Zur Kulturgeschichte der Pentagramm-Geometrie

© Werner Robl

 

Japan

 

Grundformen japanischer Torii

Torii sind als reale oder symbolische Eingangstore eines Schreins typische Elemente der traditionellen japanischen Architektur. Es handelt sich in der Regel um Tore aus Holz oder Stein, die meist zinnoberrot lackiert sind und mit Form und Farbe die Grenze zwischen Profan- und Sakralraum markieren. Sie sind das auffälligste Zeichen von Shinto-Bauwerken, kommen aber auch in buddhistischen Tempeln vor.

Bei allen Formen der Torii definiert der obere Querschenkel eines Pentagramms die Höhe des Torsturzes, der aus einem oder zwei Querbalken besteht. Zwei basale Pentagrammspitzen liegen dabei an den Fundamenten der vertikalen Stützbalken, entweder an ihrer Außen- oder ihrer Innenkontur.

Beispiel: Der Torii von Shiramine-gu, Eingang des Tenno-ji Kosho-in:

 

Die japanischen Kofun (3. - 7. Jhd. n. Chr.)

Mit dem Begriff Kofun werden die alten, z. T. megalithischen Hügelgräber Japans aus dem 3. bis 7. Jahrhundert n. Chr. belegt. Ihre Form stammt ursprünglich aus China, sie gehören zu den ältesten Kulturdenkmälern Japans und haben verschiedene Grundformen und Größen, wobei lediglich die sogenannten "Schlüssellochgräber" rein japanische Entwicklung darstellen.

Der Ishibutai-Kofun

Der im Jahr 1933 ausgegrabene Ishibutai Kofun stammt aus dem 7. Jahrhundert und ist durch einen imposanten Seiteneingang aus großen Felsblöcken gekennzeichnet. Das Gewicht der größten Blöcke, die den südlichen Teil der Steinkammer bedecken, wiegen 75 bis 77 Tonnen. Wegen Erosion und Überflutung durch die umgebenden Reisfelder liegt die Grabkammer immer offen, Man nimmt an, dass es sich hier um des Grab des Fürsten Soga no Umako handelt, dessen Residenz in unmittelbarer Nähe aufgefunden wurde.

Bislang hat niemand registriert, dass diese Grabstätte exakt nach den Strahlen der ersten Morgensonne am Tag der Wintersonnenwende (21. Dezember) ausgerichtet wurde (orange Linie in nachfolgender Abbildung). Die Terrasse des Grabes und der umfriedete innere Grabbezirk sind über 2 im 90°-Winkel gedrehte Pentagramme unterschiedlicher Größe aufgespannt, welche sämtliche Bezugspunkte der Terrasse, der Umfriedung, der Zugänge und der Grabkammer selbst exakt definieren, wobei bei letzterer gerade die Schnittpunkte zwischen beiden Pentagrammen zum Tragen kommen. Auch die Gesamtdimension der Grabkammer sowie der Standort von 2 Menhiren lässt sich aus den Pentagrammlinien ableiten.

Der Daisenryo-Kofun in Sakai (399 n. Chr.)

Der Daisenryo-Kofun in Sakai, Osaka, ist mit 486 m Länge und 305 m Breite (ohne Wassergräben) eine der größten Grabstätten der Welt. Das Herrschergrab stammt vom Ende des 4. Jahrhunderts und wurde er für den 16. japanischen Kaiser Ninkotu errichtet. Umringt wird er von weiteren, allerdings wesentlich kleineren Kofun inmitten eines großen Stadtbezirks.

Da derartige Gräber die Form eines Schlüsselloches aufweisen, werden sie von den Fachleuten auch kurz "Schlüsselloch-Kofun" genannt (jap. "Zenpoukouenfun"). Dies ist eine völlig inadäquate Bezeichnung, denn es wird dabei verkannt, dass diese Gräber einer exakten Pentagramm-Geometrie folgen: Der konisch zulaufende Park vor dem eigentlichen Grabtumulus wird mit den exakten Basiswinkel von 72° durch 2 Schenkel eines Großpentagramms definiert, das an der Nordkante des Grabhügels endet. Über der zugehörigen Spitze liegt ein Unterpentagramm, dessen Mittelpunkt auf die Lage der Grabkammer verweist und dessen Umkreis die Größe des kreisrunden Tumulus festlegt.

Die Basis des großen und kleinen Pentagramms folgt in Sakai wiederum exakt der Achse des Sonnenlichts bei ihrem Aufgang am 21. Dezember, dem Tag der Wintersonnenwende.


Bei dieser Aufnahme bitte die Schlagschatten und Kronen der Ufer-Bäume ignorieren!

 

Es gibt wohl weltweit kein schöneres, direktes Beweismittel für die Baukunst mit dem Pentagramm und den Lichtachsen als diese Großgräber - und für japanische Verhältnisse betrifft das bereits eine sehr frühe Zeit!

Der Saitama-Kofun-Park (5./6. Jhd.)

Der 120 m lange Inariyama-Kofun bei Saitama in Kanto-Gebiet stammt aus dem 5. Jahrhundert und liegt als ältester Kofun innerhalb einer Nekropole von weiteren 8 Großgräbern im "Sakitama Kofun Park". Bei ihm hat man eine etwas andere Geometrie als beim Daisenryo-Kofun gewählt: Zwar wurde auch dieser Kofun in der besagten Weise über das Pentagramm konstruiert, anschließend aber etwas mehr tailliert, um sich der Sonnenlichtachse am Abend der Wintersonnenwende anzupassen (gelbe Linie). Diese Linie fluchtet genau mit der westlichen Kofun-Spitze und dem Schnittpunkt zwischen der Mittelsenkrechten des Hauptpentagramms und dem Nordostschenkel des Unterpentagramms auf dem Grabhügel.

Wie folgende Seitprojektion zeigt, war der Vorderteil des Kofun wie bei allen zur Taille am Kumulus hin abgeschrägt. Im vorliegenden Fall konnte die untergehende Sonne der Wintersonnenwende an der mittleren Geländekante entlang exakt ihre letzten Strahlen auf das Innere des Tumulus und die dort verborgene Grabkammer lenken, während sie noch kurz zuvor über die Mittelrampe auf das Grab geschienen hatte. Eine fürwahr geniale Konstruktion!

Der Tumulus selbst ist heute an der Basis etwas auseinandergetreten. Daran, dass er ursprünglich dem Umkreis des Spitzenpentagramms folgte, kann jedoch kein Zweifel bestehen!

 

In der Umgebung dieses Kofun gibt es einige weitere Exemplare aus dem 5. und 6. Jahrhundert, darunter auch den runden Tumulus des Maruhakayama-Kofun mit einem nach Osten vorgelagerten Kreisbogen-Feld, dass sich aus den Lichtachsen selbst nicht ableiten lässt und deshalb in seiner Funktion unklar bleibt. Der Hügel aber liegt mit seiner Spitze exakt westlich der Spitze des Inariyama-Tumulus, so dass beide Gipfel an den Tag- und Nachtgleichen (21. März und 21. September) durch den Strahl der auf- und untergehenden Sonne verbunden sind (rote Punkte auf der Sonnenachse)!

Zwei weiter Kofun im "Sakitama Kofun Park" folgen mit ihrem Nordschenkel exakt der Sonnenuntergangsachse am 21. Dezember, andere, kleinere, wiederum nicht. Bei diesen besteht jedoch der Eindruck, dass eine Peillinie von der Nordwestecke zum Zentrum des Tumulus die Lichtachse repräsentierte, was einen gewissen Sinn ergibt. Bei einem weiteren, größeren Kofun läuft die Aufgangsachse der Wintersonne exakt über die Taille zwischen Tumulus und Vorpartie.

Der Shogunyama-Kofun ist der östlichste von allem. Er ist heute zum Drittel angeschnitten, und seine Grabkammer als Museum für die Besucher der Nekropole erschlossen. Dieser Kofun folgt mit seinen Schenkeln weder genau den Lichtachsen noch der Pentagramm-Form, aber auch bei diesem besonders schlank taillierten Grabmal war der Abstand der Nordostspitze von der westlichen Basis über die 3 Spitzen eines Pentagramms definiert!


Anblick des Museums-Kofun von der nicht erschlossenen Seite.

Angesichts dieser Dominanz der Pentagramm-Konstruktion bei den Kofun stellt sich die Frage, ob nicht auch der Aufriss der Grabmäler über eine Pentagramm-Konstruktion bewerkstelligt wurde. Wenn man bedenkt, dass sich die Erdwerke im Lauf der Jahrhunderte etwas gesetzt und verbreitert haben, und damit ihre Flankenwinkel reduziert wurden, dann kann man in der Tat einen entsprechenden Aufriss über das Pentagramm konstruieren, wie das folgende abschließende Mdell des Shogunyama-Kofum zeigt:

Bei den Kofun handelt es sich um die ersten überirdischen Baudenkmäler in der Geschichte Japans, die diesen Namen verdienen; sie haben deshalb einer ganzen Epoche ihren Namen verliehen - die Kofunzeit. Aus noch früheren Zeiten gibt es in Japan nur Kleinfunde!

Mit den Kofun hat sich diejapanische Frühkultur ihre eigenen, ganz spezifischen Pentagramm-Insigien geschaffen!

 

China

 

Pagoden

 

Die Pagode ist wohl der bekannteste Typus chinesischer Turm-Architektur. Typischerweise besteht eine Pagode aus mehreren auskragenden Gesimsen oder Dachvorsprüngen, die etagenweise voneinander getrennt sind. Gebäude dieser Art sind nicht nur in China, sondern auch in Vietnam, Nepal, Burma, Japan und Korea zu finden.

Bei vielen Pagoden sind die Dachetagen an Fluchten festgelegt, die sich aus einem Planungspentagramm ableiten!

Beispiel: Die Wasserpagode von Hangzhou

Diese Wasserpagode befindet sich ca. 100 km nördlich von Shanghai.

 

Die verbotene Stadt in Peking

Die "Verbotene Stadt" ist eine kaiserliche Residenzstadt im Zentrum Pekings. Dort lebten und regierten bis zur kommunistischen Revolution im Jahr 1911 in 890 Palästen die Kaiser der Ming- und Qing-Dynastie, ihre Familie und ihre Administration. Der einfachen Bevölkerung war der Zutritt in diesen Regierungsbezirk verwehrt - daher der Name. Die Verbotene Stadt liegt am nördlichen Ende des Tian'anmen-Platzes, auch "Platz des Himmlischen Friedens" genannt. 1987 wurde der Palastbezirk von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Der nachfolgend abgebildete Palast "zur himmlischen Klarheit" befindet sich über dem "Wu-Men-Tor" oder "Mittagstor", dem Haupteingang am nördlichen Ende des Tian'anmen-Platzes. Die Halle ist mit ihren Stockwerkshöhen und Dachtraufen perfekt nach einem Planungspentagramm mit Unterpentagramm ausgerichtet!

[Zur Vergrößerung bitte auf das Bild klicken!]

Aber nicht nur dieser Eingangspalast, nein alle Paläste und vor allem der gesamte Grundriss der verbotenen Stadt leitet sich von Planungspentagrammen ab. Wie nachfolgende Abbildung, in die wir gar nicht alle der möglichen Pentagramme eingezeichnet haben, unzweideutig zeigt, leiten sich unzählige Gebäude-und Straßenfluchten, die Achsen der 4 Tore sowie andere wichtige Punkte von diesen Pentagrammlinien ab!

Durch das Hauptpentagramm wird der weit verzweigte Palastbezirk in eine Park- und Repräsentationshälfte (Süden und Mitte)und in eine Gebäude- bzw. Wohnhälfte (Norden) geteilt. Der wichtigste Peilpunkt liegt dabei südlich des Mittagstores außerhalb des eigentlichen Palastbezirkes, am Ende eines Grünstreifens am Platz des Himmlischen Friedens (im Bild nicht mehr erfasst)!

 

Eingangstor zum Tu-Lê SSU, Chi Hsien, Hopei (984 n. Chr.)

Der folgende Plan eines Tempel-Tors belegt, wie präzise die chinesischen Baumeister schon vor dem Jahr 1000 n. Chr. mit Hilfe von Pentagrammen arbeiteten. Es erübrigen sich weitere Erklärungen; die blauen Baulinien besagen alles!

 

Die Terrakottaarme des Kaisers Qin Shihuangdi (210 v. Chr.)

Das ca. 2000 x 900 (innen 1200 x 550) m große Mausoleum für den ersten historisch belegten Kaiser von China, Qin Shihuangdi, befindet sich ca. 36 km nördlich von Xi'an in Zentralchina. Es enthält u. a. eine Armee von 6000 Terrakotta-Kriegern in Reih und Glied, die ihren toten Oberbefehlshaber bewachen. Die Anlage wurde 1974 zufällig von Bauern der Gegend entdeckt und stellt den größten archäologischen Fund des 20. Jahrhunderts n. Chr. dar!

Wir haben einen dieser Totenwachen des Kaisers, einen Offizier, herausgenommen. Am Modell erkennt man, dass diese Figur mit ihrem Glockenrock höchstwahrscheinlich mit Hilfe von Pentagrammen geplant und ausgeführt worden ist. Die Beinkonturen, der Rock, die Armstellung und die Haarzier sprechen hier ein beredte Sprache. Am Rücken erklären sich die kreuzförmigen Rockträger durch die Mittelsenkrechten eines Parallelogramms!

Mit diesem Pentagramm-Outfit eines chinesischen Terrakotta-Kriegers sind wir in China bereits in vorchristlicher Zeit angelangt!

 

Die Stadt Erlitou (ca. 2000 v. Chr.)

Doch es geht in China noch früher: Die älteste Hochkultur Chinas der frühen Kaiserzeit betrifft die sog. Xia-Dynastie zwischen 2200 und 1600 v. Christus, die nur schriftlich überliefert ist. Die wichtigste Fundstätte dieser Kultur liegt bei Erlitou in der nordchinesischen Provinz Henan. Aus der Phase III, als die Stadt um ca. 2000 v. Chr. ca. 20000-30000 Einwohner zählte und ihren größten Umfang erreicht hatte, stammt folgender Palastbezirk 1, dessen Grundriss die Form eines eingeschnittenen, von Palisadenreihen, Steinwänden und einem Portikus gesäumten Parallelogramms aufweist.

Wenn man in diesen Plan verschiedenen Pentagramme legt, dann definieren jeweils 2 Spitzen die Dimension einer Außenbegrenzung (Palisaden- und Steinwände, Pfostenreihen, Palastpodest), der gegenüber liegende Pentagrammschenkel oder auch die Spitze (z. B. beim Palast) exakt die entsprechenden Gegenstrukturen. In dieser Konsequenz scheiten diese Effekte nicht Produkt eines Zufalls zu sein, sondern das Resultat sorgfältiger Planung: Das Ausmaß der Palastanlage spricht dafür, dass die frühgeschiochtlichen Baumeister dieser 4000 Jahre alten Stadt mit dem Pentagramm umzugehen wussten.

 

Damit haben sich die Hinweise verdichtet, dass auch in China die Kunst der Pentagramm-Konstruktion bis in allerfrüheste Zeiten zurückreicht!

 

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