht, den Scharfrichter und Wasenmeister zu ernennen, lag noch zur Zeit, als die Halsgerichtsbarkeit längst auf die Bischöfe von Eichstätt bzw. deren Propst in Berching übergegangen war, auf dem Hof, nebst dem Unterhalt eines Arrestraumes und dem Recht der Errichtung des Galgens. Dies alles ist als Rest der juridischen Kompetenz der Karolingerzeit aufzufassen.

Im Spätmittelalter geriet jedoch die Abdeckerei zu einem "unehrlichen Beruf", und der Magistrat der Stadt verfügte wie überall wegen der Seuchengefahr, dass die Abdeckerei vor den Toren der Vorstadt stattzufinden habe. Bis ins 19. Jahrhundert hinein lag die Betriebsstätte des Berchinger Wasenmeisters in etwa auf dem Gelände der heutigen Tankstelle Preiss.

Zum Königshof gehörten schließlich auch die nördlich vom Meierhof gelegenen Grundstücke und Anwesen, die auf den Urkataster von 1820 (Abbildung rechts) ein archaisch anmutendes Wegemuster mit verschobener Achse - der Achse des Königshofes entsprechend - aufweisen und damit nicht dem spätmittelalterlichen Stadtplan entsprechen.

Mit nur wenig Fantasie kann man noch heute den Königshof in seinen einstigen Dimensionen ausmachen - aufgrund der Straßenzüge und einer vermuteten Größe von 80 x 160 m Kantenlänge, entsprechend 100 x 200 karolingischen Schritt.

Dieses Maß wurde einst von E. Gagel durch eine vergleichende Analyse zahlreicher Königshof-Orte (u. a. Roding, Lauterhofen, Riedfeld an der Aisch, Gaukönigshofen, Königshofen an der Tauber, Königshofen im Grabfeld, Königsfeld, Königshofen in Mittelfranken) erschlossen, wohingegen nach Gagel weiter westlich gelegene Königshoforte deutlich aus diesem Schema herausfielen (z. B. Königshofen im Elsaß, Königshofen im Taunus, Königshofen in Oberschwaben, Königshoven im Rheinland u. a.). Einige in Frankreich identifizierte Höfe (z. B. in Jupille, Cysoing, Somain und Vitry) passten wiederum bestens in dieses Schema. Gagel schloss, um diese Diskontinuität zu erklären, bei den genannten westdeutschen Höfen auf eine merowingische Gründung, während die ersteren und letzteren einem jüngeren Königshoftypus zur Zeit der karolingischen Eroberung durch Karl den Großen zuzuordnen seien (gesichert für die Höhenbefestigung Höhbeck bei Salzwedel).

Das Gagel'sche Konzept einer relativ einheitlichen Grundstruktur der Höfe entbehrt nicht einer gewissen Logik, war doch das Doppelquadrat ein geometrisches Grundmaß der Karolingerarchitektur (z. B. in der Basilika von Theux) und war doch auch der innere Betrieb dieser Höfe sehr einheitlich durch das capitulare de villis, die Landgüterordnung Karls des Großen, geregelt. Warum sollte also nicht auch ein einheitlicher Grundriss vorgelegen haben? Neben dem Grundriss stellten auch die jeweilig unmittelbare Lage an der Kreuzung wichtiger Altstraßen und das spätere Aufgehen in städtischen Strukturen (z. B. Weißenburg, Iphofen) entscheidende Kriterien dar. Der Königshof Berching erfüllt all diese Kriterien zur Genüge.

Wir wollen an dieser Stelle dahingestellt lassen, ob das Gagel'sche Konzept durchgängig gilt und ob es nicht durch spätere Analysen, die uns im Einzelnen nicht bekannt sind, wieder modifiziert wurde. Jedenfalls ist es bestens geeignet, um in Berching die Lage des Königshofes, welcher in der Gagel'schen Aufzählung fehlte, zu identifizieren. Und wie in Iphofen entstand dabei später das eigenartige Bild einer Doppelstadt!

Umzäunt waren die karolingische Königshöfe in Regel durch dichte Hecken, wie die Landgüterverordnung Karls des Großen verrät. Ob dies allerdings auch für Berching gilt, muss wegen der relativ leichten Abbaubarkeit des örtlichen Dolomits und Kalksteins dahingestellt bleiben. In einem Hof vergleichbarer Struktur und Größe haben sich entsprechende Mauerstümpfe mit gerundeten Ecken erhalten (z. B. bei der Pfalz Tilleda; siehe Bild).

 

Entstehen und Vergehen der "villa pirihinga"

Im Folgenden soll durch eine chronologisch geordnete Abfolge von Skizzen verdeutlicht werden, wie man sich die Entstehung des karolingischen Berching und der nachfolgenden Transformationen in etwa vorzustellen hat. Wir werden sehen, dass man am heutigen Straßen- und Ortsbild die einstige Situation noch gut nachvollziehen kann.

  • Vorkarolingische Zeit:

    Auf einer birkenbestandenen Schwemmsand-Terrasse östlich der an dieser Stelle breit dahinfließenden Sulz haben sich Siedler mit ihren Gehöften niedergelassen. Durchschnitten wird diese Terrasse lediglich von einem kleinen Quellbach aus dem Osten (aus dem heutigen Rachental). Ein weiterer von Westen heran fließender Bach (der heutige Stadtbach), kommt aus dem "Rudertshofener Graben" und mündet um Einiges weiter südlich. Die Sulzauen westlich der Sandterrasse liegen im Überschwemmungsgebiet der Sulz und sind wegen der Bodenfeuchtigkeit zunächst für eine Besiedelung weniger geeignet.

    Die geringe Tiefe der Sulz sowie die Erfordernis des Wegenetzes macht allmählich die Ausbildung einer Überquerungstrasse von der westlichen Talseite zur östlichen möglich (Knüppeldamm? Aufschüttung?).

    Eine an der östlichen Talflanke in Nord-Süd-Richtung verlaufende, vor Überschwemmungen geschützte Wegetrasse hat vermutlich schon in vorchristlicher Zeit bestanden.

    Es entsteht eine Dreigabelung der Wege mit zwei flachen Sulzfurten.

    Die Siedlung östlich der Sulz wächst, möglicherweise lassen sich erste Siedler auch im Dammbereich westlich der Furt nieder. Es entsteht ein erster Mühlbetrieb am östlichen, ein Gefälle aufweisenden Quellbach aus dem Rachental. Dort steht auch eine große Gerichtseiche, unter deren Dach nach Germanensitte die Siedler Beschlüsse fassen und Recht gesprochen wird.

  • Karolingische Zeit:

    Im Rahmen der karolingischen Landnahme wird zwischen Gerichtseiche und Sulz auf einer sandigen Terrasse ein stattlicher Königshof errichtet, südlich davon ein zugehöriger Kirchenbau. Beide folgen in ihrer Disposition der Hangkante.

    Während die Kirche dem altchristlichen Ritus gemäß exakt geostet ist (mit Chor gen Jerusalem), weicht der Hof von der Nord-Süd-Richtung ab, um die Abböschung zur Sulz hin als natürlichen Schutzwall in längerem Abschnitt zu nutzen (Terrasse an einer vertieften Sulzschleife im Norden).

    Der Hof weist ein geschätztes Planmaß von 160 x 80 m = 100 x 200 karolingische Schritt auf. Die nördliche Überquerungstrasse der Sulz wird aufgeschüttet und führt nun möglicherweise über eine erste Holz-Brücke oder einen Knüppeldamm unmittelbar durch den Hofbereich hindurch, desgleichen der Mühlbach aus dem Osten.

    Vor dem Osttor werden an der sog. Malstätte bei der Gerichtseiche durch den Amtmann und später durch den zuständigen Landgraf öffentliche Gerichtstage abgehalten; diese Struktur erhält sich bis ins Spätmittelalter.

    Im südl. Königshofareal ist der Zentralbau des Hofes, das palatium, anzunehmen, der spätere Meierhof. Das vor den Toren des Königshofes liegende Dorf wächst, möglichweise auch eine erste Ansiedlung westlich der Sulz. Es kommt zur Ausbildung eines Verkehrsknotenpunktes.

  • Nachkarolingische Zeit - Hochmittelalter:

    Der Königshof der Karolinger hat nach dem Aussterben der Dynastie und spätestens seit der Zeit der Stadtgründung seine Bedeutung und Struktur verloren, nach und nach verbleiben nur noch Reste der karolingischen Besiedelung und Bewehrung (Wegeachsen, Nordwest-Ecke, ev. das Meierhofgebäude). Viele Parzellen folgen aber weiterhin den alten Landvermessungslinien und weichen von dem sich ansonsten an der Nord-Süd-Richtung orientierenden Wegeplan deutlich ab (graue Strukturen). Die Bebauung östlich der Sulz bleibt relativ locker, entsprechend einem mittelalterlichen Straßendorf. Die karolingische Kapelle ist in Nachfolgebauten aufgegangen, die Kirche ab einem gewissen Zeitpunkt religiöser Mittelpunkt einer Pfarrgemeinde.

    Westlich der Sulz wird für die weitere Stadtentwicklung ein asymmetrisch-rautenförmiges, sich am alten Wegeverlauf orientierendes Areal unter Ausbildung einer doppelten Wall-Grabenanlage aufgeschüttet und bewehrt, die Gräben zumindest abschnittsweise geflutet (aus Sulz-Seitenarmen und dem späteren Stadtbach). Es entsteht so das Terrain für eine mittelalterliche Planstadt westlich der Sulz mit einem ersten Mauerring. Die alte Wegegabelung im östlichen Teil der Neustadt besteht zunächst fort, zwischen 1150 und 1250 wird innerhalb der Gabel am rechten Ufer der Sulz eine Komturei des Tempel-Ordens errichtet - als wohl ältestes Gebäude der Weststadt. Dieses Gebäude - Nachfolgebau ist die heutige Metzgerei Kraus - liegt exakt innerhalb des 1. und 2. (Reichenau'schen) Stadtmauerrings und unterbricht diesen mit verschobener Achse, was noch heute gut in Luftaufnahmen zu erkennen ist und seine einstige, frühe Bedeutung belegt.

    Ab ca. 1300 löst man die beiden alten Wegtrassen nach Osten zugunsten der erwähnten Mitteltrasse mit Steinbrücke über die Sulz auf; die Verbindungstraße zwischen "Stadt" und "Dorf" führt künftig unmittelbar an der Kirche vorbei (heutige Disposition). Wir datieren diese neue Trasse, die auch einen Torbau (das sog. Mitteltor) neben der alten Templerkomturei umfasst, in die Zeit vor 1355, als das "achsengerecht" gebaute Bürgerspital entstand.

  • Spätmittelalter/beginnende Neuzeit:

    Dominierendes Bauwerk der Stadt ist jetzt der wehrfähige Stadtmauerring, der im 15. Jahrhundert durch Fürstbischof Wilhelm von Reichenau unter Verwendung der steinernen Vorgängerstruktur errichtet wird. Gleichzeitig entstehen die Vorbauten des Mitteltors und des Gredinger Tors, sowie weitere Torbauten in der sog. Vorstadt Richtung Beilngries und Neumarkt, wobei diese möglicherweise ebenfalls auf Vorgängerstrukturen aufbauen.

    Das Dorf östlich der Sulz wird nun durch einen kleineren, kaum zur Verteidigung geeigneten, weil an der Sulz offenen Mauerzug ebenfalls umschlossen.

    Die nördliche Sulzbrücke besteht fort, spätestens jetzt wird die zugehörige Wegeverbindung in die Stadt durch einen auffallend breiten und niedrigen Torbau in der Stadtmauer (dem sog. Bettelvogt-Turm) verschlossen. Sie erschließt nunmehr nur noch das gegenüber der alten Templerkomturei zurückgesetzte Wiesenareal, auf welchem später das Kapuzinerkloster entstehen wird. Der südliche Sulzübergang wird ganz aufgelöst und vermutlich erst jetzt durch eine große Stadtmühle westlich der Lorenzkirche ersetzt (sog. Krausmühle).

    Markante Relikte der karolingischen Situation, übertragen auf den Katasterplan von 1820:

    Alte Wegabschnitte in der Vorstadt (Mühlgasse, Klostergasse mit Brücke, Gößweingasse als vormalige Zentralachse des Königshofes), aber auch in der Neustadt (hinter dem Pettenkoferplatz, beim Übergang zum Viehmarkt, am östlichen Stadtmauerring) bleiben achsengetreu bestehen. Auffallend achsgekippte Grundstücksgrenzen und Häuser in der nördlichen Vorstadt finden durch die angenommene Königshoflage eine plausible Erklärung.

    Die St.-Lorenz-Straße entspricht im südlichsten Abschnitt annähernd der frühmittelalterlichen Wegetrasse, die aus dem Königshof heraus nach Süden führte; die hochmittelalterliche Achskorrektur im nördlichen und mittleren Vorstadtabschnitt machte einen doppelten Rücksprung der östlichen Häuserzeile notwendig (siehe z. B. Pfarrhof und Haus St.-Lorenz-Str. 9).

     

    Relikte des karolingischen Königshofes Berching

    Das ehemalige "Seelenhäuschen" von St. Lorenz (Aufbahrungsraum, heute mit etwas verschober Achse Friseursalon Steindl) folgte in seiner ursprünglichen Achse exakt der Südfront des Königshofes. Damit korrespondierend eine alte Grundstücksgrenze auf dem Urkataster, quer durch den Innenhof des Gasthofs Post ziehend, welcher selbst einer wohl barocken und damit gänzlich anderen Disposition folgt. War das ehedem die Westfront des Königshofes? Man beachte auch die korrespondierende Schräge des Westgiebels bei Haus Nr. 12, sowie die versetzten Achsen einzelner Hintergebäude!

    Besondere Aufmerksamkeit verdient ein gerundetes, zerfallbedrohtes Mauerstück der nördlichen Vorstadtmauer an der Sulz, gegenüber dem Caritas-Altenheim: Wenngleich von der aufgehenden Substanz her eher spätmittelalterlich oder beginnend neuzeitlich, entspricht es doch nicht der Reichenau'schen Mauer, wie sie im Katasterplan eingezeichnet ist, sondern markiert vielleicht gerade durch seine Rundung markant die Nordwestecke des ehemaligen Königshofberings bzw. einen vorgelagerten Wall.

    Jedenfalls gehört dieses Mauerstück wegen der Signifikanz für die Situation der Karolingerzeit unbedingt erhalten; es eignet sich auch bestens als Aufstellort für eine Schautafel zur Erklärung des ehemaligen Königshofes! Eine weitere Tafel sollte u. E. vor dem Baum neben dem Friseursalon Steindl platziert werden, eine dritte neben das Anwesen Dr. Jordan, also dort, wo die einstige Gerichtseiche und daneben die wohl älteste Mühle von Berching stand! Soviel nur nebenbei!

    Zur karolingischen Struktur der Kirche St. Lorenz, für die sich ebenfalls noch signifikante Hinweise finden, mehr in einem eigenen Exposé! [Link]

     

    Ausblick

    Der karolingische Königshof Berching ist heute gänzlich aus dem Bewusstsein seiner Bürger verschwunden. Gerade deshalb, aber auch, weil er für die vielen Touristen in Berching eine weitere Attraktion, ein einmaliges Charakteristikum für die historische Bedeutung des Ortes und damit ein Alleinstellungsmerkmal in unserer Region bedeutet, gehört er aus der Jahrhunderte währenden Versenkung hervorgeholt und wenigstens auf den erwähnten Schautafeln anschaulich demonstriert!

    Sollte in nächster Zeit tatsächlich ein Umbau des Gasthofes zur Post zum Hotel erfolgen, ist auf jeden Fall zuvor eine archäologische Sondierungsgrabung im Hofareal anzustreben - also dort, wo das einstige palatium des Königshofes gestanden haben muss. Andernfalls droht der Verlust wichtiger karolingischer Strukturen.

    Nichts zuletzt bekommt durch die geschilderten Umstände und Zusammenhänge die oben erwähnte, im Hauptstaatsarchiv München liegende Gründungsurkunde von Berching aus dem Jahr 883 - und darauf kommt es in der Quintessenz dieser Ausführungen an - ein gänzlich anderes Gewicht:

    Der karolingische Königshof Berching war königlich-kaiserlicher Fiskalbesitz, er war eine der Keimzellen wenn nicht die Keimzelle des karolingischen Ur-Nordgaus, er war wichtige Zwischenstation an einer alten Heer- und Handelsstraße zwischen den historisch bedeutsamen Königshöfen Lauterhofen und Ingolstadt!

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