Ein Waldspaziergang zum Hohen Brunnen

Zeitreise durch mehr als 150 Millionen Jahre Erd- und 2500 Jahre Landesgeschichte

© Dr. Werner Robl, Berching, 28. März 2015

 

Unser Ziel ist der Hangwald eines Taleinschnittes nordwestlich von Berching. Dort entspringt in mehreren Quellen der Kirchbach von Sollngriesbach, um nach direktem Lauf nach Osten in den Europakanal zu münden. Der Ausgangspunkt unseres Spaziergangs ist über eine Forststraße per Auto oder zu Fuß von Jettingsdorf her leicht zu erreichen. Wir beginnen unsere kleine Wanderung dort, wo die Forststraße nach Nordosten abbiegt, um weiter durch den Wald in Richtung Breitenfurt zu ziehen.

Anlässlich einer Überfliegung im Frühjahr 2014 wurde der Mischwald mit Laub- und Nadelhölzern, der uns hier besonders interessiert, von Herrn Christian Wolf aus Neumarkt aus der Luft fotographiert. Wir haben die Waldabteilung in der Luftaufnahme optisch hervorgehoben. Direkt am Startpunkt im Westen schließt sich eine größere Waldwiese an. Sie wird am Ende dieser Zusammenstellung noch eine Rolle spielen.

Ein Blick auf den Königlich-Bayerischen Urkataster zeigt, dass diese Wiese der letzte Rest einer landwirtschaftlichen Nutzfläche aus dem Mittelalter ist, welche noch um 1820 den Bauern von Jettingsdorf und Rübling zum Feldbau zur Verfügung stand. Dabei belegen die alten Flurnamen "Steinfeld" und "Sandfeld" die eingeschränkte Ertragkraft dieser Flächen, was im letzten Jahrhundert dazu Anlass gegeben haben mag, den Feldbau zugunsten der Forstwirtschaft aufzugeben.

Der uns zunächst interessierende, um 1820 allseits von Königlichem Wald umgebene Forst schließt nach Osten an die Waldwiese an. Die Waldabteilung ist im nachfolgenden Katasterplan-Ausschnitt grün hervorgehoben und belegt mit dem heute noch gültigen Flurnamen "Spitalwald", dass sie einst zur Stiftung des Bürgerspitals Berching gehörte. Wie eine Rechnung des Jahres 1699 aufweist, bezog das Spital damals aus den ca. 35 Tagwerk Waldung jährlich 64 Ster Brennholz für seine Insassen, 12 Ster für den Spitalbenefiziaten (das war der Geistliche, der das Spital betreute), sowie 3 Ster Besoldungsholz für den Pfarrmesner. Weiter unten werden wir auf die Umstände des Erwerbs dieses für das Spitalwesen unabdingbaren Nutzwaldes näher eingehen.

An der Zugehörigkeit zum Spital ändert auch der Umstand nichts, dass Teilstücke des Waldes zu unbekanntem Zeitpunkt zugunsten anderer geistlicher Stiftungen ausgelöst wurden. Wir finden z. B. das "Lazareth-Holz" im Osten, das offensichtlioch an das Sondersiechenhaus Berching fiel, das als Leprösenanstalt auch "Lazarett" genannte wurde, oder das sogenannte "Frauenholz" im Südwesten. Nach der "Flurnamenkunde" von Remigius Vollmann ist mit "Frau" in der Regel Maria, "Unsere Liebe Frau", gemeint, und der Flurname "Frauenholz" bezieht sich meist auf das Eigentum einer Marienkirche oder eines Nonnenklosters, das die Mutter Gottes verehrt. [01]

In Berching käme für die erste Variante nur die Stadtpfarrkirche "Mariä Himmelfahrt" in Frage, demnach könnte der Wald ein Besitz der Kirchenstiftung Berching gewesen sein. Was einen Nonnenkonvent betrifft, so ist in Berching von den Armen Schulschwestern die Rede, welche jedoch erst ca. 30 Jahre nach Erstellung des Katasterplans, genau im Jahr 1850, nach Berching berufen wurden und dabei 43 Tagwerk Wald im "Kellerhölzl" erbten. Vielleicht hatte es schon zuvor am Bürgerspital Nonnen gegeben, die hier namensprägend wirkten, von denen wir aber heute nichts mehr wissen. Eine Überprüfung der Akten der Kirchenstiftung und des Spitals ließe die offenen Fragen zum Frauenholz vermutlich klären.

1 = Frauenholz, 2 = Spitalholz, 3 = Lazarett-Holz, 4 = alter Steinbruch von Jettingsdorf, 5 = Gemeindewald von Rübling, 6 = Gemeindewald von Jettingsdorf, 7 = landwirtschaftliche Nutzflächen, 8 = ehemaliger Zugangsweg zur "Kühstell" des Klosters Seligenporten, 9 = Königlicher Wald "Burggraben", 10 = Königlicher Wald "Breiter Schlag", 11 = Königlicher Wald "Winterleite", heute "Sauleite" und "Schober", 12 = Kohlhänge, Kohlstatt = ehemaliger Meilerplatz eines Köhlers.

Soweit erste Vorbemerkungen geschichtlicher Art zum besuchten Waldstück, die Zeit kurz nach 1800 betreffend.

Die folgende Karte zeigt unter Einbeziehung des Bodenprofils unseren Rundgang von ca. 2 km Länge und 40 m Höhenunterschied.

Rundgang im Spitalwald, Karte in Überprojektion der Topographischen Karte Bayern mit dem Airborne Laser Scan.

Der Spaziergang beginnt unmittelbar an einem geschichtsträchtigen Ort:

Seit einem Vertrag von 1523 verlief in nur geringer Entfernung die alte Fraisch-Grenze zwischen der Kurpfalz und dem Hochstift Eichstätt, wobei diese Grenze entgegen der Grundbedeutung des Wortes "Fraisch", d. h. die hohe oder Hals-Gerichtsbarkeit (Mord, Totschlag, Raub, schwerer Diebstahl, sexuelle Belästigung) betreffend, insofern irreführend ist, als mit ihr seit Bestehen immer nur die Zuständigkeit in der niederen Gerichtsbarkeit geregelt wurde. Nicht zuletzt wegen der unpräzisen Formulierungen des Vertrages und der spärlichen Versteinung mit nur 23 P/E-Steinen zwischen der Weißen Laber bei Oening und der Schwarzach bei der Rotheneich-Mühle (mit den Buchstaben P für Pfalz und E für Hochstift Eichstätt) führte diese vage Grenze im Lauf der Zeit immer wieder zu Streitigkeiten, so dass man sich 1767 zu einem neuerlichen, wesentlich genaueren Vertrag genötigt fühlte, der mit der Setzung von 200 OP/E-Steinen (OP für Obere Pfalz, E für Hochstift Eichstätt) alle Grenzstreitigkeiten ein für allemal beilegte. Von dieser OP/E-Grenze sind heute im Wald zwischen Jettingsdorf und Erasbach noch etliche Steine am Grenzwall des sogenannten Ehekamm erhalten, von den alten P/E-Steinen, unter denen mehrere große "Landes-Granitz-Steine" waren, findet man heute keinen mehr. [02]

 

Die Nachfahren der Scheid-Eiche

Bei unserem Spaziergang interessieren zunächst nicht diese alten Grenzen, die ganz in der Nähe verlaufen und in unten stehender Karte von Adrian Riedl aus dem Jahr 1768 nachzuvollziehen sind, sondern nur die dort eingetragene "Scheid Aichen". Wie wir einem Lexikon-Eintrag von 1800 entnehmen, trennte dieser markante Grenzbaum einst den sogenannten "Gödenacker" des Hochstifts Eichstätt (in der Karte als "Jettenacker" bezeichnet) in zwei große Waldabteilungen:
  • Der zu Erasbach und Sollngriesbach gehörige Waldbezirk unterstand bis 1803/04 dem Probstamt Berching.

  • Der zu Jettingsdorf gehörige Anteil des Gödenackers unterstand bis zur selben Zeit dem Richteramt Greding.

Die Trennung beider Bezirke erfolgte beim Nadelöhr des Waldes zu Beginn der Kirchbachtals, eben am Berchinger Spitalwald, wo wir unseren Spaziergang beginnen wollen. Wie soeben zu vernehmen war, stand als sichtbares Zeichen des Wechsels der grundrechtlichen Zuständigkeit hier seit alter Zeit - wir schätzen bereits seit 1305, als der letzte Graf von Hirschberg und das untere Hochstift Eichstätt geformt wurde! - eine mächtige Grenz-Eiche, auch "Scheid-Eiche" genannt. [03]

Detail einer Karte von Adrian Riedl von 1768, ergänzt mit dem Eintrag aus dem Lexikon von Franken von 1800: Die Fraisch-Grenze von 1523 zeigt sich hier als rot durchgezogene Linie, dazwischen die alten Steine mit Römischen Ziffern, darunter der große Wappenstein Nr. IV, der in einer Seligenportner Forstkarte von 1720 als "Landes-Granitz-Stein" bezeichnet wurde, hier aber "Ehehafts-Stein" heißt. Die OP/E-Grenze von 1768 zeigt sich als blaue Linie. Zur eingetragenen Scheid-Eiche siehe oben im Text.

Diese uralte Grenzbaum hat die Stürme der Zeit nicht überstanden. Doch vor seinem Ende muss er sich noch selbst ausgesät haben, denn heute stehen an seiner Stelle gleich eine ganze Reihe von hoch aufragenden Stieleichen im Kreis.

Bei diesen Eichen handelt sich um die Kinder oder Enkel eines der markantesten Grenzbäume im Hochstift Eichstätt!

Daneben hat sich ein Grenzstein aus der Zeit der Gründung des Königreichs Bayern im Jahr 1806 erhalten, mit der Aufschrift KW, d. h. "Königlicher Wald". Er trug zusätzlich die Nummer 56, von der heute nur noch die Zahl 6 leserlich ist. Auch dieser ramponierte Stein ist lebendige Geschichte: Er hat in seiner Ordnungsfunktion inzwischen fast 200 Jahre auf dem Buckel! Es bleibt zu hoffen, dass er trotz seiner ungünstigen Lage an einer viel befahrenen Weggabel auch künftig der Nachwelt erhalten bleibt!

Wir wandern nun zwischen dem Grenzstein und der Gruppe der neuen "Scheid-Eichen" auf einem Forstweg von ca. 630 m Länge hinab zum "Hohen Brunnen". Ein größeres Gefälle ist hier nicht zu überwinden, aber der bequeme Weg ist wegen mehrerer Quellhorizonte und der vorausgegangenen Regenfälle so durchfeuchtet, dass wir gezwungen sind, ihn abschnittsweise zu verlassen und in den oberen Hang des Spitalwaldes auszuweichen. Mehr ist von diesem Abschnitt nicht zu berichten - von der malerischen Vegetation des Waldes abgesehen.

An dieser Stelle lohnt es sich, sich mit Hilfe einer Laser-Karte den Schichtaufbau des Oberpfälzer Jura zu vergegenwärtigen:

Wie deutlich zu erkennen ist, bewegen wir uns hier an der Grenze zwischen dem weißen Malm mit seinen Kalkplatten und dem braunen Dogger mit seinen Schichten aus Disziteston und Eisensandstein. Da der Diszites-Ton (Dogger gamma) und der benachbarte Ornaten-Ton (Dogger zeta) für das Sickerwasser der Jura-Hochfläche undurchlässig sind, kommt es an der Grenze dieser Schichten zum seitlichen Austritt von Quellwasser.

Dem unsachgemäß angelegten Weg zum Hohen Brunnen hat dies leider geschadet; er führt uns aber direkt zu einer der schönsten Quell-Szenerien unserer Heimat!

Schichtaufbau des Oberpfälzer Jura am Spitalwald. Ausschnitt aus der geologischen Karte.

 

Die Kalktuff-Terrassen des Hohen Brunnen

Am Ende des Waldweges treten aus dem Hangfuß oberhalb der Wegetrasse zwei Quellbächlein aus dem Berg, die sich nach kurzer Strecke zu einem gemeinsamen Lauf vereinigen.

An ihren Uferbänken wachsen Polster von Quellmoosen, dazwischen stehen Gruppen von Leberblümchen, welche als Hahnenfußgewächse einen offenen Buchen- und Eichen-Mischwald bevorzugen und wegen ihrer Winterknospen als erstes in Frühjahr ihre blauen Blütenstände entfalten.

Folgendes Schema schildert die Entstehung solcher Höhenquellen:

Wie die Abbildung zur Linken zeigt, versickert das Oberflächenwasser im porösen Kalkgestein des Weißen Jura, wird dabei gefiltert und in Spalten und Klüften gesammelt. Anschließend tritt es, von wassersperrenden Tonschichten am weiteren Versickern gehindert, an geeigneter Stelle mit einer sommers wie winters konstanten Temperatur von 8° Celsius als Quelle an die Erdoberfläche. Wenn das Weiße Jura bis in tiefe Tallagen reicht, bilden sich im Gegensatz zu den Höhenquellen auch unterirdische Flüsse und richtige Quelltöpfe, die wegen ihrer intensiven Farbe "Blautöpfe" genannt werden. Hier zum Vergleich, rechts im Bild, der Blautopf bei Essing im Altmühltal.

Am Hohen Brunnen im Spitalwald liegt jedoch ein anderes Terrain vor: Hier läuft das Quellwasser nach Umrundung eines mittelalterlichen Burgstalls und Vereinigung der beiden Quellbächlein zur Hangkante, um sich von dort weiter ins Tal zu stürzen.

Nach wenigen Metern fällt der Quellbach die steile Hangkante hinab! An der Abbuchkante steht als Wächter eine kräftige Eibe (Taxus). Das ist jene Baumsorte, die im Mittelalter noch weit verbreitet war, aber wegen ihres zähen, elastischen Holzes, das sich hervorragend für den Bau von Jagd- und Kriegsbögen, Armbrüsten und Wurfspeeren eignete, stark dezimiert wurde und heute im Wald nur noch sporadisch und in geschützten Lagen anzutreffen ist. Im bayerischen Jura findet sich allerdings noch eine ganze Reihe von stattlichen Exemplaren, z. B. frei stehende Bäume im Tal der Weißen Laber und größere Bestände in entlegenen Taleinschnitten, wie im Neutal südöstlich von Hebersdorf.

Um die Eiben rankt sich ein Mythos: Diese Nadelbäume sollen sich wegen ihrer Zweihäusigkeit selbständig vermehren und durch Triebbildung an ihrer Basis verhindern, dass sie aussterben. In Schlesien soll eine Eibe stehen, die so bereits mehr als 1400 Jahre hinter sich gelegt hat.

Die Eibe gilt als ein ewiger Baum!

Am Hohen Brunnen hat die Eibe, erst vor wenigen Jahren vom früheren Revierleiter Klaus Franz wieder aufgeforstet, einen würdigen Standort gefunden!

An der Abbruchkante des Baches treffen zahlreiche geohydrologische Vorausetzungen der Versinterung zusammen:

Eine geringe Wassermenge und Fließgeschwindigkeit, ein günstiger Korridor der Wassertemperaturen in Sommer und Winter, die richtige Kalzium- und sonstige Jonenkonzentration des Wassers, das Vorhandensein von Moos- und Algenteppichen sowie von Kolonien von Zyanobakterien, das ruhende Kleinmaterial wie Sand, Steinchen, Zweige, Blätter, Farne - all diese Faktoren wirken hier zusammen und erzeugen ein Naturwunder ohnegleichen: die Kalksinter-Terrassen des Hohen Brunnens. Durch die Aktivität der Zyanobakterien wird dem kalkhaltigen Karstwasser soviel Kohlendioxid entzogen, dass die Löslichkeit des Kalkes sinkt und der Kalk in Form von Terrassenbecken mit Randwall ausfällt und inkrustiert. Man darf auf diese Weise von einem Zuwachs der Kalksinter-Masse in einer Größenordnung von ca. 2 cm Höhe pro Jahr ausgehen!

Hier einige Aufnahmen des Hohen Brunnens mit seinen zahlreichen Becken und vermoosten Überstürzen. Die Szenerie wechselt stark in Abhängigkeit von den Jahreszeiten. Im zeitigen Frühjahr ist es am Hohen Brunnen am schönsten! Man beachte die infolge der Schneeschmelze gesteigerten Wassermengen und die frische, von Terrasse zu Terrasse wechselnde Farbe des jungen Mooses!

Es folgt eine spätsommerliche Fremdaufnahme zum Vergleich. Nun hat das Moss diverse Brauntöne angenommen!

Der Hohe Brunnen aus anderer Perspektive:

In unmittelbarer Nähe der Kaskaden mit ihrer Wächter-Eibe finden sich junge Tannen und weitere Eiben, deren dunkelblaugrünes Nadelwerk mit dem hellgrünen Laub einer jungen Fichte einen schönen Kontrast bildet.

Es ist ein begnadetes Stückchen Erde, das wir am Hohen Brunnen vorfinden. Wer noch nicht dort war oder keine Chance hat, je dorthin zu kommen, kann sich inzwischen auch von Video-Impressionen beeindrucken lassen, die kostenfrei bei Youtube erhältlich sind. Der Kurzfilm von ca. 10 min. Länge wurde von Johann Loistl erstellt und trägt folgenden Titel:

[Das Naturdenkmal Hoher Brunnen]

Mit dem Naturdenkmal haben wir eine der geschichtlich interessantesten Stellen des Gödenacker betreten:

Das Spektrum reicht von der Bronzezeit bis zum Spätmittelalter, es umspannt ca 2500 Jahre, von ca. 1000 vor bis 1500 nach Christus!

Die folgende Laserkarte markiert farblich die interessantesten Stellen:

Blaue Zone = Burgstall Hoher Brunnen, grüne Zone: Halde eines früheren Bergrutsches, violette Zone = mittelalterlicher Steinbruch für den Bau des Burgstalls, rote Kreise = bronze- bis hallstattzeitliches Grabhügelfeld.

 

Der Burgstall Hoher Brunnen

Vor allem nach Norden und Westen erstreckt sich unmittelbar neben den Quellbächen und der Kalksinter-Terrasse des Hohen Brunnens der Ringwall des gleichnamigen mittelalterlichen Burgstalls Hohenbrunnen. Es wird deutlich, dass der dazu geschaffene, ca. 1,2 m tiefe und 3 bis 5 m breite Sohlgraben den Verlauf des östlichen Quellbaches nach Westen umgelenkt hat. Zusammen mit dem Wall und dem Burghügel sollte er als sogenannter "Halsgraben" die längst abgegangene Burg zur Jurahochfläche hin schützen.

Nachfolgende Panorama-Aufnahme repräsentiert den mächtigen Ringwall mit seinem vorgeschalteten Graben nochmals in seiner gesamten Ausdehnung, wenn auch in leichter Fehlprojektion. Zwei Ruhebänke mit Tischen laden die Wanderer zum Verweilen und zum Picknick ein, 2 Schautafeln erklären ein wenig das Terrain.

Das Queroval der erhabenen Spornburg, dass durch den Ringwall umschlossen wird, beträgt, an der Basis gemessen, ca. 35 x 45 m Durchmesser. Es ist anzunehmen, dass sich einst auf der Wallkrone eine Ringmauer befunden hat, deren Umfang geschätzt bei ca. 110 m liegt. Der Laser Scan lässt an der Mitte des nördlichen Abschnitts das verfallenene Kellerfundament des Zentralturms erkennen, mit einer Dimension von ca. 10 x 10 m. Im Westen und Osten meint man auf der Laser-Karte die Keller und Fundamente kleinerer Nebengebäude auszumachen, die sich vor Ort dem Auge des Betrachters kaum erschließen. Im Westen und jenseits des Baches schließt sich das von Menschenhand geschaffene Plateau einer kleinen Vorburg an, ebenfalls mit Resten von Fundamenten. Die südöstliche Partie dieser Turmhügelburg ist geschliffen, d. h. mit Gewalt zerstört worden, das zugehörige Mauerwerk den Abhang hinuntergestürzt. Hier haben sich im losen Abbruchmaterial Dachse oder Füchse wohnlich eingerichtet und mit dem Auswurfmaterial ihrer Höhlen kurze Wälle aufgeschüttet, die das historische Terrain künstlich verändern. Zusätzlich kam es in der Südostpartie der Burg zu einem breiten Erdrutsch, der wohl zeitlich mit der Zerstörung der Burg in Zusammenhang steht und ggf. auf die Verwendung von Sprengstoff und die Technik des Unterminierens als Methoden der gewaltsamen Zerstörung hindeutet.

All diese Details zeigt am besten die Schummerungskarte des Airborne Laser Scan, auch LIDAR genannt, die alles organische Material des Waldes wegrechnet, dabei bereits Höhenunterschiede des harten Bodens von ca. 10 cm Differenz sichtbar macht und damit Dinge darstellt, die sich dem menschlichen Auge vor Ort entziehen. [Link]

Graue Züge = Reste von Mauern, Blaue Zone: Quellbach und Kalksinter-Terrasse, violette Zone = Dachs- oder Fuchsbauten, gelbe Pfeile = Verlauf des Erdrutsches.

Hier am Burgstall Hoher Brunnen haben sich wegen des ausgewiesenen Bodendenkmals glücklicherweise seit mehr als 150 Jahren, wahrscheinlich noch viel länger, keine wesentlichen Veränderungen mehr ergeben - davon abgesehen, dass die Kalksinter-Terrassen inzwischen gewachsen sein dürften und im Osten zahlreiche umgefallene Bäume den unkultivierten Laub- und Nadelwald in ein gewisses Chaos gestürzt haben.

Dr. Joseph Plank, k.-b. Landgerichts-Physikus von Raitenbuch, Stauf und Greding (1806-1821), später Professor an der k.-b. Central-Veterinärschule in München (1822-1852), beschrieb im Jahr 1859 in seiner in München erschienenen "Archäologisch-Topographischen Geschichte des ehemaligen Bischof- und Fürsthentums Eichstädt" einen Zustand am Hohen Brunnen, der sich dem Auge auch heute noch unverändert bietet:

Damit kommen wir zu den entscheidenden geschichtlichen Fragen:

  • Wann wurde diese der Welt entrückte Burg erbaut, und vor allem von wem und zu welchem Zweck?

  • Und wann und von wem und unter welchen Umständen wurde sie zerstört?

 

Zur Geschichte der Burg Hohenbrunnen

Alle diesbezüglich verfügbaren Quellen halten sich bedeckt und lassen die Entstehungs- und Zerstörungsumstände mehr oder weniger im Unklaren. Dabei ist zumindest die grobe Datierung und Zweckbestimmung der Burg kein Problem! Dazu müssen wir allerdings ein bisschen ausholen:

Derart an Bergkanten errichtete Hang- oder Spornburgen lagen in der Regel als Zollburgen an Altstraßen, die im Mittelalter bevorzugt über die Höhenzüge geführt wurden und derer sich mehrere auch auf dem Eichstättischen Gödenacker und in den nördlich angrenzenden Forsten von Seligenporten und Plankstetten nachweisen lassen, sogar mit Kreuzungen und an ihren Aufstiegen mit tiefen Hohlwegen (z. B. die in Ost-West-Richtung verlaufende Hochstraße, die im Grenzvertrag von 1523 auch "Freystädter Straße" genannt wurde, aber auch Quertrassen wie der Rüblinger und der Berchinger Weg, oder der Passweg zwischen Obernricht und Großberghausen/Weidenwang, der wegen des Bier-Transportes von Neumarkt nach Burggriesbach früher auch "Bierweg" genannt wurde.

Errichtet wurden solche Hangburgen nicht selten auch deshalb, weil sie wie hier am Hohen Brunnen über frisches, frei zugängliches Quellwasser verfügten, und man sich deshalb den aufwändigsten Teil einer Burganlage, das Bohren und Graben eines Tiefbrunnens, ersparen konnte.

Ansonsten war häufige Aufgabe einer solchen Burg, über den wertvollen Bestand an Laub- und Nadelbäumen zu wachen und deren Einschlag zu regeln. Man sprich deshalb auch von "Waldhüterburgen".

Solche Burgen entstanden frühestens ab der Mitte des 11. Jahrhunderts. [Link]

Was nun die Burg am Hohen Brunnen betrifft, so gilt es, über die genannten Funktionen hinaus folgende Eigentümlichkeiten zu beachten:

Mit Urkunde vom 22. Juli 1080 übertrug Kaiser Heinrich IV. dem Bischof Udalrich von Eichstätt einen riesigen Wildbannbezirk, also ein Gebiet mit bischöflichem Jagdrecht, was jedoch nicht mit der Übertragung der Grundherrlichkeit gleichzusetzen ist. Zu diesem Wildbannbezirk gehörte neben den Wäldern des Gaus Rudmarsberg (südlich von Thalmässing) und des Sulzgaus auch der gesamte Gödenacker südlich von Weidenwang und Erasbach, exklusive des Röschbergs, bis hin zur eigens erwähnten Breitenfurter Mühle, damals "Wolfprehtesmule" = Wolfprechtsmühle genannt.

In diesem bischöflichen Wildbannbezirk liegt auch der Hohe Brunnen. [04]

Wir haben nach den Angaben der Urkunde von 1080 den damals definierten Forstbezirk in folgendes Bild eingezeichnet, um seinen riesigen Umfang zu verdeutlichen, und dabei die Lage der nordöstlichen Waldburgen Oberweidenwang und Hoherbrunnen mit roten Punkten markiert. Man erkennt zwanglos, dass der gesamte Gödenacker damit umspannt war. Er wird zusammen mit den anderen östlichen Waldbergen in der Urkunde als "in der Grafschaft des Heinrich von Sinzing gelegen" definiert. Der ebenfalls genannte Weißenburger Graf Heinrich und seine weit im Westen gelegenen Domänen (wohl bei Burgsalach und Ettenstatt) tun hier nichts weiter zur Sache.

Graf Heinrich von Sinzing muss uns allerdings interessieren!

Wenn um 1080 der Gödenacker in dessen Einzugsgebiet gelegen war, dann genoss dieser im Rahmen der Landgrafschaft auf jeden Fall die Einnahmen aus den Transit-Zöllen und Geleit-Geldern. Dass ihm letztlich sogar die Grundherrlichkeit (als altes Reichslehen) oblag, werden wir weiter unten begründen.

Dieser Graf mit dem seltenen, ja geradezu einmaligen Epithet "von Sinzing" kommt wegen der zutreffenden Zeitstellung als Erbauer der Burg am Hohen Brunnen, die er mit einem seiner Ministerialen besetzte, durchaus in Frage. Er ist zwischen 1028 und 1089 urkundlich nachweisbar. Der Bau diente zunächst der Einnahme von Wegezöllen und der Landesaufsicht, die Burg war also eine Zoll- und Wachburg.

Wenig später mag eine zweite Funktion hinzugekommen sein, als es für den eingesetzten Burgmannen im Rahmen der Doppelministerialität gegenüber dem Stuhl von Eichstätt nun darum ging, auch die Aufsicht über den bischöflichen Wildbann zu führen. So avancierte die Burg zur bischöflichen Jagdburg.

Sicher muss die Burg Hohenbrunnen vor dem Jahr 1144 fertiggestellt gewesen sein, denn in diesem Jahr ist in den frühen Urkunden des Klosters Plankstetten neben zahlreichen anderen Lokaladeligen als Urkundenzeuge bereits ein auf ihr residierender Ministeriale oder edelfreier Burgmanne in einer Zeugenliste vermerkt: "Heinrich de Hauchsprunne"! [05] Gut möglich, dass er mit den landesherrlichen Pabonen verwandt war, denn diese verfügten über ein weitläufiges Verwandtennetz und "Heinrich" war einer ihrer Leitnamen!

Notiz aus dem Nachlass des verstorbenen Berchinger Heimatforschers und Ehrenbürgers Alfons Lichtenegger sen. (* 12.11.1921, + 7.6.2006)

Damit haben wir für die Erbauung der Burg Hohenbrunnen einen groben Terminus post quem und einen genauen Terminus ante quem und obendrein einen klaren Bestimmungszweck:

  • Die Ministerialen-Burg wurde sicher vor 1144 errichtet, am wahrscheinlichsten zwischen 1050 und 1080.

  • Es handelte sich wahrscheinlich um eine Zoll-, Wach- und Waldhüterburg des Grafen Heinrich von Sinzing.

Damit ist dieser heute nahezu vergessene Burgstall Hohenbrunnen ein stummes Zeugnis einer der interessantesten Epochen der bayerischen Geschichte!

 

Doch ehe wir uns etwas ausführlicher mit jenem Grafen von Sinzing und mit der Entstehung und Funktion der Burg auseinandersetzen, vollenden wir zunächst unseren Rundgang am Burgenplatz:

Bis in unsere Tage hat sich unter schützenden Wurzeln ein gemauerter Rest der Nordwand des Wohnturms erhalten. Wie lange er noch erhalten bleibt, ist fraglich, den schon hat sich hier ein Tier nach Öffnung des Mauerrestes eine Höhle gegraben.

Anschließend begeben wir uns an die Abrisskante des Burgstalls, zum Kirchenbachtal hin. Die aufgeworfenen Hügel verbergen hier keine Mauerreste, sondern sind durch den Auswurf von Dachsen oder Füchsen entstanden. Natürlich konnten wir einen solches Tier nicht entdecken.

Der nächste Blick streift über die unten im Tal liegende Geröllhalde eines Bergrutsches, welchen dort längst die Waldvegetation überzogen hat. Hätten wir hier nicht das Laserbild zur Verfügung gehabt, hätten wir das Unglück erst gar nicht entdeckt. Der Bergrutsch war, soweit man es beurteilen kann, keine Naturkatastrophe, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit von den Leuten ausgelöst, welche die Burg einst zerstörten!

Ob man unter den Trümmermassen bei einer Grabung noch verwertbare Funde zu erwarten hätte? Von den Belagerern, die sich wohl von oben und unten zugleich an die Burg machten? Wohl eher nicht! Unseres Wissen ist bisher am Hohen Brunnen überhaupt kein wissenschaftlich geführter Grabungsversuch unternommen worden, auch nicht im Areal des Burgstalls selbst.

Unmittelbar östlich des Turmhügels findet sich ein wüster, bereits in Vermoderung übergehender Verhau von umgestürzten, z. T. meterdicken Bäumen, den wir uns zunächst nicht recht erklären konnten. Windbruch? Liegengelassenes Holz einer Fällaktion? Eine Durchforstung findet hier, wie wir inzwischen in Erfahrung bringen konnten, wegen des Bodendenkmals bewusst nicht statt, also muss es doch Windbruch gewesen sein.

Dieses Naturwaldreservat kann man wirklich als Glücksfall für das Bodendenkmal auffassen!

Doch nun wollen wir uns etwas in die Hintergründe dieser Burg versenken!

 

Das "Schwarze Loch" in der Geschichte des Sulzgaus und die verkannte Rolle der Pabonen

Der Physikus Dr. Plank kannte den Grafen Heinrich von Sinzing nicht. Er lag aber mit seiner Stellungnahme des Jahres 1859 gar nicht so sehr daneben, wenn er einen Zusammenhang mit dem sagenhaften Kloster "Barigin" (bei ihm geschrieben "Bariching" oder "Barching") und der Burg herstellte. Zwar ist durch neuere Forschung zweifelsfrei belegt, dass es sich bei diesem Kloster, das in einer frühen Urkunde in Zusammenhang mit dem Ort Beilngries und einer Schenkung an das Hochstift Bamberg in einer Urkunde Kaiser Heinrichs II. vom 1. November 1007 erwähnt wird, um das Kloster Bergen bei Neuburg an der Donau handelt, und damit Berching und Umgebung als Standort ausscheiden.

Einen indirekten Zusammenhang gibt es aber dennoch:

Denn es muss tatsächlich noch vor der Gründung der Stadt Berching in ihrem späteren Areal eine sagenhafte Kloster-Niederlassung des Templerordens gegeben haben, die insofern in Zusammenhang mit der Burg Hohenbrunnen steht, als beide auf die Gründungsinitiative ein- und derselben Familie zurückgehen:

Sorgte für erstere Gründung Burggraf Heinrich III. von Regensburg (1143-1171), der im Jahr 1167 eigens in die Templer-Zentrale nach Jerusalem fuhr, um die supranational agierenden Tempelherren als geistiges und politisches Bollwerk gegen die Staufer und ihre rigorose Landnahme-Politik in den Nordgau zu holen, so war für die zweite, viel frühere Gründung der Waldburg auf dem Hohen Brunnen dessen Urgroßvater, Burggraf Heinrich I. von Regensburg (1036-1088) verantwortlich. Denn dieser war kein anderer als der oben genannte Graf Heinrich von Sinzing!

Beide Grafen waren in Personalunion auch Landgrafen auf dem Kels- und Sulzgau und entstammten der mächtigen Familie der Pabonen, deren wichtigster Landsitz in Sinzing an der Donau lag!

Warum erfährt man aus unseren Geschichtsbüchern so gut wie nichts über dieses Grafengeschlecht der Pabonen?

Egal, ob man sich wissenschaftliche Fachliteratur oder einfache lokalhistorische Arbeiten zu Gemüte führt, es läuft immer auf dasselbe Phänomen hinaus: Unisono weisen die Facharbeiten für die Geschichte des Sulzgaus ein "schwarzes Loch" von ca. 200 Jahren aus, eine strukturlose Zeit, die meistens ohne jegliche Begründung bleibt!

Da ist in der Regel von der ersten Landnahme unter dem fränkischen Hausmeier Karl Martell um 730 die Rede, und davon, dass Karl der Große im Jahr 788 das ganze Herzogtum Bayern mit dem Nordgau (inklusive Sulzgau und Berching) dem Frankenreich der Karolinger zuschlug. Da erfährt man von einem Grafen Berengar, der um das Jahr 1000 herum als Gaugraf des Gaus Rudmarsberg und den Kels- und Sulzgaus dokumentiert ist. Aber damit hat es sich.

Für die nachfolgenden beiden Jahrhunderte zwischen 1000 und 1200 n. Chr. bleibt alles im Dunkeln, im grauen Nebel der Geschichte!

Erst mit der Übernahme der Landgrafschaft auf den Kels- und Sulzgau durch die Grafen von Hirschberg um 1200 wird es wieder hell. Dabei ist jedoch gesichert, dass diese als Domvögte von Eichstätt aus bescheidensten Anfängen kamen und vor 1200 nur über den kleinen Landsitz Grögling und die Burg von Dollnstein verfügten. In der Zeit vor 1100 sind sie für die Gaugeschichte nicht besonders relevant. Und nur für etwa 100 Jahre, ab ca. 1200, führten sie die Geschicke des Sulzgaus als Landgrafen, ehe sie mit Graf Gebhard VII. im Jahr 1305 ausstarben, und ihr Erbe zum größeren Teil an das Hochstift Eichstätt, zum kleineren Teil an die angeheirateten Wittelsbacher fiel.

Die dazwischen liegende, von der Geschichtsschreibung weitgehend negierte oder nur mager ausgestattete Periode von 200 Jahren - das war in Wirklichkeit die hohe Zeit der oben genannten Pabonen!

Diese kamen aus der Gegend um Paar und Ilm in Niederbayern, waren aber ürsprünglich ein Zweig der Früh-Babenberger und waren im Rahmen der Reichsneuorganisation unter Kaiser Otto dem Großen und seinem Sohn Otto II. im Jahr 976 in den Genuss der Burggrafschaft Regensburg gekommen. Anschließend erhielten sie unter den Salier-Kaisern und dem "bayerischen" Kaiser Heinrich II. nach und nach auch die Landgrafschaften im bayerischen Vorwald und in der südöstlichen Oberpfalz (mit Stammsitz Stefling am Regen), auch in den Gauen beiderseits der Donau, in der Westermann-Mark zwischen Schwarzer Laber und Naab und auf dem Kels- und Sulzgau (mit der Stammburg Rosenburg bei Riedenburg an der Altmühl).

So stiegen sie rasch und unangefochten zu einem der mächtigsten Dynasten-Geschlechter im alten Herzogtum Bayern auf!

Über 200 Jahre regierten sie im Erbgang ihre weiten Domänen. Ihre Politik war nach unseren ausgiebigen Recherchen von hoher Religiosität und Friedfertigkeit geprägt. Sie bemühten sich um ein versöhnliches Miteinander mit den anderen Grafengeschlechtern, um Loyalität gegenüber dem meist welfisch geführten Herzogshaus, um Ausgleich der Interessen zwischen der Weltstadt Regensburg, der sie als Burggrafen vorstanden, und dem flachen Land ihrer Landgrafschaften und um dessen gründliche Erschließung - und dies alles auch nachweislich immer wieder unter Zurücknahme eigener Ansprüche. Der Abtritt des Wildbanns an einen Eichstätter Bischof ist hierfür ein gutes Beispiel! Zugute kam den Pabonen bei ihren Projekten des Landesaufbaus ein ausgedehntes Agnaten-Geflecht, d. h. zahlreiche Blutsverwandte, die auf den Kinderreichtum eines der Stammväter zurückging. Zum erweiterten Pabonen-Kreis zählten in unseren Breiten die Abensberger und Abenberger, die Hilpoltsteiner, die Heidecker, die Sulzbürg-Wolfsteiner, die Holnsteiner, die Herren von Laber und Prunn, um nur einige wenige zu nennen. Hinzu kam ein umfangreicher Kognaten-Verbund mit angeheirateten, z. T. sehr mächtigen Familien, z. B. aus den Häusern Babenberg in der Markgrafschaft Österreich und Oettingen, und ein schier unübersehbares Heer an Ministerialen, die ihre zahlreichen Burgen- und Landsitze versahen, so auch den Sitz Hohenbrunnen!

Wie kann es sein, dass die "memoria" an diese einst so wirkmächtigen Familie ganz und gar verloren ging?

  • Aus der Geschichte mussten die Pabonen vor allem deshalb verschwinden, weil sich ihr wichtigster Exponent, Burggraf Heinrich III. von Regensburg, der rigorosen Landnahme des Stauferkaisers Friedrichs I. Barbarossa, die ihre Ländereien und Sitze bedrohte, und seiner verheerenden, auf Spaltung und Blasphemie ausgerichteten Reichskirchenpolitik entgegenstemmte. Friedrich Barbarossa sorgte daraufhin für seine und seiner Söhne Entmachtung und zog 1185 die Burggrafschaft Regensburg als erledigtes Reichslehen ein.

  • Aus der Geschichte verschwanden die Pabonen auch, weil sie im Jahr 1185 im burggräflichen Zweig (wir denken, nicht ganz freiwillig, sondern mit gewisser Nachhilfe), im landgräflichen Zweig im Jahr 1196 ausstarben.

  • Aus der Geschichte verschwanden sie auch, weil die 1180 in Herzogswürde gekommenen Wittelsbacher, die im Folgenden fast 800 Jahre Bayern beherrschten, an einer Pflege des materiellen und immateriellen Pabonenerbes nicht das geringste Interesse hatten (obwohl sie aus einer frühen Generation heraus sogar weitschichtig verwandt waren), sondern vielmehr auf deren plötzlich verwaiste Besitzungen schielten. Man darf, selbst wenn eine stringente Beweisführung schwierig ist, davon ausgehen, dass das Haus Wittelsbach die Erinnerung an die Pabonen als vormals mächtige Konkurrenten gezielt auslöschte, ging es doch ab ca. 1200 darum, sich nach und nach ihre riesige Hinterlassenschaft einzuverleiben, wo immer es möglich war. Wie sonst erklärt sich der eklatante Mangel an besitzanzeigenden Dokumenten? Wenn man jedoch die vielen indirekten Hinweise beobachtet, zieht sich die Auseinandersetzung des Pabonen-Erbes zugunsten der Herzöge wie ein roter Faden durch die nachfolgende Zeit.

Beim einfachen Volk Altbayerns blieben allerdings die wichtigsten Vertreter des Pabonen-Geschlechts auch nach ihrem Aussterben wegen ihrer überragenden Leistungen für Bayern in hohem Ansehen und anhaltender Erinnerung:

  • Landgraf Otto II. und Burggraf Heinrich III. wurden posthum als Volksheilige verehrt - Heinrich sogar noch heute mit der Wallfahrt zum "Seligen Heinrich von Ebrantshausen".

  • Die Kunde vom sagenhaften Kinderreichtum des Stammvater Pabo - 30 Söhne und 8 Töchter von 2 Ehefrauen! - blieb über Jahrhunderte in aller Munde und bildete nach und nach die bedeutendste bayerische Volkssage!

Nach einem vorübergehenden Historiker-Streit des 19. Jahrhunderts, in dem die wenigen Verfechter des Pabonen-Geschlechts mangels beweisenden Dokumenten in der Diskussion der Babo-Sage den Kürzeren zogen, hatten die nach wie vor sehr wittelsbach-affinen Historiker der jüngeren Vergangenheit nichts Besseres zutun, als die Kunde von der Bedeutung von den Pabonen erneut in Misskredit zu bringen.

So kommt es, dass wir auch heute von der Historiker-Gilde so gut wie nichts über die Wichtigkeit und Bedeutung der Pabonen erfahren (und wenn, dann unter Verwischung der Grundlinien), so bleibt unverändert jenes "Schwarze Loch" von 200 Jahren - und dies erst recht im Sulzgau! Und das, obwohl das ursächliche Haus Wittelsbach seit fast 100 Jahren seiner politischen Bedeutung enthoben ist! Erst in jüngster Zeit deutet sich ein gewisses Umdenken an.

Wer nun auf den Geschmack gekommen ist, sich näher mit dieser hochinteressanten Familie, die nicht nur für unsere Gegend im wahrsten Sinne des Wortes landschafts- und kulturprägend wurde, zu beschäftigen, sei auf unsere Arbeiten zum Thema verwiesen, denn anderswo wird er kaum umfassend fündig werden So z. B. :

Zum Aufruf der jeweiligen Arbeiten bitte auf das Bild klicken! Es handelt sich hier um thematisch gebundene Zusammenfassungen unserer jahrelangen Nachforschungen. In Wirklichkeit ist die pabonische Wirkmächtigkeit nach weitaus komplexer, nur sind wir noch nicht dazu gekommen, dies in weiteren Übersichtsarbeiten darzustellen.

 

Über die Problematik der sogenannten "Reichsministerialität"

Die Frage der Besetzung der Burg Hohenbrunnen tangiert in besonderer Weise die Frage der "Reichsministerialität". Immerhin hatte hier im 11. Jahrhundert ein Kaiser den gesamten Wildbann übertragen, auch war er schon von der Karolingerzeit her der oberste Lehensherr des Gödenacker.

Waren also die Herren vom Hohenbrunnen in der Folge nicht einfach "Reichsministeriale" des deutschen Königs und Kaisers?

Warum sollte die Familie der burg- und landgräflichen Pabonen hier so wichtig sein?

Die Problematik liegt darin, dass die Pabonen schon unter Kaiser Heinrich II. nicht nur umfangreiche Reichslehen, sondern auch umfangreiche Schenkungen, also einen riesigen Allodialbesitz (mittelalterlicher Eigenbesitz) erhalten hatten, weitläufige Domänen, die allein ihnen und keinem anderen zur Verfügung standen. Da sie hinterher beides im Erbgang eigenverantwortlich über lange Zeit regierten, verwischten am Ende die Grenzen, und der Unterschied zwischen Lehen und Allod spielte im 12. Jahrhundert, also solange sie lebten, faktisch keine Rolle mehr.

Erst nach ihren Tod kam es zur großen Auseinandersetzung: Am Anfang des 13. Jahrhunderts folgten gleich zwei heftige Landeskriege, hinterher die Requirierung ihres Besitzes, zum kleineren Teil durch die Bischöfe von Regensburg und Eichstätt, zum größeren Teil durch die Wittelsbacher Herzöge - nicht selten aber mit der Folge juristischer Auseinandersetzungen seitens der Pabonen-Verwandten, die allerdings auf lange Sicht wenig Erfolg hatten, da die Wittelsbacher als Herzöge im Erbgang am längeren Hebel saßen.

Trotz der politischen Einflussnahme wurde bei der Auseinandersetzung des Pabonen-Erbes die Frage "Ehemaliges Reichslehen oder ehemaliger Allodialbesitz?" zur ganz entscheidenden!

Urkundliche Belege über die Reichslehen und Allodien der Pabonen lassen sich heute so gut wie nicht mehr beibringen. Dies war aber eigentümlicherweise auch schon im 13. Jahrhhundert so. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder gab es die Urkunden von vornherein nicht, weil die Schenkungen mündlich ausgesprochen worden waren und wegen der Autorität der Pabonen niemand an ihnen zweifelte, oder sie wurden nach dem Aussterben der Familie gezielt vernichtet - in diesem Fall dann vornehmlich auf Betreiben der Wittelsbacher und der Bischöfe. Für beide Varianten fanden wir Hinweise, die zweite hat dabei allerdings aufgrund einiger Indizien (wie z. B. Landeskriege!) das Übergewicht. Das rabiate Vorgehen des wittelbachischen Herzogs Ludwig des Kelheimers war schon seinerzeit politisch und juristisch äußerst anstössig - und kostete ihm womöglich am Ende das Leben! Als Beispiel nennen wir seine Vernichtung der von den Pabonen als Bischofslehen geführten Straßburg an der Isar (der wichtigste Übergang an der alten Salzstraße nach Salzburg, heute ein mächtiger Burgstall mit mehreren Ebenen!) und die Neugründung eines eigenen Burgensitzes wenige Kilometer flussaufwärts, Burg Trausnitz, und jener Stadt, die der Herzog bewusst "Landshut" nannte!

Wie es sich auch im Einzelnen zutrug: Es besteht der Eindruck, dass ein Großteil des Pabonenbesitzes ab dem 13. Jahrhundert auf dunklen Wegen in unrechtmäßige Hände fiel!

Am gesittetsten scheint es noch im Bistum Eichstätt zugegangen zu sein: Da der vom Erzbistum Mainz, aber nicht von Freising abhängige Bischofssitz schon einmal mit den frühen Wittelsbachern in heftigen Streit geraten war, und der pabonen-freundliche Bischof Otto (der eventuell sogar mit den Pabonen verwandt war!) den Besitzübergang moderierte, kamen anstelle der Wittelsbacher die Domvögte von Eichstätt zum Zug. Sie erhielten nach 1196 - künftig nach ihrer neuen Stammburg bei Beilngries Grafen von Hirschberg genannt - im Wesentlichen die gesamte Landgrafschaft der Pabonen auf dem Kels- und Sulzgau zur eigenen Verfügung. Als sie wiederum nach ca. 100 Jahren ausstarben, wurden die Wittelsbacher erneut ausgebremst und nur formell mit dem selbst später noch hochumstrittenen und im Land wenig beliebten Landgericht Hirschberg, das nur die hohe Gerichtsbarkeit in den Gauen besetzte, abgespeist. Und dennoch: Die Wittelsbacher Herzöge gaben nicht klein bei: Sie unternahmen immer wieder kriegerische Exkursionen in die alte Landgrafschaft, gründeten z. B. mangels anderer Mittel Burgen, die unmittelbar neben den alten Pabonensitzen gelegen waren und nun über diese die "Landeshut" ausübten (z. B. Wildenstein versus Breitenegg und Ödenburg, Tachenstein versus Rosenburg, Flügelsberg versus Alt-Eggersberg). Sie bekämpften und vertrieben auch den Templer-Orden und betrieben später unter ihrem Kaiser Ludwig dem Bayer - mit neuen und zuvor ungeahnten Rechtsmitteln ausgestattet - die Auflösung der alten Pabonendomänen, wo immer es nur ging. Burg Oberweidenwang ist ein Musterbeispiel dafür, wir werden weiter unten noch darauf eingehen.

Leider lässt uns in diesen Fragen des Besitzübergangs die Landesforschung im Stich. Wie bereits erwähnt, gilt die Ignoranz gegenüber den Pabonen bis dato für 99 Prozent der landesgeschichtlichen Literatur in Bayern: In ihr führen die Burg- und Landgrafen bis auf ganz wenige Ausnahmen noch immer ein Schatten- bzw. Fussnoten-Dasein. Die wittelsbachische Geschichtsschreibung ist diesbezüglich seit 1918 obsolet, aber sie scheint bis zum heutigen Tage fortzuwirken und erweist sich ihrerseits als ausgesprochener Hemmschuh. Einen äußerst nachteiligen Effekt hatten bis jetzt auch die Intentionen Prof. Dr. Karl Bosls (1908-1993), der sich mit den Pabonen kaum beschäftigte und dadurch der von ihm so genannten "Reichsministerialität" - ein unberechtigtes Übergewicht verlieh. Der vormalige "Nestor der bayerischen Geschichtsschreibung" bestimmte das bayerische Geschichtsbild nach dem Zweiten Weltkrieg über lange Zeit wie kein anderer (Betreuung von 205 Dissertationen und 20 Habilitationen!), und er hatte eben die Reichsministerialität und nichts anderes auf dem Radar. Schon 1944 hatte er sie zu seinem Habilitationsthema gemacht: "Die Reichsministerialität der Salier und Staufer"! Viele Historiker, die Bosl ihre Karriere verdankten, übernahmen später mit Rücksicht auf ihren Mentor dessen Modell, und so prägt das Schlagwort der "Reichministerialität" nicht nur den für unsere Gegend nach wie vor als Referenzliteratur geltenden "Historischen Atlas von Bayern, Heft Neumarkt", sondern auch fast alle regionalen und überregionalen Arbeiten über die Adelssitze unserer Heimat - bis zum heutigen Tag!

Egal ob es z. B. um größere Burgensitze oder um kleinere Burgen von Thannhausen, Weidenwang, Sulzbürg oder auch am Hohen Brunnen geht, meistens ist das Schlagwort "Sitz eines Reichsministerialen" ebenso griffig wie nichtssagend zur Hand, wenn es darum geht, die ursprünglichen Besitzverhältnisse zu beschreiben: Es handelt sich dabei konkret um die Behauptung, dass ein Edelmann ein entsprechendes Lehen vom deutschen König oder Kaiser direkt empfangen hatte. Ein zwischengeschaltetes Grafschaftsverhältnis wie bei den Pabonen spielt dabei keine große Rolle, zumal man von diesen wenig bis nichts weiß. Damit verhindert das einfache Denkschema der Reichsministrialität geradezu, korrekt zu erfassen, was sich im 11. und 12. Jahrhundert politisch in unserer Heimat ereignete. Denn über die eigentlichen Machtverhältnisse und die Vernetzung der Adeligen untereinander sagt die Reichsministerialität nur sehr wenig aus:

Reichministeriale waren im Grunde genommen alle, selbstredend auch die Pabonen und ihre Verwandten und Ministerialen! Realiter kam es aber sehr auf die Abstufung der Lehensverhältnisse an, auf die Art und das Zustandekommen von Afterlehen!

Was unterschied die pabonische Herrschaft von den anderen? Gehen wir zu Verdeutlichung nochmals ein Stück in der Geschichte zurück:

Die Reichsministerialität auf dem Nordgau galt seit der Zeit der Karolinger:

Der fränkische Hausmeier Karl Martell hatte in Feldzügen zwischen 728 und 730 den gesamten Nordgau (nördlich der Donau) und Teile des Herzogtums Bayern (südlich der Donau) erobert, sein Enkel Karl der Große verleibte sich und seinem Reich im Jahr 788 das alte Stammesherzogtum Bayern endgültig ein.

Alles Land, das die Karolinger bis dahin erobert hatten, war also fränkisches Königsland und musste bedarfsweise an neue Vasallen und Getreue als Lehen vergeben werden. Handelte es sich um zuvor rechtefreie oder ungenutzte Wäldereien, das sprach man im Fall der Belehnung künftig von "Bannwäldern" oder "Bannforsten", wobei das Wort "Bann" die Rechtsgewalt des Königs ausdrückte, und das Wort "Forst" (lat. "foresta") einen größeren Waldbezirk mit den dazugehörigen Regalien (z. B. Jagd-, Fischerei-, Berg- Zoll-, Wasser-, Geleitregalien). Wer auch immer aus der edelfreien Oberschicht der Franken derartig neue Königslehen zugeteilt bekam, er rangierte ab sofort unter den "Reichsministerialen". Altrechte aus vorfränkischer Zeit wurden bisweilen berücksichtigt, spielten aber in der Folge keine wesentliche Rolle mehr.

Was die große Familie der Pabonen mit all ihren Zweigen und Ministerialen anbelangt, so ergab sich jedoch im Lauf der Zeit aus ihrer Autorität und allgemeinen Akzeptanz heraus ein deutlich reduzierter Grad der inneren Anhängigkeit von jeweiligen König: So regierten und agierten sie im Verlauf der beiden Jahrhunderte ihrer Herrschaft zunehmend autark, wenngleich im natürlichen Bemühen um Eintracht mit dem jeweiligen Herrscherhaus. Damit unterschied sich z. B. ihre Position, obwohl sie dem Titel nach weiterhin einfache, dem König und Herzog unterstellte Grafen waren, wenig von den verwandten Babenbergern in der Markgrafschaft Österreich, die nahezu zeitgleich mit ihnen in Amt und Würden gekommen waren und mit der Zeit in ihrem Einflussgebiet ebenfalls schalteten und walteten, wie sie wollten.

Für beide standen Regional- und Landesinteressen absolut im Vordergrund, Reichsinteressen dagegen im Hintergrund. Ihre Afterlehen vergaben sie nach eigenem Gutdünken.

Genau aus diesem Grund nannte der bayerische Geschichtschreiber Johann Georg Turmair, genannt Aventinus (1477-1534), der die Pabonen aufgrund seiner Herkunft aus deren alter Hochburg Abensberg weitaus besser kannte als andere Historiker seiner Zeit, diese nicht "comites" oder Landgrafen, nicht "praefecti" oder Burggrafen, sondern schlicht und einfach "reguli", d. h. kleine Könige!

Treffender kann man den Anspruch der Pabonen nicht beschreiben! Sie regierten wie kleine Könige!

Damit bestand beim ihrem Agieren, solange sie lebten und herrschten, ein himmelweiter Unterschied zu den Reichsministerialen des 13. und 14. Jahrhunderts, wie z. B. den späteren Hilpolsteinern und Wolfstein-Sulzbürgern, welche - obwohl pabonischen Geblüts - nach Aussterben der burggräflichen Hauptlinie als "ministeriales imperii" quasi wie weisungsgebundene Reichsbeamte fungierten, d. h. in kompletter Abhängigkeit von der Zentralgewalt, allezeit den Wünschen und Befehlen des jeweiligen Königs oder Kaisers unterworfen. Nicht selten entwickelten sie später wegen ihrer großen Pabonen-Tradition, die im Gegensatz zur neuen Rolle im Reich stand, von Generation zu Generation eine Art von Schaukelpolitik. An der Geschichte der Wolfstein-Sulzbürger lässt sich dies über Jahrhunderte gut nachverfolgen!

Zur Zeit der Pabonen aber blickte jeder im Land beiderseits der Donau ausschließlich zum Burggrafensitz Regensburg, nicht zur staufischen Reichsministerialenburg Nürnberg oder nach Norden in die Kaiser- oder Königspfalzen!

Wegen ihrer unverliehenen, aber real existierenden Machtstellung und Autorität wurden die Pabonen erstmals dem Stauferkaiser Friedrich I.  Barbarossa ein schmerzender Dorn im Auge, alle anderen zuvor hatten sich mit deren Stellung arrangiert oder diese sogar gutgeheißen. Selbst beim Wechsel der Vasallität von Kaiser Heinrich IV. zu dessen Sohn Heinrich V. (Stichwort Schlacht am Regen 1105, direkt im Pabonenland!) war es zu keinen wesentlichen Verwerfungen gekommen. Erst der Staufer Barbarossa hatte in seinem Machthunger und seiner politischen Durchtriebenheit erkannt: Er brauchte in Bayern künftig zur Durchsetzung seiner Interessen willige Abhängige, nur keine eigenmächtigen Pabonen. Genau um des "honos imperii" staufischer Prägung mussten sie weg! Der Plan ist im Großen und Ganzen aufgegangen, erstarkt war am Ende allerdings weniger das Stauferhaus als die durch den Barbarossa 1180 erstmals eingesetzten Wittelsbacher-Herzöge!

Wir fassen die Problematik der Pabonen mit einer unserer Vortragsfolien zusammen.

Dieser Kurzlehrgang in Bayerischer Geschichte war notwendig, weil sonst bei unserem Waldspaziergang zum Hohen Brunnen die dortige Burg nicht richtig verstanden werden kann:

Der Burgstall Hoher Brunnen symbolisiert an einmaliger Stelle im Wald den Aufstieg und den Mythos der Pabonen, aber nicht das Phänomen der "Reichsministerialität"!

Der 1144 auf dem Hohen Brunnen sitzende Burgmanne "Heinrich von Hauchsprunne" war selbstredend formal "Reichsministeriale", sein Herz schlug jedoch nicht für Herzog und Kaiser, sondern für die Burggrafen Otto I. und Heinrich III. von Regensburg, die mächtigsten und geistreichsten aller Pabonen, die, wie wir inzwischen nachweisen konnten, auch im Sulzgau äußerst segensreich wirkten! Heinrichs Amtskollege auf der anderen Seite des Jura-Plateaus, in der nahen Burg Oberweidenwang, nannte sich fast zur selben Zeit, im Jahr 1142, "Gerhard von Widenwangk"! Eine weitere Burg dieser Art gab es auf dem nahen Röschberg. Ihre Burgmannen sind im Dunkeln der Geschichte geblieben, gleichwohl dürften sie derselben Schicht des Neideradels angehört haben. Zwischen diesen Ministerialen, die vielleicht sogar Agnaten der burggräflichen Pabonen waren, dürfte es zur Zeit pabonischer Führung keinerlei Zwist, sondern ein gutes Einvernehmen in der Wald-, Wege- und Jagdaufsicht gegeben haben. Seit mindestens 100 Jahren war deren Familien der gesamte bewaldete Bergrücken zwischen Rübling, Jettingsdorf und Burggriesbach im Süden und Weidenwang, Erasbach und Großberghausen im Norden unterstellt gewesen.

Dass dieser Waldbezirk spätestens seit dem 11. Jahrhundert altes Pabonengut war - ob Lehen oder Allod oder beides, müssen wir zunächst offen lassen -, ist allein durch die Tatsache gesichert, dass nach einem Huetbrief von 1519 die Weidenwanger Viehhirten das Altrecht besaßen, mit ihrem Vieh weit hinein in die Nachbargemeinden und in das Eichstättische Hoheitsgebiet des Gödenacker zu weiden. Diese unerhörte Freiheit kann nur auf eine Regelung der Pabonen zurückgehen, ein Vorrecht, das wahrscheinlich später von den Hirschbergern übernommen wurde und galt, solange sie an der Macht waren. Nach der Gründung des Unteren Hochstifts Eichstätt im Jahr 1305 und der Ausbildung einer ersten politischen Grenze auf dem Berg wäre ein derart weitreichendes Weiderecht nicht mehr möglich gewesen!

Zahlreiche weitere Argumente, die für das Wirken der Pabonen in unserer Region sprechen, ersparen wir uns an dieser Stelle.

Unter diesen Aspekten nimmt es kein Wunder, wenn Philipp Apian nach 1568 auf seinen Landtafeln, der ersten bayerischen Landkarte, den Eindruck erweckte, dass einst das ganze Waldgebirge den Namen Gödenacker getragen hatte. Dieser Name erschein manchem Heimatforscher bisher so alt, dass er ihn sogar mit den Kelten in Zusammenhang brachte! Wir werden am Ende noch ausführlich auf diese Frage eingehen. [06]

Philipp Apian hatte den Namen "Gettnacker" = Gödenacker am Nordwestrand des Hochwaldes vermerkt, fast auf der Höhe von Großberghausen. Die zusätzliche Einfügung rechts erfolgte durch uns; sie bezieht sich allein auf den Eichstättischen Gödenacker, in dem unser Spaziergang stattfindet.

Damit kehren wir zurück zur Burg Hohenbrunnen und ihrer Blütezeit im 12. Jahrhundert:

Um dem Leser dieser Seite eine Vorstellung zu vermitteln, wie sie damals ausgesehen haben mag, stellen wir in folgender Abbildung eine Federzeichnung der Burg in der entsprechenden Disposition vor, natürlich als gedachtes Modell, ohne Maßstabs- und Detailgenauigkeit. Vielleicht war der zentrale Turmbau, für den aufgrund der Erbauungszeit der Name "Bergfried" noch nicht zutreffend ist, einst viel höher, sozusagen baum-überragend, ein Anblick herrschaftlicher Repräsentanz.

Zur Linken sieht man die Burg Pfaffenhofen bei Kastl, die noch heute existiert und den Aspekt einer solchen Kleinburg ebenfalls vermittelt. Einschränkend sei erwähnt, dass diese "Schweppermanns-Burg" zwar entgegen allen Verlautbarungen mit hoher Wahrscheinlickeit auch eine pabonische Tradition als nördliche Grenzburg der Westermannmark aufweist (hierfür spricht allein ihr Heimfall an die Grafen von Hirschberg), ihr ausladender polygonaler Mauerring und die Höhe des Wohnturms aber eher zum Burgenbau des 13. und 14. Jahrhunderts passen. Ansonsten aber stimmt der Aspekt, wozu auch die sorgfältigen zugerichteten, "pabonischen" Buckelquader beitragen, die wohl noch aus dem Vorgängerbau stammen. [07]

Die späteren Wittelsbacher Burgen waren entsprechend dem Fortschritt der Fortifikationstechnik weitaus weitläufiger und vielteiliger (z. B. mit Rundtürmen und Zwingmauern), allerdings meistens auch primitiver gemauert, in sogenannter Bruchsteintechnik.

Bleibt am Ende zu erwähnen, dass der Typus der Turmhügelburg seit dem 11. Jahrhundert in ganz Europa "en vogue" war. In diesem Zusammenhang verwendet man des Öfteren auch den französischen Ausdruck "la motte" oder Motte für den zentralen Turmhügel. Folgendes um 1070 gestickte Detail aus dem berühmten Teppich von Bayeux zeigt die Belagerung der gleichartig aufgebauten Turmhügelburg Dinan, mit ihrem umgebenden Wallgraben, durch die Normannen.

Die Pabonen erwiesen sich als große Kulturträger und Baumeister. Unzählige Profangeschosskirchen entstanden in ihrem Land infolge der Böhmeneinfälle und des Religionskrieges, der durch das von Friedrich Barbarossa ausgelöste Schisma in Rom bedingt war - zum Schutz der Landbevölkerung, zur Gründung neuer Dorfgemeinden (siehe hierzu unsere obige Arbeit). In Regensburg waren sie aufgrund ihrer Funktion und Intention sicherlich an der Errichtung der Steinernen Brücke und des Schottenklosters beteiligt (beides heute UNESCO-Weltkulturerbe). Auch zum Aufbau des Klosters St. Emmeram trugen sie ihr Scherflein bei. Ihm dientensie als Klöstervögte, an ihm residierten sie, in ihm wurden einige von ihnen begraben. Wenn der Kreuzgang des Kloster Plankstettens, das wegen einer einzigen Urkunde immer so gern als Hirschberger Gründung apostrophiert wird, exakt die gleichen Ausmaße wie der Kreuzgang von St. Emmeram aufwies (ein Phänomen, das erst jüngst entdeckt wurde), so verrät das ebenfalls den Einfluss der Pabonen. Dass sie, die auch Besitz im nahen Biberbach hatten, das Kloster Plankstetten umfangreich mit Schenkungen aus ihrem Ministerialenkreis bedachten, bleibt sowieso unbenommen, wird aber in keiner Literatur zu Kenntnis genommen. Zahlreiche andere monastische Einrichtungen profitierten ebenfalls von ihrer Förderung: Nicht nur der Zisterzienser-, sondern auch der eigens ins Land geholte Templer-Orden erhielt Gebäude und Liegenschaften. Zahlreiche Burgen der Pabonen wurden nach ihrem Aussterben durch ihre einstigen Gegner weitergenutzt, vergrößert und ausgebaut, z. B. in Parsberg, Luppurg, Laber, Prunn, Riedenburg. An der Gründung von Städten wie Neumarkt, Schwandorf, Pfreimd oder Berching waren die Pabonen mit Sicherheit auch beteiligt; dafür gibt es viele Indizien. Etliche der kleineren Ministerialensitze auf dem Land verödeten allerdings in den nachfolgenden Jahrhunderten und wurden zerstört.

So verblieben bis heute allein in der ehemaligen Landgrafschaft auf dem Kels- und Sulzgau zahlreiche Pabonen-Burgställe, wie der vom Hohen Brunnen, heute leider meistens ohne bauliche Substanz. Folgende Karte zeigt ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige von ihnen, auch in der unmittelbaren Nähe des Burgstalls Hohenbrunnens (roter Punkt). Der gesamte Gaubezirk ist gelb unterlegt.

Der Laser Scan macht diese Burgställe in der heutigen Konfuration gut sicht- und verstehbar, auch wenn man das Terrain selbst nicht besichtigt.

Obere Reihe von links nach rechts: Burgstall Oberweidenwang, Burgstall am Röschberg (oberhalb von Großberghausen), Burgstall Gutser Schloss bei Stierbaum und Viehhausen (unvollendet), Burgstall bei Rittershof. Untere Reihe von links nach rechts: Burgstall Stauf, Burgstall Wappersdorf (sog. "Schweppermannsburg"), Burgstall Frickenhofen, als letztes zum Vergleich der Burgstall Alt-Hexenagger, aus dem pabonischen Kernland der Grafschaft Riedenburg.

Damit kommen wir zum traurigen Ende der Waldburg Hohenbrunnen:

Dass die Ministerialenfamilie vom Hohen Brunnen, die offensichtlich wie die burggräflichen Pabonen den Leitnamen der Salierkaiser "Heinrich" trug, nach dem Aussterben ihrer eigentlichen Lehensherren noch für relativ lange Zeit auf ihrem Burgensitz bleiben konnten, war vermutlich allein dem Umstand geschuldet, dass ihr Sitz zunächst für die Wittelsbacher-Herzöge von keinem größeren wirtschaftlichen oder politischen Interesse war. Ansonsten hätten diese trotz der Landgrafschaft der Hirschberger sicher Mittel und Wege gefunden, sie von dort zu entfernen. So aber traten die Hohenbrunner wie so viele andere Niederadelige der Region zunächst in die Vasallität der Grafen von Hirschberg, als Rechtsnachfolger der Pabonen, derer Repräsentant der letzten Generation, Graf Gebhard VII. von Hirschberg, obendrein bis zum Erlöschen seiner eigenen Dynastie einen zunehmend anti-wittelsbachischen Kurs einschlug. Vermutlich lebte aber seit dem frühen 13. Jahrhundert ähnlich wie bei den Holnsteinern auf der anderen Seite der Sulz die Doppelministerialität der Herren vom Hohen Brunnen gegenüber dem Stuhl von Eichstätt wieder auf.

Das Hochstift Eichstätt stieg mit dem Vertrag von Gaimersheim im Jahr 1305 in die alleinige Grundherrlichkeit und Lehensherrschaft am Hohen Brunnen auf.

Eine Ministerialität gegenüber dem Bischof von Eichstätt hatte wenig militärische Bedeutung, denn das Aufgebot des Bischofs, der wie jeder Grundherr einem Vasallen gegenüber entsprechend der Dualität des Treueides zur Hilfeleistung verpflichtet war, war allezeit schwach. Dies war aber die geeignete Methode, sich auch weiterhin - zumindest auf Zeit - den Zugriffen der land- und abgabenhungrigen Herzöge zu entziehen.

Nach Aussterben der Grafen von Hirschberg im Jahr 1305 - eine Zeit, die auch den Abzug der Templer aus der Region markiert -, blühte der Burg Hohenbrunnen wegen der Verschiebung der weltlichen Machtverhältnisse die gänzliche Beseitigung. Zur Zeit des Wittelbachers Ludwig des Bayern, der 1314 die deutsche Königs- und 1328 auch die Kaiserkrone errang, spielte die Reichsministerialität plötzlich wieder eine Rolle, und der Burg am Hohen Brunnen drohte ein Schicksal wie der Burg Oberweidenwang auf der anderen Seite des Berges: Diese war auf königlichen Erlass hin schon im Jahr 1327 abgerissen worden, nachdem zuvor der Großteil des Waldbesitzes über Mittelsmänner (aus dem alten Pabonenkreis!) auf die Zisterzienserinnen von Seligenporten übertragen worden war. Mehr hierzu unter folgendem [Link]. Ein weiterer, großer Teil des Erasbacher Forstes fiel später auf dieselbe Weise an das Kloster Plankstetten.

Dennoch überstand der Burgmanne auf dem Hohen Brunnen mit seiner Veste auch diese kritische Phase, denn Franz Xaver Buchner traf in seiner Arbeit über die Burgställe des Bistums Eichstätt für die Jahre zwischen 1334 und 1356 innerhalb der Bischofs-Regesten mehrfach einen "Heinrich Hohenbrunner" an, desgleichen im Eichstätter Lehenbuch Nr. 1. [08]

Doch danach war es mit der Burgenherrlichkeit endgültig vorbei!

Heimatforscher Alfons Lichtenegger hat den Namen des letzten Hohenbrunners aus dem Berchinger Archiv ausgegraben und in seinen Unterlagen im Kontext der Berchinger Stadtgeschichte festgehalten:

Wir haben die zugrundeliegenden Urkunden nicht im Detail überprüft, die Angaben sind aber glaubhaft und von hoher Signifikanz, denn sie belegen ein weiteres Mal indirekt die frühere Abhängigkeit des Burgensitzes Hohenbrunnen von den Pabonen:

Dem letzten "Heinrich von Hohenbrunnen" war also von Seiten der selbstbewusst gewordenen Hochstiftsstadt Berching und ihres Probstes das Leben schwer gemacht worden! Vielleicht geschah der schlussendliche Verzicht auf den Besitz- und Nutzungsanspruch an den genannten Gewässern unter dem Aspekt, dass dieser Heinrich Hohenbrunner bereits kinderlos, der letzte seiner Dynastie war und den Anfeindungen auf Dauer nichts mehr entgegensetzen konnte. So verzichtete er 1350 auf die Nutzungsrechte der Altach, des rechten Sulzarms, sowie an den fischreichen Tümpeln zwischen der Grubmühle und Berching, die von dem vom Hohen Brunnen herabfließenden Kirchenbach gespeist wurden. Es handelte sich dabei offensichtlich um Altrechte aus der Pabonenzeit, deren Umfang in folgender Graphik verdeutlich wird:

Eintrag ins Urpositionsblatt von 1868.

Wenn man sich das gute Fischwasser, in dem damals u. U. noch Lachse und Flusskrebse lebten, und gleichzeitig den umfangreichem Wald- und Feldbesitz im Kirchenbachtal, der zur Burg Hohenbrunnen gehörte, vor Augen führt, dann wird auch klar, welche lokale Macht und Bedeutung das Ministerialengeschlecht der "Heinriche vom Hohen Brunnen" unter den Pabonen einst gehabt hatte! Gegen 1350 blieb offenkundig nichts davon übrig. Nahezu zeitgleich wurden diejenigen religiösen Stiftungen von Berching gegründet, denen wenig später der gesamte Waldbesitz des letzten Burgmannen als "Spitalwald" zugeschlagen wurde, vielleicht als dessen letzte Spende:

Es handelte sich um das Heilig-Geist-Spital innerhalb und um das Siechenhaus außerhalb Stadt!

Das "alte" Bürgerspital auf einer Aufnahme von ca. 1910. Das große Beigebäude, das fast die gesamte Sulz-Front ausmachte, war zwischenzeitlich durch einen belanglosen, inzwischen verlassenen Neubau der 60er Jahre ersetzt gewesen, der wiederum jüngst dem Projekt eines "Biergartens" wich.
 

Linkes Bild: Die Kapelle St. Cäcilia der Siechenkranken heute. Rechtes Bild: Das Sondersiechenhaus mit Kapelle (für die Lepra-Kranken) auf der ältesten, historisierenden Abbildung der Stadt Berching, einem Stich von Johann Franck aus dem Jahr 1690.

Mit der genannten Besitzübertragung wird klar, was schon Alfons Lichtenegger vermutet hatte:

Der urkundlich genannte "Heinrich von Hohenbrunnen", der vielleicht schon in der 9. oder 10. Generation auf dem Berg residierte, war der letzte seines Stammes. Spätestens, als seine Familie nach 1350 ausstarb, schlug man den gesamten Besitz, ursprünglich ein Pabonen-Lehen, den geistlichen Stiftungen von Berching zu!

Vorauf es aber im Besonderen ankommt:

Es bewährte sich hier geradezu exemplarisch das Strickmuster, das man auch anderswo bei der Vergabe von Pabonen-Land unter Ludwig dem Bayer angewandt hatte, so z. B. in Oberweidenwang: Weil die Wittelsbacher und andere Prätendenten selbst bei der pragmatischen Unterstellung eines Halbbesitzes (wie es für unklare Besitzverhältnisse aus der Pabonenzeit damals üblich war: wo keine Urkunde, da halb altes Reichslehen, halb Allodialbesitz) Oberweidenwang nicht ohne juristische Anfechtbarkeit hätten übernehmen können, verfolgten sie dort nur ihre politischen Ziele, nämlich die Ausschaltung der Burg als militärische Anlage durch Zerstörung, gaben aber deren Liegenschaften an einen unverfänglichen religiösen Orden weiter, nämlich an die Zisterzienserinnen von Seligenporten, die übrigens über die Wolfsteiner und Frickenhofener Gründerfamilien ebenfalls in pabonischer Tradition standen. Damit konnten sich anderweitige Pabonen-Erben abfinden. Einer geistlichen Institution war jedenfalls das entzogene Pabonengut ungleich schwerer streitig zu machen als einer weltlichen! Mit einem solchen Trick befriedete man also am besten die Leute, dennoch kam es im Fall von Weidenwang noch zu Anfechtungen, z. B. durch Graf Wernhart von Abendsberg, allerdings ohne Erfolg.

Ähnlich verfuhr man mit der Burg Hohenbrunnen und ihrem Grundbesitz, nur waren hier jetzt Berchinger Institutionen die Nutznießer, nämlich das neue Bürgerspital und das fast zeitgleich gegründete Sondersiechenhaus. Wegen dieser Eigentümlichkeit ist in Erwägung zu ziehen, dass der besagte Besitz vor 1305 in Händen der Berchinger Templer gelegen hatte. Da deren Besitz geistlicher Natur war, musst er nach dem Verbot des Ritterordens nach den alten Regeln des Wormser Konkordates von 1122 geistlicher Besitz bleiben, was mit der Übergabe an die Spitäler gewährleistet war (zumal die Templer mit hoher Wahrscheinlichkeit das erste Berchinger Spital betrieben hatten). Demnach wären aber auch die Herren von Hohenbrunnen einst Tempelritter gewesen! Ob es bezüglich der Waldungen des Sitzes Hohenbrunnen noch Ansprüche Dritter, weltlicher Personen gab, ist uns nicht bekannt. Die Fischrechte waren vom letzten Burgmannen erst  "nach langem Streit"  abgetreten worden, vielleicht gegen Inaussichtstellung eines warmen Bettes und einer ausreichender Altersversorgung im Bürgerspital.

Dies war allerdings nicht die einzige Waldübertragung an das Spital. Im Jahr 1356 stiftete ein gewisser Heinrich von Wildenstein auch noch die "Steinlesleite" an das Spital, die er von Heinrich dem Sattler, einem Berchinger Bürger, zuvor gekauft hatte. So kam im Lauf der Zeit der umfangreiche Waldbesitz zusammen, den wir bereits anfangs beschrieben haben.

Die Gründung des Bürgerspitals Berching - Gemälde von 1683, heute im Bürgerspital selbst präsentiert. Das eingetragene Gründungsdatum 1355 liegt einige Jahre zu spät.

So wird die Burg Hohenbrunnen zum Exemplarium dafür, wie lange es dauern konnte, bis einer Ministerialen-Familie das Pabonen- bzw. Templererbe ganz entwrungen war: mehr als 150 Jahre! Bei den Wolfstein-Sulzbürgern gab es sogar juristische Auseinandersetzungen bis hinein ins 18. Jahrhundert, z. B. um das Patronat von Greding, das auch von den Pabonen resp. den Templern herrührte!

Ob es schon unmittelbar nach Verlassen der Burg Hohenbrunnen zu deren Sprengung mit nachfolgendem Erdrutsch an der Ostflanke kam, ist nicht bekannt. Sehr wahrscheinlich erscheint es uns nicht, denn immerhin kam zu dieser Zeit das Schwarzpulver, eine Mischung von Kali-Salpeter, Schwefel und Holzkohle, für solche Zwecke erst im Mode. Wahrscheinlicher ist, dass man die Burg zunächst nur veröden und von der Wildnis überwuchern ließ bzw. Quader aus ihren Mauern brach und zum Häuserbau hinab ins Tal holte.

Vielleicht hielten sich in ihr später noch Raubritter oder Räuber auf, die es in der Waldgegend reichlich gab, von denen wir aber heute nichts mehr wissen.

In den Jahren 1504 und 1525 und dann wieder in den Jahren 1633 bis 1640  trafen Berching und Umgebung schwere Schicksalsschläge: Im Rahmen des Landshuter Erbfolgekriegs 1504 wurde die gesamte Vorstadt von Berching niedergebrannt, nach unseren Recherchen von markgräflich-ansbachischen Truppen. Im Bauernkrieg von 1525 wütete vor Ort der Obermässinger Bauernhaufen, im 30-jährigen Krieg besetzten Schweden das Land und richteten Verwüstungen an. Vielleicht hat erst ein Überfall der Ansbacher, der aufständischen Bauern oder der Schweden  der Burg Hohenbrunnen durch Sprengung ein bitteres Ende bereitet! Vielleicht hatten sich zuvor die Bewohner der Berchinger Vorstadt und von Sollngriesbach dorthin geflüchtet und eine entsprechende Belagerung ausgelöst!

Auf eine Unterminierung und Sprengung der Burg deutet der Umstand hin, dass der oben beschriebene Bergrutsch in der Südostecke der Burg begann und dort eine relativ scharfe Abrisskante erzeugte!

Man vergleiche hierzu die Bilder oben.

Im Fall einer Totalsprengung der Burg am Hohen Brunnen durch Söldner des Landshuter Erbfolgekriegs hätten einmal mehr die streitsüchtigen Wittelsbacher die letztendliche Verantwortung für die Zerstörung der Pabonentradition getragen, wenn auch in indirekter Form!

Leider kann uns der Berg über die genaueren Umstände der Zerstörung der Burg nichts mehr erzählen!

Diesen und anderen Gedanken hingen wir nach, als wir bei unserem Waldspaziergang durch die Ruinen des alten Burgstalls streiften.

Am Ende nochmals unser Resümee zum Burgenplatz:

Die Burg Hohenbrunnen war eine Ministerialen- oder Agnatenburg der burg- und landgräflichen Pabonen. Sie entstand im Rahmen der umfangreichen Landerschließung dieses Grafengeschlechts und wurde wahrscheinlich um 1060 als Zoll-, Wach-, Jagd- und Waldhüterburg des Gödenacker errichtet. Bis 1350 war sie mit einer Burghut besetzt, deren Familie den Leitnamen "Heinrich" trug und wohl unter den Pabonen zum Niederadel aufgestiegen und nach 1167 eventuell sogar dem Templerorden beigetreten war!

 

Weiter nach oben zum Juraplateau und zum Steinbruch der Burg

Wir beenden diesen Abschnitt der Exkursion und begeben uns hinauf zum alten Steinbruch, wo man in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts die Quader für den Bau des Turms gebrochen hatte. Beim Blick zurück übersehen wir nochmals den gesamten Burgstall und seine einmalig schöne Lage an der Hangkante des Hochwaldes und den Kalksinterterrassen!

Bei Steinbruch angelangt, finden wir nur eine große quadratische Exkavation im Waldboden, aus deren Nordrand ein paar Juraplatten hervorlugen, sonst nichts. Alles ist von Waldboden bedeckt, demnächst von Pflanzen überwuchert, und es findet sich kein tageliegendes Felsgestein mehr. Dies ist bei einem angenommenen Alter des Steinbruchs von fast 950 Jahren aber auch nicht zu erwarten.

 

Zeitenwechsel: Vom Mittelalter in die Bronze- und Hallstattzeit, 1000 bis 450 vor Christus!

Auf der Jurahochfläche angelangt, erwartet uns oberhalb des Burgstalls Hohenbrunnen eine weitere geschichtliche Sensation, nämlich eine ganze Reihe von bronze- oder hallstattzeitlichen Hügelgräbern! Das erste davon mit obiger Nummer 1 liegt gleich zur Linken des Aufstiegs, nur einen Steinwurf vom mittelalterlichen Steinbruch an der Hangkante entfernt.

Obwohl sich im zeitigen Frühjahr die Bodenvegetation noch in Grenzen hält, ist das Grab im lichten Buchen- und Fichtenwald nur schwer als flache Erhebung auszumachen.

Die Bodenerosion durch Wind und Regen und wahrscheinlich auch der Mensch haben hier ganze Arbeit geleistet. Die meiste Substanz der Hügel ist inzwischen verloren, wobei wir auch gar nicht wissen, ob diese Hangkante in prähistorischer Zeit überhaupt mit einem schützendem Wald überzogen war.

 

Grabhügelgruppe 2 und Einzelgrab 3

Östlich des Aufstiegweges wird man etwas besser fündig: Hier liegen zwei unterschiedlich große Grabhügel in Serie, wobei der erste auf seiner abgeflachten Kuppe herumliegendes Jura-Gestein aufweist. Dies wiederholt sich an etlichen der nachfolgenden Gräber und ist für uns ein untrügliches Zeichen dafür, dass hier im 19. Jahrhundert Raubgrabungen stattfanden. Insofern sind heute Grabfunde nicht mehr zu erwarten, selbst nicht bei einer archäologisch geführten Grabung. Über den Verbleib der früheren Funde ist uns nichts bekannt.

Der hintere Grabhügel der Gruppe 2 ist wegseitig kaum im Gelände auszumachen. Wegen der geringen Höhe der Gräber haben wir ihre Lage und Ausmaß mit gelben Kreislinien markiert, weil sie sonst bei der Tarnung durch das Laub kaum erkennbar wären.

Von der Hangkante aus sind die Grabhöhen etwas eindrucksvoller. Es folgen weitere Aufnahmen, von verschiedenen Aufnahmepositionen aus:

Anschließend wenden wir uns dem Einzelgrab 3 zu, welches unmittelbar am Rand der modernen Forststraße liegt.

Hier lässt sich aufgrund der tageliegenden Kalksteine gut die Dimension der einstigen Grabkammer abschätzen. Vermutlich waren diese Grabkammern primär mit Steinwänden und darauf liegenden Juraplatten versehen und nicht mit steinbedeckten Holzbohlen ausgekleidet, wie sie weiter unten ein Film des Virtuellen Archäologie-Museums Beilngries zeigt. Deswegen, aber auch wegen der insgesamt vergleichsweise geringeren Dimension der Gräber und der durch die Erosion bereits weit fortgeschrittenen Abtragung besteht der Eindruck eines hohes Alters dieser Gräber, welche vielleicht schon während der Bronzezeit um 1000 vor Chr. und nicht erst in der Hallstattzeit bis 450 vor Chr. entstanden. Dazwischen klafft ein breiter zeitlicher Raum der Entstehung. Eine engere Datierung wäre nur durch Grabfunde möglich.

Auf jeden Fall handelt es sich zweifelsfrei um Gräber aus der Keltenzeit!

 

Vergleich mit anderen Fundstellen in unserer Gegend

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege hat die Grabhügelgruppe am Hohen Brunnen unter der Nummer D-3-6834-0017 als "Vorgeschichtliches Grabhügelfeld mit mindestens 48 Hügeln" registriert. Aus welcher Quelle die hohe Zahl der Gräber stammt, wissen wir nicht. Wenn sie korrekt ist, dann sind inzwischen zwei Drittel der Gräber durch Einebnung verloren gegangen. Den eher kümmerlichen Rest haben wir in obiger Übersichtskarte rot markiert, wobei wir jedoch einige kleinere, gänzlich unscheinbare Gräber übergangen haben. Am geschichtlichen Wert der Gräbergruppe ändert der schlechte Erhaltungszustand nichts.

Es folgt zum Vergleich eine Aufnahme aus der Grabhügelgruppe im Forstbezirk Hohenbichel nördlich von Dürn, in der Nähe von Breitenbrunn. Diese ist eine der eindrucksvollsten unserer Region, was sowohl die Höhe der Gräber als auch deren Zahl betrifft. Die Gruppe von mehr als 100 Gräbern wird aufgrund des Fundes eines gebänderten Keramikgefäßes, welches heute im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg ruht, in die Zeit zwischen 700 und 500 vor Christus, also ebenfalls in die Zeit der Kelten, datiert.

Grabhügel in der Flur Hohenbichel bei Dürn, Aufnahme von 2014.

Zum Vergleich mit der verflachten Gruppe am Hohen Brunnen folgt hier der Laser Scan der Grabhügelgruppe Hohenbichel, der eindrucksvoll die Gesamtzahl der Gräber wiedergibt, die bei etwa 100 liegt, aber auch bei den einzelnen Gräbern die Höhe und die aufgebrochenen Grabkammern zeigt.

Eine schöne Rekonstruktion einer keltischen Grabhügelgruppe findet sich bei den rekonstruierten Keltenhäusern von Landersdorf, in der Nähe von Thalmässing:

Zu Abschluss zeigen wir die virtuelle Rekonstruktion einer Grabhügelgruppe im Ottmaringer Tal, nahe Beilngries, die beim Bau des Europakanal untersucht wurde.

Wie man vorbildlich mit kommunaler Archäologie umgeht und deren Ergebnisse zeitgemäß präsentiert, zeigt die Berchinger Nachbargemeinde Beilngries mit ihrer Internet-Seite [www.archäologie-beilngries.de].

Ein Besuch dieses virtuellen Museums, aus dem wir obige Aufnahme entnommen haben, ist für Fachleute und Laien gleichermaßen empfehlenswert. Die Unterseite "Grabung im Ried Ost" zeigt dabei anschaulich per Film die Entstehung und Ausstattung eines Hügelgrabes zur Hallstattzeit, so dass sich an dieser Stelle weitere Erklärungen erübrigen. Bitte hierzu auf die jeweiligen Bilder klicken!

Auch nach diesen zusätzlichen Informationen - vor allem darüber, dass Grabhügel der Kelten auch in Tallagen üblich waren -, sind wir uns nicht sicher, wo die Menschen gelebt haben, welche vor 2500 Jahren oben am Hohen Brunnen ihre Toten bestatteten. Wir wissen es nicht, vermuten jedoch, dass sie unten im Kirchbach- oder Sulztal wohnten, wo damals weitaus bessere Lebensbedingungen herrschten als oben auf der unwirtlichen Höhe - zu einer Zeit, als die letzte Eiszeit noch gar nicht so lange her war.

Bei Berching ist kürzlich durch Gedankenlosigkeit das Areal einer Keltensiedlung ohne Untersuchung überbaut worden!

 

Grabhügelgruppe 4

Beim Rückweg über die Forstsraße zum Ausgangspunkt unseres Spaziergangs passieren wir die Grabhügelgruppe 4.

Nur das mittlere der Gräber zeigt eine eindrucksvolle Dimension und gute Erkennbarkeit im Gelände.

Der westlichste Fundplatz dieser Gräbergruppe ist im Gelände wiederum nur schwer auszumachen. Er tangiert den Rand einer sogenannten "Rückegasse" der modernen Forstwirtschaft und zeigt sich hier niedergedrückt.

Von jenen Ungetümen, die sich Holzvollernter oder englisch Harvester nennen, drohen den Bodendenkmälern unserer Wälder derzeit die größte Gefahr, und es steht zu befürchten, dass schon in absehbarer Zeit nichts mehr von ihnen vorhanden sein wird!

Rückgasse eines Harvesters im Grabhügelfeld. Sollte hier ein Grabhügel zuvor im Wege gestanden sein, so ist jetzt nichts mehr von ihm übrig geblieben.

Darüber, was ein Harvester macht und im Wald bewirkt, informieren ganz gut ein paar Filme bei Youtube, z. B.:

Nach diesen Filmen erübrigen sich u. E. alle weiteren Erklärungen!

Der Raubbau an der historischen Substanz unserer Waldböden durch die modernen Methoden der Waldwirtschaft ist übrigens ein Thema, das andernorts die Gemüter erhitzt. Zur weiteren Information dient z. B. folgender [Link].

 

Grabhügel-Duo 5 und 6

Wir nähern uns den Grabhügeln 5 und 6.

An Grabhügel 5 liegen einige Juraplatten zu Tage, die vielleicht einst als Abdeckung der Grabkammern gedient haben.

Und wieder ein Grabhügel direkt an einer Rückegasse, die viel zu nahe angelegt wurde!

Auf der gegenüberliegenden Wegseite findet sich eine zum Flurdenkmal aufgestellte, große und dünne Jura-Platte, deren Herkunft uns nicht klar ist. Sollte beim Bau der Forststraße ein Grabhügel aufgerissen und seine komplette Abdeckung dergestalt geborgen worden sein? Für ein angeschnittenes Grab sprechen die Plattenreste direkt am Straßenrand.

Die Platte selbst zeigt eine unleserliche, wohl neuzeitliche Gravur.

Die Platte nochmals in tangentialer Sicht. Das Ganze wirkt doch wie ein alter Grabhügel.

 

Zwischendurch: Zwei historische Grenzsteine am Straßenrand

Wenige Meter weiter, auf der Südseite der Forstraße, finden sich folgende historischen Grenzsteine:
  • Der KW-Stein Nr. 43 kennzeichnet die im Kataster von ca. 1820 eingezeichnete Grenze des Königlichen Waldes im "Breiten Schlag". Der Flurname erinnert u. U. an den kilometerlangen Waldverhau des Winters 1702/03, der im Spanischen Erbfolgekrieg nötig wurde.

  • Daneben steht ein größerer Stein mit der Aufschrift SH (siehe Vergrößerung links unten). Diese Abkürzung steht für "Spitalholz" und bezeichnet damit einen nicht-staatlichen Stein aus dem Berchinger Bürgerspital. Er markiert die Binnengrenze zwischen dem westlichen, schmaleren Teil des Spitalholzes (nördlich des eingangs erwähnten "Frauenholzes") und der größeren Masse des Spitalholzes östlich davon (gelber Punkt in unten stehendem Katasterausschnitt).
Beide Steine kommen aufgrund ihrer Machart in etwa aus der Zeit der Gründung des Königreiches Bayern, wobei der Spitalholz-Stein trotz seines vergleichsweise besseren Erhaltungszustandes der etwas ältere von beiden zu sein scheint.

Bis zu den Eichen am Ausgangspunkt dieser Wanderung schließen sich weitere KW-Steine an - in mehr oder weniger gutem Erhaltungszustand.

Es folgen an dieser Stelle 2 weitere historische Forstkarten:

Die erste stammt von 1930 und zeigt nochmals gut erkennbar die beiden Anteile des Eichstättischen Gödenacker, welche am westlichen Ende des Spitalwaldes (rote Fläche) von der Scheid-Eiche getrennt und markiert werden (roter Punkt). Daneben haben wir die Lage der alten Fraisch-Steine von 1523 nach der Riedl'schen Karte von 1768 (siehe oben) eingezeichnet (blaue Punkte). Diese großen, z. T. wappentragenden Steine sind heute ausnahmslos verschwunden.

Die zweite, derzeit noch aktuelle Forstkarte zeigt das von uns begangene Areal des Spitalwaldes (rot), sowie seine Konfiguration zwischen den beiden großen Staatswaldabteilungen des Forstbezirks Nr. XXI mit dem Namen "Goedenacker". Die "Sauleite" hieß früher - entsprechend ihrer Nordrichtung - "Winterleite". Der Name "Kohlmarter" erklärt sich möglicherweise durch das frühere Vorhandensein von Meilern zur Holzkohlenproduktion, wobei allerdings solche auf der wasserarmen Jurahochebene normalerweise gar nicht standen, sondern weitaus tiefer. Der zweite Teil des Kompositums weist auf ein abgegangenes Marterl hin, das in der Weidenwanger Huetbeschreibung von 1519 als "Lochles Marter" (so!) bezeichnet wurde. Ob es dazu eine Martersäule gab und wo sie stand, müssen wir offen lassen.

Bekannt ist uns aufgrund des Grenzvertrags von 1513 nur eine heute verschwundene Martersäule zwischen Obernricht und Burggriesbach, die infolge des Vertrags von 1523 als Übergabepunkt für alle Malefizbuben der eichstättischen Grenzregion definiert wurde, d. h. für alle Schwerverbrecher, die nach ihrer Tat in die Hochgerichtsbarkeit der Kuroberpfalz fielen.

Gut erkennbar ist auch, dass sich noch in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts im Westen des Gödenacker ein nahezu baumfreier Korridor nach Norden erstreckte - ein Sachverhalt, der weiter unten noch eine enorme Rolle spielen wird.

Ehe wir auf die nächste Grabhügelgruppe stoßen, passieren wir nochmals einen Grenzstein - nunmehr neueren Datums, mit der Bezeichnung St W = Staatswald. Dass der "Königliche Wald" nach 1918 vorübergehend zum "Reichswald" und nach 1945 zum "Staatswald" wurde, brauchen wir dem Leser an dieser Stelle nicht näher erklären.

 

Grabhügelgruppe 6

Als wir uns in einer Biegung der Forststraße der halbkreisförmig angeordneten Grabhügelgruppe Nr. 6 nähern, trifft uns fast der Schlag: Ausgerechnet dieses geschichtsträchtige Terrain haben unbedarfte Forstmänner als Lagerplatz für das von den Harvestern liegen gelassene und später eingesammelte Restholz erkoren! Dabei ist jedem Menschen durch den Bayerischen Denkmal-Atlas die Information frei zugänglich, dass sich hier ein Bodendenkmal befindet. [Link] Für Forstleute sollten solche Informationen an sich eine Selbstverständlichkeit sein!

Wir kommen nochmals an einem alten, unleserlichen Grenzstein vorbei, dann treten wir hinter den Lagerplatz, in der Hoffnung, dort doch noch einige Grabhügel auszumachen, was auch gelingt.

Wieder finden sich hier Reste von aufgebrochenen Grabkammern aus Jura-Gestein ...

... am hangseitigen Scheitelpunkt findet sich allerdings auch eine frische Schürfgrube mit ausgeworfenen Gesteinstrümmern.

Wie eine Wildschweinsuhle sah das auf den ersten Blick nicht aus, denn man glaubte noch frische Spatenspuren zu sehen, und es waren größere, z. T. scharfkantige Felsbrocken an den Rand geworfen. Allerdings war eine typische Suhle, in der man noch die Wälzspuren eine Tieres sah, direkt daneben, sodass die vorherige Anwesenheit von Wildschweinen belegt ist. Außerdem haben wir uns sagen lassen, dass Wildschweine beim Suhlen tatsächlich enorme Kräfte entwickeln können und durchaus auch tiefe Löcher graben wie dieses.

Alternativ denken wir an eine erst jüngst durchgeführte Raubgrabung. Es ist inzwischen in Mode gekommen, mit frei käuflichen Metalldetektoren durch Wald und Feld zu laufen und zu lauschen, ob irgendwo in der Tiefe Metall anschlägt. Wenn ja, dann buddelt man darauf los, solange man nicht beobachtet wird, denn die Entnahme von bodenarchäologischem Material ist an sich strafbar. Auch das könnte hier der Fall gewesen sein, selbst wenn man an dieser Stelle einen richtigen Grabhügel nicht ausmachen kann. Wenn hier kürzlich eine Raubgrabung stattgefunden hat, dann müssen wir offen lassen, ob etwas Brauchbares oder Wertvolles gefunden wurde und wer hier gebuddelt hat.

Am Ende geben wir aber, entsprechend beraten, der Wildschweinsuhle den Vorrang. Gottseidank, denn Raubgrabungen fehlten dem Grabhügelfeld noch!

Beim Weitergehen ein Blick zurück auf die Grabhügel und den vorgelagerten Holzlagerplatz.

 

Die beiden letzten Grabhügel der Gruppe 7

Je weiter wir nach Westen und in die Nähe unseres Ausgangspunktes kommen, desto schwerer tun wir uns mit der Erkennung der Grabhügel. Ihre Lage ist allenfalls an sanften Bodenwellen festzumachen, eine richtige kreisförmige Hügelformation findet sich nicht mehr.

Insofern müssen wir offen lassen, ob es sich überhaupt noch um Überreste aus prähistorischer Zeit handelt.

 

Der vorletzte Abschnitt

Er lehrt uns nochmals eindrucksvoll, was ein Harvester im Wald so alles anrichten kann! Nicht zuletzt wegen dieser Schäden am Waldboden, der allerdings zugegebenermaßen nur streifenförmig im Bereich der Rückegassen auftritt, während der Boden im Bereich des seitlichen Holzbestandes eher geschont wird, haben wir uns zu dieser Bilderserie entschlossen - in der Hoffnung, dass sich unter den Besuchern der Seite auch der eine oder andere Förster befindet.

Es gilt zu dokumentieren, was vielleicht in natura schon bald nicht mehr da ist!

Wie historische Waldwege und Altstraßen durch die Mega-Reifen und Tonnen-Gewichte der Vollernter und Holztransportfahrzeuge leiden, veranschaulicht folgendes Bild:

Was haben wir an Harvester-Schäden an den Bodendenkmälern unserer Wälder in letzter Zeit registrieren müssen:

  • Angefahrene Hügelgräber hier am Hohen Brunnen!

  • Ein niedergewalzter Turmhügel Oberweidenwang!

  • Ein niedergewalzter Ringwall auf der Fliehburg am Haarberg oberhalb von Plankstetten!

  • Zerstörte historische Weinbergmauern von 1481 am Herrlberg !

  • Niedergewalzte Schanzen des Spanischen Erbfolgekrieges bei Oberricht und anderswo, oft mit Verfüllung der einstigen Defensionsgräben mit Abfallholz!

  • Niedergewalzte Hohlwege bei Oberweidenwang!
Die Liste ist lang und dabei keineswegs vollständig. Dabei wäre es bei entsprechender Aufklärung der Förster und Waldarbeiter gar nicht so schwer, die Schäden an den Bodendenkmälern unserer Wäder zu vermeiden! Doch dazu muss Information fließen. Auch dafür dient dieser Bilderzyklus mit seinen Kommentaren!

Am Ende wollen wir doch noch ein Lob für die Forstleute aussprechen:

Sie bemühen sich an dieser Stelle wenigstens um eine standortgerechte Wiederaufforstung!

Hat hier nach dem Zweiten Weltkrieg, wie allerorten, die ungeeignete Fichte dominiert, so findet sie sich heute wieder eingebettet in schöne Bestände von Eichen, Föhren, Tannen, Buchen und mitunter auch Linden und Ahorne, wobei die beiden erstgenannten Baumarten hier seit Jahrtausenden vorkommen und den einstigen Reichtum der Wälder begründeten.

Wie liest man in Briefen der Salesianierinnen-Superiorin Johann von Sartorin aus der Zeit um 1715? "Viel junge Aichreis, zu Pauholz tauglich" oder: Er, der Förster Alexander Gluck, der Vater des berühmten Komponisten, solle sich bezüglich seines Besoldungsholzes "ja nicht an den schönen, zu Pauholz tauglichen Aichen und Ferchen" vergreifen.

Allein die reichliche Verwendung als Werkstoff für die schönen, häuserlangen Durchzugsbalken und die wuchtigen Dachstühle, wie sie z. B. die Berchinger Bürgerhäuser aus dem Barock zieren, belegt, dass die Eichenbestände damals sehr umfangreich gewesen sein müssen. Eichen, Föhren und Tannen, dazwischen ein paar seltenere Baumarten, das ist also der standortgerechte Urwald, der seit Jahrtausenden auf dem Gödenacker wuchs. Buchen waren vergleichsweise wenig, Fichten so gut wie gar nicht in diesem majästetischen Mischwald vertreten! Letztere fanden sich nur stellenweise und in tieferen Lagen, z. B. bei Burggriesbachin in der Waldabteilung "Viechtach", d. h. Fichtenwasser, Fichtenbach.

Die heute an den Abhängen dominierenden Buchen, die in früherer Zeit eher zum "Brennholz" als zum "Bauholz" taugten, waren zur Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs im Vergleich zu den Eichen und Föhren weniger vertreten, allerdings für die Schweinemast wegen ihrer Bucheckern auch nicht unwichtig. Daneben fand sich auch ein schöner Bestand an Bergtannen!

Die unten abgebildeten Jungtannen, die wir am Ende unseres Rundganges begrüßen durften, haben uns - ob gesetzt oder spontan angeflogen - mit der heutigen, gewinnorientierten Forstwirtschaft wieder ein wenig versöhnt! Es handelt sich um schöne Unterstandsbäume, gerade für die Bodenschatten benötigenden Eichenbestände.

Nebenbei: Eine der schönsten und größten Bergtannen, die wir je in unserem Leben gesehen haben, steht ganz in der Nähe, unten im Talschluss der sogenannten "Kohlstatt", die sich nördlich an den Hohen Brunnen anschließt. Sie kann allerdings von hier oben auf direktem Weg nur sehr schwer erreicht werden.

 

Das Geheimnis des Gödenacker

Nach wenigen Metern Fußweg sind wir zurück bei den Scheideichen, wo unser Spaziergang seinen Ausgang genommen hat.

Wer glaubt, es sei nun mit den geschichtlichen Betrachtungen genug und es ginge schnell wieder nachhause, den müssen wir enttäuschen. Denn noch immer haben wir dem Wald sein letztes Geheimniss nicht entwrungen, und es besteht Grund zum nochmaligen Verweilen und Innehalten:

  • Warum wird dieser Wald nördlich des Hohen Brunnen seit Menschengedenken Gödenacker genannt?

  • Wo finden wir hier einen Acker und welche Funktion hatte er einst?

Betrachten wir noch einmal die Forstwiesen, die wir schon eingangs beschrieben haben - nunmehr auf einer Satellitenaufnahme von 2015:

Wir erkennen, dass es sich nicht um eine einzige Wiese handelt, die an den ehemaligen Standort der Scheid-Eiche direkt angrenzt, sondern gleich um drei oder vier, und angrenzend an ein insgesamt nur schütter bepflanztes Waldgebiet, in dem sich kleine Brachflächen mit Neuanpflanzungen von Nadelholz abwechseln!

Es ist kaum zu glauben, aber dennoch wahr:

Gerade dieser unscheinbare Wald- und Wiesenbezirk symbolisiert einen wichtigen Teil des Gödenacker und führt uns nochmals weit zurück in das Früh- und Hochmittelalter!

Wir beginnen zunächst mit jenem Grenzvertrag von 1523, denn er gibt uns in ein paar wenigen Details die entscheidenden Einstiegs-Informationen. Von diesen können wir anschließend auf die Jahrhunderte zuvor extrapolieren, und so landen wir am Ende in der Entstehungszeit des "Gödenacker" - und seines Namens.

Wie war es zum Grenzvertrag von 1523 gekommen?

Kurz nach dem Landshuter Erbfolgekrieg 1504, zeitgleich mit der Reformation ab 1517 und 2 Jahre vor dem Aufstand des Obermässinger Bauernhaufens gegen Unterdrückung und Willkür im Bistum Eichstätt im Jahr 1525, also genau am 20. Juni 1523, ratifizierten der Eichstätter Bischof Gabriel von Eib (1496-1535) und Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz (1482-1556), der im Jahr 1520 als der "weise" Regent der Kuroberpfalz den Regierungssitz von Amberg nach Neumarkt zurückverlegt hatte, den besagten Grenzvertrag. Der Vertrag liegt heute im Original und in Kopien im Staatsarchiv Nürnberg, wir greifen zur Textanalyse auf die allgemein verfügbare, historische Translation von Johann Heinrich von Falckenstein aus dem Jahr 1733 zurück, die wohl bereits Felix Mader bei seiner "Geschichte der Seglau" verwendete. [09]

Zunächst nimmt man mit Staunen zur Kenntnis, dass bei der erstmaligen Versteinung der Grenzverlauf in unserem Hochwald bereits als vorgegeben geschildert wird, weswegen man sich auf den reduzierten Einsatz von nur 3 Steinen an Weg-Kreuzungen verständigte:

Bei näherer Betrachtung muss die grobe Grenzziehung im Wald nicht verwundern: Man wollte den Wald künftig gemeinschaftlich nutzen, außerdem gab ein 700 m langer, linearer Wallgraben, der als Römerwehr vermutlich seit der Spätantike bestand und im Mittelalter den Namen "Ehekamm" trug, bereits weite Teile der Grenze vor. Wir stellen an dieser Stelle den markanten Grenzkamm auf einer eiszeitlichen Sanddüne, die ca. 700 m nordöstlich des Hohen Brunnens verläuft, optisch im Laser-Bild vor. Erstmals geschildert wurde dieser Damm in unserer Arbeit zur frühen Kindheit des Komponisten Christoph Willibald Gluck, ausführlich besprochen in unserer Arbeit zu dem Juthungen. [10]

Widmen wir uns nun den für unsere Fragen entscheidenden Inhalten des Vertrags von 1523:

  • In das "Halsgericht, Fraisch und Oberkeit" der Kuroberpfalz gehörten ab sofort alle Malefizhändel, d. h. alle Kapitalverbrechen. Die Auslieferung der Delinquenten erfolgte an der besagten Martersäule zwischen Burggriesbach und Obernricht.

  • Das bischöfliche Stift Eichstätt behielt für seine Untertanen auf kurpfälzischem Gebiet die niedere Gerichtsbarkeit. Dieser Passus führte bei Auslegungsproblemen, oft auch Missachtung des Vertrags, in den nächsten 250 Jahren immer wieder zu massiven Streitigkeiten und Übergriffen auf eichstättisches Gebiet. Dies geschah in der Regel von seiten der Kurpfalz!

  • Die Steuer, die die Grundholden zu entrichten hatten, blieb nach altem Herkommen bei der jeweiligen Grundherrschaft.

Wichtiger sind in unserem Zusammenhang jedoch folgende Regelungen:

  • Der Wildbann auf dem "Jedenacker" und die "anstossenden Gehülzen", "sambt dem Rechsperg" = Röschberg wurde ab sofort beiderseitiges Recht, wobei unklar bleibt, wie der Röschberg hinzu kam, denn in der Wildbannverleihung Kaiser Heinrichs IV. von 1080 war er nicht enthalten gewesen. Künftig stand nur noch die sog. "Winterleiten" den Fürstbischöfen von Eichstätt allein zu. In der eingangs gezeigten Karte von 1768 wird dieser Hangwald deshalb "Fürsten Holz" genannt.

  • Man verbot ab sofort das "Heckenschlagen", d.h. die Treibjagd auf Vögel und Niederwild unter Verwendung von Hecken, aus denen die Tiere unter Schlagen aufgescheucht wurden, sondern man erlaubte künftig zum Fang nur Netze, was nun aber auch das Großwild, vor allem Wildschweine, Rehe und Hirsche betraf. Damit ist zunächst belegt, dass es nun um einen freieren Zugang in die Wälder ging, genauso aber, dass das Heckenschlagen zuvor üblich gewesen war, folglich Hecken einen Teil des Gödenacker durchzogen hatten. Sie sind heute alle verschwunden. Diese Neuregelung entsprach ganz dem Trend der Zeit, in der sie getroffen wurde:
 

Dieses und die folgenden Zitate stammen aus Ulrich Wendt: Kultur und Jagd - ein Birschgang durch die Geschichte, Bd. 1: Das Mittelalter, Berlin 1907.

Ulrich Wendth nannte 2 Gründe, die Heckenjagd aufzugeben, nämlich die wenig waidgerechte Methode als solche und die Eindämmung der Wilderei. Wir sehen allerdings für den Verzicht auf die Heckenjagd noch zwei weitere Gründe: Wenn man ab 1523 durch Zulassung der kurpfälzischen Jagd die Jagdhäufigkeit in Gödenacker quasi verdoppelte, dann war es zur Vermeidung einer Überjagung geboten, dem Wild durch Abbrand der Stellhecken vor dem eigentlichen Fangplatz gewisse Ausweichmöglichkeiten über die Seitenhänge wiederzueröffnen und damit die Fangquoten zu senken! Obendrein wurde durch Verzicht auf Fanghecken der Eintrieb der Schweine zur Waldmast in jagdfreien Zeiten erleichert.

  • Das "Geäckher", d. h. die Waldmast der Hausschweine mit Eicheln und Bucheckern, wurde als Ausgleich der Jagdverluste nun zum alleinigen Vorrecht der Bischöfe von Eichstätt, die ihre Hintersassen in den angrenzenden Dörfern Rübling und Jettingsdorf speziell auf die Schweinezucht eingestellt haben dürften. Zur Erinnerung: Es standen damals für die Schweinemast weder Kartoffeln, noch Mais oder Getreide wie heute zur Verfügung, der Umfang des "Geäckers" war also für den Umfang und die Qualität die Schweinezucht essentiell!

  • Die "Voglherdt" sollten sich nach den neuen Marksteinen richten, d. h. so verlegt werden, dass sie die neue Grenze respektierten.

  • Waldfriedensbruch, z. B. durch Wilderei, unterstand nicht mehr allein der (zuvor wohl ineffektiven) bischöflichen Gerichtbarkeit, sondern ab sofort der jeweiligen Grundherrschaft des Anwesens, aus dem der Delinquent stammte. Aus unserer Sicht war auch dies eine wenig praktikable Regelung, da sie reichlich Gelegenheit zum Entkommen bot. Felix Mader schilderte dazu in seiner "Geschichte der Seglau" einige plastische Fälle.

In der Quintessenz war es also am Gödenacker zu einer politischen und ökonomischen Kompromisslösung gekommen:

  • Das Bistum Eichstätt trat nicht nur die hohe Gerichtsbarkeit ab - vermutlich nur ein geringer Verlust, da man dazu sowieso über keine wirksamen Exekutivkräfte verfügte -, sondern auch, was weitaus bedeutender war, die Hälfte des 1080 als Exklusivrecht erhaltenen Wildbanns, womit nun die Wittelsbacher erstmalig seit karolingischer Zeit auf eichstättischer Seite des Gödenacker ein Jagdrecht für Schwarz- und Rotwild besaßen und damit den Einstieg in weitergehende Zugriffsrechte geschafft hatten. Allerding kam dies erst nach weiteren 280 Jahren, bei der Auflösung des Hochstifts Eichstätt um 1803, so richtig zum Tragen. Damals entstand das, was als "Königlicher", d. h. als "Wittelsbachischer Wald" bezeichnet wurde und heute "Staatswald" heißt (siehe oben).

  • Im Gegenzug verzichtete die Kur-Oberpfalz auf die Nutzung des Hochwaldes für Haustiere. In der Tat muss der Gödenacker mit seinem reichhaltigen "Geäcker" (Winterwaid) für die Schweine ein Schlaraffenland gewesen sein - ein Indiz dafür, dass sich damals die überwiegend hochstiftisch dominierten Dörfer Rübling oder Jettingsdorf auf die Schweinezucht spezialisiert hatten. Dazu musste der Eintrieb der Schweine in den Wald frei gewährleistet sein, so dass sich die weitläufige Anlage und der Weiterberieb von Hecken zur Hetzjagd ab sofort verbot und man sogar einen eigenen Waldstreifen für den Eintrieb der Schweine vorhielt (siehe weiter unten).
Der Verweis auf die "Vogelherde" und die "frühere Hecken- und künftige Netzjagd" hat nun weitreichende Konsequenzen dafür, wie man sich den Betrieb des Gödenackers, der in der Urkunde "Jedenacker" genannt wurde und als herrschaftlicher Jagdforst seit 1080 so bestand, vorzustellen hat.

 

Der Gödenacker - ein mittelalterliches Jagdzentrum des Früh- und Hochmittelalters

Dazu muss man als moderner Mensch und Jagd-Laie mit etwaigen Vorurteilen aufräumen:
  • Die mittelalterliche Jagd auf Nieder- und Hochwild war keine Sache von Privatleuten, erst recht keine Sache der Bewohner der angrenzenden Dörfer, sie war ausschießlich ein Privileg des Adels. Damit fanden Jagden nur sporadisch und in größerer Gruppe statt, meist im Herbst und Winter eines jeden Jahres.

  • Es ist eine völlig falsche Vorstellung zu glauben, die Jagd im Früh- und Hochmittelalter sei mit Schusswaffen erfolgt. Zwar gab es bereits die Armbrust, doch ihre Verwendung für die Schießjagd blieb über lange Zeit die Ausnahme. Feuerwaffen kamen erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts in Gebrauch, aber für Jagdzwecke auch dann noch lange sporadisch, denn die Büchsen und Flinten waren zunächst relativ umständlich zu laden und keineswegs zielgenau. Wenn überhaupt, dann war der Schusswaffengebrauch der Einzeljagd vorbehalten.

    Anlässlich einer fürstbischöflichen Jagd wurde vor dem 16. Jahrhundert weder auf Wildvögel noch auf Schwarzwild (dazu gehörten übrigens nicht nur die Wildschweine, sondern auch Bären, Auerochsen, Wisente, Elche, Luchse und Wildkatzen) oder Rotwild (Hirsche, Rehe, Füchse) mit Büchsen oder Flinten geschossen!

Genauere Hinweise dafür, wie man sich die Jagd auf dem Gödenacker seit der Zeit der Karolinger und der Pabonen vorzustellen hat, entnehmen wir der forstgeschichtlichen Literatur und den schönen Stichen von Jan van der Straet (1523-1605), auch Stradanus genannt, sowie von anderen Jagdkünstlern wie z. B. Wolf Helmhardt von Hohberg (1612-1688) oder Johann Elias Ridinger (1698-1767) [11]

Neben der Fallenstellerei war über lange Jahrhunderte die einzig gängige Methode der herrschaftlichen Jagd die Hetz- und Treibjagd. Wenn bereits die Karolinger, die um 750 n. Chr. den Königshof Berching, die "villa Pirihinga", gegründet hatten, auf dem Gödenacker jagten, was wir später noch weiter untersuchen werden, dann ist ihre Jagd mit der Hetz- und Treibjagd per Netz im Reich des englischen Königs Alfred (871-901) zu vergleichen, von der uns ein authentischer Jägerbericht vorliegt:

Genauso hat man sich auch die Jagden, die der Burghüter vom Hohenbrunnen unter den Pabonen vor 1080 organisierte, vorzustellen! Die Jagd auf Sauen in freier Wildbahn war allerdings lebensgefährlich und galt als Eskapade eines Jägers; sie konnte empfindliche Strafen seines Herrn nach sich ziehen!

Was den Gödenacker anbelangt, so gestalteten sich die Hetz- und Treibjagden wegen der vielfältigen Gefahren nicht auf den Abhängen des Waldmassivs, wo ein Jäger zu Pferd leicht straucheln und stürzen konnte, sondern ausschließlich auf der flachen Hochebene der Waldberge. Denn zur Hetzjagd über Berg und Tal, wie sie vielleicht der kühne Jäger des Königs Alfred zu Pferd und mit Hund vollzog, war ein verwöhnter Fürst wie der Eichstätter Bischof oder der Pfalzgraf von Neumarkt nicht imstande; dazu brauchte es tägliches Training, Jugend und Stärke und eine perfekte Körperbeherrschung! Für die jagenden Fürsten und ihr Gefolge umstellten also zunächst viele Treiber das zu jagende Wild und trieben es mit viel Lärm in Richtung der Dörfer Rübling und Jettingsdorf - also gerade zu jenem schmalen Korridor, wo die Scheid-Eiche und daneben die Waldwiese von eben gelegen ist.

Am Anfang des Trichters kam es dann durch zusätzlich eingeschaltete Hundemeuten zur eigentlichen Hatz, d. h. das Tempo bescheunigte sich erheblich. In diesem Bereich werden die Hangkanten durch jene langen und undurchdringlichen Stellhecken gesichert gewesen sein, die ein Ausweichen des Wildes über die Hangwälder verunmöglichten und ab 1523 allmählich entfernt wurden.

Wenn man zuvor von hinten auf die Hecken schlug, so scheuchte dies die verängstigten Tiere zusätzlich auf, gefährte allerdings auch die Waldvögel, die einer eigenen Jagdart unterzogen waren und sonst eher auf den Vogelherden gefangen wurden. Hierzu mehr weiter unten.

Dass die gejagte Tiere ihrerseits zum Entkommen an den Fanghecken vorbei die Weite der südlichen Jurahochebene suchten, ist verständlich. Deshalb wurden sie mit zusätzlichen Fangnetzen gestoppt, die ab 1523 die ausschließliche Fangmethode darstellen sollten. Dass bei einer erfolgreichen Flucht auf das weite Land der Jagderfolg stark gemindert worden wäre, ist originell in einem mittelalterlichen Jagdgedicht bestätigt, der "Jagd der Minne". Hier hört man einen Jagdknecht zu seinem Herrn etwas abschätzig über einen anderen Heckenjäger sagen: "Als ich Euch jetzt sagen will, seine Hund haben nit viel Wildes erjaget über Lant!" [12]

Etwa in Höhe der Scheid-Eiche fand die Treib- und Hetzjagd an quer durch den Waldrand aufgespannten Netzen ein jähes Ende. Die erschöpften Tiere - meist Wildschweine, Rehe und Hirsche - stürzten in die Maschen und verfingen sich. Auch hochziehbare Fangnetze und Schlingen mögen hier zur Anwendung gekommen sein. Hierzu ein paar anschauliche Bilder von Stradanus und anderen Künstlern:

Vor allem letzterer Stich von Stradanus zeigt, wenngleich er eine Vogeljagd darstellt, dass man für die Netzjagd bevorzugt Lichtungen und Waldränder bevorzugte: Die Szenerie könnte direkt bei Rübling entstanden sein! Am Rand des Jagdforstes konnte man bei lichtem Baumbestand ohne größere Gefahr für Leib und Leben die ermatteten Tiere mit dem Spieß abstechen. Selbst weniger jagderfahrene Fürstbischöfe fanden hier wegen der Wilddichte die Chance, ihren speziellen Jagderfolg zu erzielen, u. U. sogar zu Pferd vor den Netzen.

Die Feudaljagd zeigte aber später auch Auswüchse: In der Zeit des Absolutismus perfektionierte man das Netz-Verfahren unter Einsätzen von Lappen und Tuchwänden zum jenem perversen Schauspiel, das das folgende Gemälde zeigt, wo die Damen auf einer Sitztribüne saßen, um beim mörderischen Spiel ihrer adeligen "Helden" zu feixen.

Gemälde von Juan Bautista Martínez del Mazo: Jagd im Tabladillo in Aranjuez, um 1635.

Auf dem Gödenacker mag es etwas gesitteter, allerdings für die Tiere unverändert verhängnisvoll zugegangen sein!

Hier war die Stelle, wo jetzt endlich auch die Bauern an der Jagd "teilnahmen", allerdings ohne an den Trophäen beteiligt zu werden. Kein Wunder, dass sich die Bauernschaft im Jahr 1525, von den Herrschaften nicht nur bei der Jagd weidlich zu derartigen Frondiensten ausgenutzt, zum Bauernaufstand erhoben!

Befassen wir uns am Ende dieses Abschnitts noch ein wenig mit den sogenannten "Vogelherden", die es früher an vielen Orten gab und auch im Grenzvertrag von 1523 eigens erwähnt wurden. Von ihnen müssen nach 1523 einige auf der Hochfläche des Waldes in Grenznähe bestanden haben!

Um es vorweg zu nehmen: Es ist uns mit Hilfe des Laserprofils nicht gelungen, die eichstättischen Vogelherde an heute noch nachweisbaren Erderhebungen genau zu lokalisieren - es sei denn, man möchte eine nicht erhabene, ansonsten aber eigenartige Waldwiese von nur 2400 m2 in der Flur "Kohlmarter" als ehemaligen Vogelherd definieren.

Die entlegene Wiese, auf der heute ein paar verwilderte Obstbäume stehen, könnte durchaus der Anlockung von Vögeln, aber genauso gut der Waldimkerei gedient haben, sozusagen als Zentrum der Zeidelweiden im Wald. Im Mittelalter wurden im Rahmen der Zeidlerei keine Bienenkästen oder Bienenkörbe aufgestellt, wie heute, sondern nur morsche und innen hohle Bäume als Herd für wilde Bienenstämme geeignet präpapiert. Ihnen entnahm man später Bienenvolk, Wabe und Honig zugleich und gewann so den einzigen Süßstoff des Mittelalters!

Für eine Kohlstatt, den Arbeitsplatz eines Köhlers, war die betreffende Wiese - trotz des heutigen Flurnamens! - nicht geeignet: Hier fehlte das zum Temperieren und Löschen der Meiler notwendige Wasser! Eine derartige Kohlstatt befand sich aber einst, wie der Urkataster zeigt, direkt östlich des Hohen Brunnens zu Füßen eines Taleinschnittes. Eine alte Rudertshofener Sage berichtet vom schrecklichen Verbrennungstod eines Köhlers, der seinen Meiler zu heiß betrieben hatte!

Typische Vogelherde sahen folgendermaßen aus:

Es handelte sich meistens um ovaläre Geländeerhabenheiten, auf denen einerseits Waldvögel angefüttert wurden, auf denen aber auch eine fest installierte Fangvorrichtung in Form von fernbedienbaren Klappnetzen vorhanden war. Bedient wurde diese Fangmechanik von einem getarnten Häuschen oder Unterstand aus. Damit der Vogelherd schon in der Anfütterungszeit gut beobachtet werden konnte, gab es in der Nähe oft einen Sitzhügel, der später oft mir einem solitären Grabhügel verwechselt wurde. In der italienischen Fachspache hieß ein solcher Ansitz "il roccolo", zu bayerisch "das Rockerl"!

Historische Bilder vom Vogelfang an einem Vogelherd haben sich kaum erhalten, es gibt aber einige Bildallegorien, die in sexueller Konnotation den Weiber- oder Männerfang darstellen und dabei die Disposition eines Vogelherdes von einst gut wiedergeben:

Dieser Stich aus unbekannter Hand symbolisiert die sexuelle Verderbtheit des Klerus. Denkt man sich die Personen als Vögel, so hat man hier alle notwendigen Accessoires eines mittelalterlichen Vogelherdes beieinander: Gut erkennbar sind die Klappnetze, deren Zugvorichtung in das getarnte Häuschen zur Linken verlief.

Die folgenden beiden Darstellungen stammen aus einem lesenswerten Aufsatz von Prof. Dr. Hermann Rusam, der sich intensiv mit den Vogelherden seiner fränkischen Heimat befasst hat. Sie sind auf der Webseite von Mögeldorf wiedergegeben. [Link] Wir bedanken uns für die freundliche Überlassung!

Links der Vogelherd Georg Bayers bei Schloss Schoppershof, in einer Handschrift aus dem 16. Jahrhundert (heute Stadtbibliothek Nürnberg, Handschriftenabteilung). Rechts eine erneute Rüge des Klerus: Ein Einsiedler-Mönch hat einen für ihn bedeutsamen Fang in Form einer Nonne gemacht (Aquarell aus einem Nürnberger Stammbuch, heute im Stadtarchiv Nürnberg). In der Darstellung links wurden Lockvögel in Vogelbauern an Bäume im Umkreis gehängt, in der Darstellung rechts gab es dafür sogar eigene Stangen.

Die begehrteste Vogelart, die auf diese Weise gefangen wurde, war die Wacholderdrossel, im Mittelalter auch Krammetsvogel genannt. [Link] Für größere Vogelarten behielt man sich die normale Netzjagd vor (siehe auch Abbildung oben).

Der gewerbliche Vogelfang ist inzwischen in Deutschland verboten, die alten Vogelherde sind vergessen. Nur an Stellen, an denen zu Ihrer Errichtung Erdbewegungen durchgeführt und später nicht wieder beseitigt wurden, sind noch Relikte erkennbar. Wir schließen mit dem Laser Scan eines bekannten Vogelherdes bei Taiting bei Ausburg. Im zugehörigen Wikipedia-Artikel wird auf verfügbare Fachliteratur verwiesen: [Link].

Erdwerk im Taitinger Holz, westlich von Augsburg, in Nähe des Flüsschens Paar.

Eine verglichbare Formation haben wir, wie bereits gesagt, im Wald des Gödenacker trotz sorgfältiger Suche nicht ausmachen können, insofern können wir über die Lage der im Grenzvertrag von 1523 beschriebenen Vogelherde nichts weiter aussagen!

 

Damit endet dieser anschauliche Zyklus an Bildern über die Jagd- und Fang-Methoden des Mittelalters. Es scheint, als wäre damals ein wesentlich höheres Knowhow als bei der heutigen Schießjagd nötig gewesen!

Wir kehren zurück zum westlichen Ende des Gödenacker, das aufgrund seiner Oberflächengestalt als Fangplatz bei der Rot- und Schwarzwild-Jagd für die Fürsten geeignet war wie kein zweiter!

Am Ende der Jagd oblag es den Fuhrknechten und örtlichen Bauern, die "Strecke", d. h. das erlegte Hochwild, in Fuhrwerken abzutransportieren, was wegen des ebenen Terrains in Richtung der angrenzenden Dörfer relativ bequem von statten ging. Folgende Abbildungen zeigen die Konfiguration dazu geeigneter "Pürschwägen":

 

Bei der Jagd benötigte Fahrzeuge, aus Hans Friedrich von Fleming: Des Vollkommenen Teutschen Jägers Anderer Haupt=Theil, Leipzig 1724, Bildseite nach Textseite 170.

Es war sogar möglich, an dieser Stelle am Ausgang des Waldes das Wild, das man für die herrschaftlichen "Brühle" lebend gefangen hatte, in provisorisch hergerichteten Koppeln, die man mit Hecken oder Zäunen eingefriedet hatte, eine Zeit lang zu hegen.

Dafür finden wir ein sehr starkes Indiz in einem Flurnamen, der sich im Urkatasterblatt aus der Zeit um 1820 erhalten hat: In der Waldrodungszone, die wir schon eingangs vorgestellt haben, hat sich als nördlichstes Freifeld, knapp unterhalb der mittelalterlichen Steinbrüche, der Name "Irfang Äcker" erhalten.

Auszug aus dem Urkatasterblatt.

Der Name "Irfang Aecker" muss verschrieben sein, denn in der gesamten mittelalterlichen Literatur sowie in den etymologischen, alt- und mittelhochdeutschen Lexika und Wörterbüchern wird man den Begriff "Irfang" vergebens suchen. Sehr bekannt war jedoch der Begriff "Infang", häufig auch "Infanc" geschrieben. Dieser Terminus gilt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für die "Irfang Aecker": Sie müssen einst "Infang Äcker" oder "Äcker am Infang" geheißen haben. Zum Wort "Infang" findet man nun sehr viele Textstellen. Wir beschränken uns zur Erklärung des Grundbegriffs auf die Wörterbücher von Lexer und Müller, wo wiederum Schmeller, Grimm und weitere Autoren angeführt sind. [13]

Infang bedeutet also zunächst: umzäunter oder eingeheckter Weidebezirk im Brachland oder Wald. Letzteres Zitat aus der Gallia Christiana verweist aber auch speziell auf ein Wildtiergehege, einen sogenannten "Brühl". Drei weitere Quellen unterstützen diese Deutungen und weisen zusätzlich auf die herrschaftlichen Ansprüche an einem solchen Ort im Wald in oder stellen einen Zusammenhang mit den Jagdhecken her, die wiederum mit dem altertümlichen Begriff "Hag" (fr. "la haye") verbunden werden.

Gut möglich ist es, dass sich der Begriff auch konkret auf Fang-Gehege oder sogar auf Fallgruben für Wildtiere bezog, denn im Grimm'schen Wörterbuch, Bd. 12, Sp. 2112, findet sich in diesem Sinne auch eine Nebenbedeutung: "Öffnung, die etwas empfängt oder aufnimmt."

Und so etwa stellen wir uns einen mittelalterlichen "Infanc" entsprechend der Hauptbedeutung vor, wobei jedoch der Umfang stark variieren konnte und an Stelle von Holz- oder Flechtzäunen auch ein lebender Zaun mit Hecken denkbar ist. Undurchdringliche Hecken mit angeschnittenen und umgebogenen Bäumchen und Einweben von Dornengestrüpp zu bauen, war schon bei den Kelten eine bestens gewährte Kunst! Julius Caesar persönlich berichtete davon bei seinem Kampf gegen die Nervier im 2. Kriegsjahr des Gallischen Krieges, im Jahr 57 vor Christus (Buch 2, Kap. 17).

Unter Berücksicht aller Gegebenheiten und Phänomene halten wir die "Irfang Äcker" des Königreichs Bayern um das Relikt eines früh- oder hochmittelalterlichen Einfriedungsbezirks, also für eine besondere Art alten Rodungslandes, welches während der Jagdsaison als Fang- und Aufbewahrungsort für lebend gefangene Wildtiere diente, im Rest des Jahres aber als Viehkoppel als Ergänzung zur Waldweide herhielt - z. B. auch als Schutz der Rinder und Schweine vor wilden Tieren. Solche Bezirke, die alternativ auch "Bifang" genannt wurden, unterstanden nämlich im Gegensatz zur Allmende nicht dem allgemeinen Flurzwang, sondern einem Bestimmungszweck, den der jeweilige Grundherr definierte.

Die oben erwähnte Waldwiese ist der letzte Rest dieser multifunktionellen Zone des Gödenacker! Und stellenweise besteht hier eine Optik, die tatsächlich an einen "Infang" erinnert!

Im Westen des "Infangs" verblieb knapp unterhalb der Hangkante ein schmaler Waldstreifen, der - da um 1800 kein Königswald und selbst heute kein Staatswald, sondern Privatwald - wohl einst der gemeinfreien Allmende von Rübling entsprach, also jener Passage auf halber Höhe, über die man im Herbst und Winter die Schweine am "Infang" vorbei hinauf ins "Geäcker", also zur Eichel- und Bucheckern-Mast im Laubwald trieb.

Folgende, sicherlich hypothetische Karte verdeutlicht abschließend nochmals die Zentralfunktion der waldfreien Zone bei der Treib- und Hetzjagd der Bischöfe von Eichstätt ab 1080:

Grüne Zone = der eingeheckte Bezirk des Infang, violette Zone = Zone der Fanghecken und Fangnetze, gelbe Linien = eventuelle Stellhecken, blaue Pfeile = Fluchtrichtung des Wildes, rote Punkte = Treibergürtel, graue Pfeile = Abtransport des Wildes in Richtung Berching und Eichstätt.

 

Der Gödenacker und die Juthungen

Der gerodete Bezirk zwischen den Westhängen des Juramassives und dem Westende des späteren Spitalwaldes mit der Scheid-Eiche hatte also eine zentrale und entscheidende Funktion für das gesamte Jagdgebiet des Gödenacker. Und für das gewonnene Holz dürfte er zumindest auf eichstättischer Seite auch Sammel- und Umschlagsplatz gewesen sein!

Mehr noch: Die davon abhängigen weiten Waldgebiete waren nichts anderes als Adnexe.

Genau dieses gibt der Vertrag von 1523 wieder:

Zur Rekapitulation: "Der Jedenacker mit allen anstossenden Gehülzen" - das heißt nichts anderes, als dass der Gödenacker (wir verwenden nach wie vor die moderne Schreibweise) selbst gar kein Wald war, sondern der Rodungsbezirk bei den "Irfang Äckern" des 19. Jahrhunderts oder der oben abgebildeten Waldwiese von heute! Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ging die baumfreie Zone fast bis an die eichstättische Grenze, also zur Kante der Seligenportner Waldhänge und des "Plankstetter Buck".

Der Pfalzgraf und spätere Kurfürst der Pfalz, Friedrich der Weise, erhielt mit den Begriffen "Mitgejaidt und Ehrkund" nun auf Ehrenwort die Möglichkeit zur eigenen Hetz- und Netzjagd von der Südseite des Waldes, von Rübling und Jettingsdorf her. Und anders ging es auch nicht:

Sämtliche in der Botmäßigkeit der Kurpfalz stehenden Waldgebiete oberhalb von Erasbach waren trotz ihres Wildreichtums für die Jagd wegen der steil abfallenden Flanken an allen Seiten und der Grenze im Süden denkbar ungeeignet. Der neue Korridor von 1523 schuf dem Herrn der Kuroberpfalz nun zuvor ungeahnte Jagd-Möglichkeiten!

Sein naher Verwandter aus dem Haus Pfalz-Simmern, Kurfürst Johann Kasimir, wird ca. 60 Jahre später, genau im Jahr 1582, die Jagdmöglichkeiten des Gödenacker sehr schätzen:

"Ist ein großer Holzwachs, zwei Meilen von Neumarkt, der Gettnacker genannt, eine ziemliche Meile lang, welcher zwischen der Pfalz und dem Bischof von Eichstätt ein Ehekamm ist. Es gibt dort Hirsche und Wildpret und in der Schweinehatz gute Schweine..." [14]

Wenn der Heimatforscher Simon Federhofer in der bereits oben zitierten Arbeit von 1991 schrieb "Ob die bewaldete Hochfläche je ein Acker war, muss dahin gestellt bleiben", so kann er sich über die Disposition des Ackers keine weitergehenden Gedanken gemacht haben. [15]

  • Denn zum einen bezeichnete das Wort "Acker", das schon im Lateinischen als "ager" bekannt ist, aber auch in vielen anderen indogermanischen Sprachen ähnlich vorkommt, in jedem Fall die aufgeworfene Erde zwischen den Furchen, die ein Pflug gezogen hat, also klar ein für den Feldbau oder die Weide hergerichtetes Rodungsland!

    Auszug aus dem Deutschen Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm, Leipzig 1854, Bd. 1, Sp. 173, mit Zitat aus dem Goethe-Wörterbuch

  • Zum anderen hätte ein Blick auf die Karte sehr wohl verraten, wo dieses Ackerland zu suchen ist - zwischen der Scheid-Eiche und dem Ehekamm!
Wenn es also bei der Suche nach der Bedeutung des Namens "Gödenacker" und seiner Varianten um die Erstbenennung des Feldes im Rahmen der Ur-Rodung geht, dann müssen wir unter Umständen weit zurückgehen. So blenden wir vor die Zeit der Eichstätter Bischöfe und der Pabonen zurück - in die Zeit der ersten Landnahme. Wann diese stattgefunden hat, wird noch zu definieren sein!

Rekapitulieren wir zuerst die Varianten der Schreibweise des Gödenacker aus den bekannten Dokumenten. Von der Schreibweise "Gödenacker", die heute auf allen Forstkarten üblich ist und auch in dieser Arbeit der Einfachheit halber Verwendung fand, müssen wir uns dabei ein Stück weit lösen, denn sie tritt das erste Mal als Stichwort in Bundschuhs Lexikon von Franken aus dem Jahr 1800 auf, also relativ spät! Dabei war Bundschuh nicht einmal konsequent, denn in einem anderen Artikel über den Kesselberg ist von "Geyeracker", einem Koppelweidplatz bei Rübling, die Rede. Vor Bundschuh wurde der Gödenacker ganz anders benannt und beschrieben:

Es folgt unsere sicher nicht vollständige Liste der historischen Schreibweisen in chronologischer Reihenfolge, die vermutlich der jeweiligen Sprechweise folgte:

  • 1305 (Gaimersheimer Vertrag): Getenaker resp. Getenakher
  • 1519 (Huetbeschreibung von Weidenwang): Geyern Acker
  • 1523 (Grenzvertrag Hochstift Eichstätt-Kurpfalz): Fettenackher (F sicher verschrieben), in der Folge mehrfach Jedenacker
  • 1568 (Landtafeln des Philipp Apian): Gettnacker
  • 1582 (Kurfürst Johann Kasimir): Gettnacker
  • 1663 (Karte von Nikolaus Rittershausen): Gytenacker
  • 1683 (Karte von Nikolaus Rittershausen, Nachdruck): Geytenacker
  • 1768 (Karte von Adrian Riedl): Jettenacker
  • 1800 (Bundschuh, Lexikon von Franken): Gödenacker, alternativ Geyeracker
  • 1816 (Topographische Karte): Jettenacker (siehe Bild)
  • 1867 (Topogr.-stat. Handbuch Königreich Bayerns): Jettenacker
Topographische Karte des Königreichs Bayern von 1816, Detail: "Königliche Waldung Jettenacker". Gut erkennbar eine zusätzliche Rodungszone nördlich des "Infangs".

Auf Details der Lautbildung können und wollen wir uns nicht einlassen, das müsste man Sprachhistorikern und Linguistikern überlassen. Aber auch für den Laien ist erkennbar:

Der Gödenacker wurde früher vokalisch heller, mit -e- statt -ö-, und konsonantisch in weichen und harten Anlaut- und Zentrallaut-Varianten ausgesprochen (alternativ -g- und -j- und -d-, -t- und -tt- sowie diphthongisch -ey-). Eine konstante Entwicklung von der einen zu der anderen Schreib- und Sprechweise ist für uns dabei nicht erkennbar.

Dass das Wort "Gödenacker" trotz der Gleichsilbigkeit vom altertümlichen Wort "Göd", "God" oder "Göde", dem Synonym für "Pate", herkommt, wollen wir von vornherein ausschließen, denn dies ließe sich mit den alten Varianten von Göden-acker (Jeden-, Jetten-) nicht in Einklang bringen! [16]

Untersuchen wir deshalb erneut ein wenig die Historie:

  • Frühgeschichtliche Periode resp. Keltenzeit:

    Dass der Gödenacker als Waldgebiet bereits ab 1000 v. Chr. keltischer Begräbnisraum war, müssen wir aufgrund des gesehenen Grabhügelfeldes über dem Hohen Brunnen nicht mehr beweisen: Es ist sicher. Indes hat sich damit nicht geklärt, ob er auch Siedlungsraum der Kelten war. Während auf Nachbarbergen wie dem Schlüpfel- oder Buchberg Ringwallanlagen als prähistorischer Besiedlungsbeweis vorliegen, ja z. T. sogar Funde bis in die Steinzeit zurückgehen, gehen wir bislang auf dem Gödenacker leer aus. Dass einst unten im Sulztal bei Pollanten eine der bedeutendsten keltischen Metallverarbeitungsplätze der Kelten war, ist unbenommen.

    Oben auf dem Gödenacker gibt es aber bis dato keinen Siedlungsbeweis: Weder für die Kelten noch für ein noch früheres Volk!

    Hinweise auf einen sehr frühen Feldbau, der der Bewaldung des Mittelalters vorausging (vgl. nachfolgendes Bodenprofil), gibt es dagegen schon; nur wissen wir aktuell noch nichts Genaues über die Zeitstellung.

    Immerhin rechtfertigen sie als wahrscheinliche Relikte der Frühgeschichte (nach Volker Arnold) bereits den Begriff "Acker".

    Ein Raster von uralten Feldrainen auf dem Gödenacker, als schwache Wälle gerade noch erkennbar. Dazwischen viele Harvesterspuren.


    Der Interpretation Simon Federhofers, der in oben zitierter Arbeit von 1991 die Hypothese aufstellte, Gödenacker bedeute nichts anderes als Kelten-Acker, schließen wir uns aber aus sprachlichen und sachlichen Gründen nicht an, zumindest, was das erste Wort des Kompositum betrifft.

  • Dass diese Ackerflächen von und nach den Kelten benannt wurden, ist eher abwegig. Für den von Federhofer definierten Begiff "Kelten-Acker"  unterstellte Federhofer eine mundartliche Lautverschiebung von -l- zu -j-, die jedoch nur für das mittelbayerische Idiom südlich der Donau zutrifft, nicht aber für das nordbayerisch-oberpfälzische. Zweitens zweifelte er im Gegensatz zu uns, aber zur Abschwächung der eigenen Deutung, am Vorliegen eines "Ackers" auf der Hochfläche. Drittens unterstellte er mit den beiden Erstsilben "Kel-ten" ein Wort, das nicht vom betreffenden Volk der Kelten selbst stammt, das seinerzeit in zahllose Einzelstämme und Mundarten untergliedert gewesen sein dürfte und keinerlei Schriftzeugnisse über einen übergeordneten Nationennamen hinterließ, den es so gar nicht gegeben haben dürfte. Dass sich die Kelten in ihrem Rodungsland selbst nicht als Einzelstamm, sondern als übergeordnete Nation namentlich verewigt hätten, halten wir für ausgeschlossen. Es war lediglich der griechische Schriftsteller Herodot (480-424 v. Chr.) gewesen, der den Sammelbegriff "Celtoi" übernahm. Zum Allgemeingut wurde das Wort "Celtoi" erst in der Neuzeit, so dass es für den Gödenacker auch nicht während des Mittelalters - sozusagen als Erinnerungsbegriff - wortbildend gewesen sein könnte.

    Der Gödenacker als "Kelten-Acker" geht damit definitiv nicht durch!

    Setzen wir deshalb unsere Suche fort:

  • Hat die Trias Jettenacker, Jettingsdorf, Jettenhofen eine gemeinsame Sprachwurzel?

    Der Gödenacker wurde früher nicht selten als Jettenacker bezeichnet. Damit lautet der erste Teil ähnlich wie das benachbarte Jettingsdorf oder auch das etwas weiter entfernte Jettenhofen, in dessen Nähe sich obendrein eine Art von "Keltenschanze" befindet (oben auf dem Berg bei Stierbaum; u. E. eher ein mittelalterlicher "Infang"). Läßt sich aus der Silbengleichhheit eine Erklärung für das Wort "Gödenacker" ableiten?

    Das Wort "Jettingsdorf" ist ein Kunstprodukt der Neuzeit. Im Hochmittelalter, genau im Jahr 1186, hieß der Ort "Ydungesdorf". Nebenbei: Da er in dieser Schreibweise zusammen mit dem nahen Ort Biberbach bei Plankstetten in einer Papstbulle Urbans III. vorkommt, ist er als damaliger Pabonensitz ge-outet! Zur Begründung siehe unsere Schutzkirchenarbeit mit Link oben. Anlässlich der Verhandlungen für den Gaimersheimer Vertrag von 1305 (Auseinandersetzung des Hirschbacher Erbes) taucht die Ansiedlung erneut als Ydungsdorf (zusammen mit Riblingen) oder Ydingsdorf, an anderer Stelle sogar als Uotinsdorf auf, was nun mit dem heute noch gebräuchlichen Dialektnamen "Äingschdorf" gut korreliert. Selbst von Ickstatt nennt es 1751 in seiner Verteidigungsschrift des Landgerichts Hirschberg noch Ydungsdorf. Wann dann das Wort "Jettingsdorf" aktenkundig wurde, wissen wir nicht; es müsste aber erst im 19. Jahrhundert der Fall gewesen sein. Wenn im Urkataster von 1822 der Ort noch als "Iediengsdorf" steht und in späteren Zeiten zu "Iettingsdorf" ausgebessert wurde, dann deutet das in dieselbe Richtung!

    Was den alten Ministerialensitz "Jettenhofen" mit seiner Burg anbelangt, so hieß dieser im Mittelalter in varianter Schreibweise "Uetenhofen", "Uttenhofen" oder "Outinhofen", wie wir vor allem aus den Forschungen Felix Maders und Michael Lefflads wissen. [17]

    Hier deutet sich bereits ein Zusammenhang mit dem Volksstamm an, der einst den Sulzgau besiedelte: die Juthungen!

  • Doch prüfen wir zunächst Alternativen: Stammt der Gödenacker aus germanischer oder karolingischer Zeit und hat sein Name womöglich eine mythologische Bedeutung?

    Achten wir zunächst auf das nahe Berching. Es ist viel zu kurz gegriffen, Berching aufgrund seiner -ing-Endung als eine bajuwarische Gründung des 6. bis 8. Jahrhunderts zu bezeichnen (so unverdrossen auf der Wikipedia-Seite von Berching). Mit einer Vielzahl an Argumenten, welche allerdings noch nicht schriftlich ausformuliert sind, sondern nur in der Kurzfassung eines mündlichen Vortrags vorliegen [Link] (Folien 81ff.), haben wir nachzuweisen versucht, dass auch Berching mit hoher Wahrscheinlichkeit eine juthungische Gründung ist, also die Ortsanfänge bis ins 3., 4. oder 5. Jahrhundert n. Chr. zurückgehen. Dass der nordgermanische Stamm der Juthungen vom großen Volk der jütländischen Kimbern abstammt und um 200 n. Chr. den nordbayerischen Vorlimesraum besiedelte und später in den "Baioarii" aufging, haben wir allerdings inzwischen in einer großen Arbeit nachgewiesen. [Link]

    In dieser Arbeit haben wir mit einem Irrtum aufgeräumt, dem wir selbst lange Zeit aufgesessen sind: Entgegen allen anderslautenden Meldungen (z. B. Ammianus) waren die Juthungen kein alemannischer Volksstamm!

    Da der Eingangsort des Gödenacker, Rübling, als "Riblingen" alle Zeit mit dem Sitz Berching verbunden war und obendrein diesselbe mittelalterliche -ingen-Endung aufweist wie Berching einst, kann man auch bei ihm eine juthungische Gründung ab dem 4. Jahrhundert unterstellen. Wir werden das weiter unten mit zusätzlichen Argumenten untermauern und dabei auch den Nachbarort Jettingsdorf einbeziehen können. Es handelt sich somit um die ältesten Orte auf der Alp westlich von Berching, deutlich älter als die Nachbarorte Stierbaum (einst Stipheim), Viehhausen und Weiherheim (die Keimzelle Burggriesbachs, heute abgegangen), die aufgrund ihrer Namensendungen wohl alle der karolingischen Landnahme im 8. Jahrhundert n. Chr. zuzuordnen sind und damit in jene Zeit zurückgehen, in der auch unten im Sulztal die große "villa Pirihinga" entstand. Dass zur Zeit des Königshofes Berching der Gödenacker zu diesem gehörte, ist insofern plausibel, als nach dem "capitulare de villis", der Landgüterverordnung Karls des Großen, zu einer fränkischen "villa" alles Land gehörte, das ein Reiter an einem Tag umreiten konnte, also einen maximalen Umfang von ca. 35 bis 50 km hatte. Im Fall Berchings war der Gödenacker dabei inbegriffen. Gerade in Rübling aber dürfen wir die Rodungsbauern des Gödenacker suchen, denn dieser Ort lag diesem am nächsten!

    Damit sollte die Landnahme am Gödenacker irgendwann zwischen dem 3. und 8. Jahrhundert von statten gegangen sein!

    Man muss nun zusehen, ob sich für diese Zeitspanne Erklärungsmodelle des Namens "Gödenacker" findet, die eine weitere Eingrenzung zulassen:

    • Die Juthungen waren ihrer Herkunft nach Nord- und Ostsee-Germanen, sie brachten also von der Völkerwanderungszeit her aus dem hohen Norden Sitten und Gebräuche mit nach Süden. Der schlagende Beweis hierfür ist der Fund von drei Pfeilspitzen in einem juthungischen Fürstengrab des frühen 3. Jahrhunderts bei Pollanten oder das Brandgräberfeld von Kauerlach aus derselben Zeit. Solche Grabfunde finden sich gehäuft im hohen Norden - die Bootsurnen der Juthungen (sog. KFP-Keramik) in Jütland und auf den dänischen Inseln, die Pfeilspitzen auch an der Küste von Schleswig-Holstein, weit nördlich der Elbe!

      Gut möglich, dass im Rahmen der Völkerwanderung Teile des nordischen Götterglaubens in unsere Gegend exportiert wurden! Beim sog. Walperlbrunnen oberhalb von Erasbach sind wir uns sicher, dass es sich einst um einen juthungischen Kultplatz handelte, an dem der Gott Ear verehrt wurde (siehe unsere Arbeit zu den Juthungen). Dazu passen aber auch die alten "Druidenbäume", den Bauern heilige "Birnbäume", von denen einer vor 200 Jahren zwischen Jettingsdorf und Rudertshofen stand und ein weiterer zum Buch hin, der erst vor wenigen Jahrzehnten eingegangen ist. Die "Druiden", das war die Priesterkaste der alten Kelten und Germanen!

      Zeichnungen aus einem Büchlein über die Druidenbäume unserer Gegend, von 1826, aus der Hand Dr. Fr. Anton Mayers. In solch alten Büchern des frühen 19. Jahrhunderts mischen sich Irrtümer nicht selten mit heute vergessenen Wahrheiten, so dass es sich durchaus lohnen kann, sie auszuwerten: Links in der Karte die Standorte der beiden "Druidenbäume", von denen der Autor annahm, dass sie von den Alemannen stammen könnten (S. 45). Dass die Römer soweit nördlich des Limes als Baumeister gewirkt und Türme und Schanzen hinterlassen hätten, wie Mayer meinte, entsprach zwar der allgemeinen Ansicht seiner antikenbegeisterten Epoche, gilt aber inzwischen als widerlegt. Insofern stimmt auch bei Mayer die Zuordnung der mittelalterlichen Burgställe zu den Römern nicht (siehe oben). Die Schanze bei Rudertshofen muss keine Keltenschanze gewesen sein und würde auch zu einer früh- bis hochmittelalterlichen Fliehburg passen, derer wir inzwischen in unserer Gegend diverse nachgewiesen haben. Rechts oben die goldenen "Regenbogenschüsselchen", die Dr. Mayer bei Burggriesbach gefunden hatte und dem Stamm der Goten zuordnete. Sie gelten heute als Relikte keltischer Stämme der Latène-Zeit. Die unvollständige Viereckschanze oben bei Stierbaum (in unten stehender Übersichtskarte des Gödenacker schwach als rotes Karo zu erkennen) halten wir nicht für eine keltische Struktur, sondern für einen mittelalterlichen Tierpferch.

      Ähnlich den Regenbogenschüsselchen, aber nicht gleich: Münzen aus dem keltische Goldschatz aus Manching.

      Es ist also grundsätzlich gar nicht so abwegig bzw. nur Ausdruck einer romantischen Verklärung, wenn man in das Wort "Jettenacker" den Namen einer nordgermanischen Halbgöttin namens "Jetta" hineininterpretiert, so wie es einst der Pfarrer Dr. Friedrich Anton Mayer in seinem Büchlein über diese Druidenbäume getan hat. Denn diese Jetta soll als wiedergeborene Wahrsagerin auch bei Heidelberg am sog. "Jettenhügel" verehrt und Gegenstand einer Sage geworden sein, welche wiederum die Gebrüder Grimm überlieferten. Damit wären wir direkt bei Pfalzgraf Friedrich II. angelangt, der am "Jettenacker" die Jagdfreiheiten von 1523 erhielt. Denn dieser hat in seiner Kurfürstenzeit, genau beim Bau seines Heidelberger Schlosses im Jahr 1544, die Überreste der "Jetta" aufgefunden und zur erneuten Verehrung gebracht.

      Für eine Namensgebung des "Jettenackers" bei Rübling war diese Zeit allerdings deutlich zu spät, der Name bestand ja dort bereits seit mindestens 1305. [18] Auch im Harz war übrigens einst von jener "Zauber-Jette" die Rede; sie soll dort auf dem Brocken gelebt haben.

      Später hat man die "Jetta", deren Name sich im Mädchennamen Jette bis heute erhalten hat, als historische Person etwas relativiert und in Zweifel gestellt, doch mit einer germanischen Tradition könnte Dr. Mayer, jener gebildete Pfarrer aus Gelbelsee, dennoch recht gehabt haben.

      Denn in der Mytholgie des Nordens existierte ja nicht nur die singuläre Erscheinung "Jetta", sondern vor allem die weitaus bekannteren "Jetten" als ein sagenhaftes Volk von Riesen! Diese Riesen, die in Jotunheim wohnten und Ymer als Stammvater hatten, aus dessen Leichnam die Erde, aus dessen Blut das Meer, aus dessen Gebeine die Berge und aus dessen Hirnschale der Himmel entstanden, waren zum Beispiel nicht nur für den "Jettenberg" bei Willingshausen namengebend, wo man sogar wie am Gödenacker prähistorische Grabhügel fand. Dokumentiert sind auch ein "Jettenberg" bei Itzehoe (heute ein Straßenname!) und sogar ein "Hilzinger Jettenacker Holz" bei Karlsruhe. Und selbst mit dem Heiligen Lorenz, dem Pfarrpatron von Berching, werden die riesigen Jetten verknüpft, zum Beispiel in der Gründungssage der Domkirche im schwedischen Lund. [19]

      Interessanter als diese Phänomene erscheint uns aber eine Notiz von Franz Xaver Schönwerth in seiner Sammlung Oberpfälzer Sagen. Schönwerth schreibt der Volkssage nach von Erscheinungen des Teufels in Form von sogenannten "Judensteinen" in der Oberpfalz, die jedoch weder von den unschuldigen Juden ihren Namen erhalten haben sollen, noch von den eben genannten "Jetten" als Riesen, sondern vom obersten Gott der Germanen selbst, Odin oder Wotan, der fränkisch "Gôdan" hieß. "G und J gehen ineinander über, wie jetzt noch Gud = Jude, Geses Christes statt Jesus Christus, Jarkoch statt Garkoch, in nördlichen Mundarten jud statt gut gehört wird." So schrieb seinerzeit der gebildete Franz Xaver Schönwerth. [20]

      Sind wir hier dem Gödenacker mit seinen historischen Lautverschiebungen G-J nicht sehr nahe gekommen?

      Hieß der Gödenacker ursprünglich nach ostfränkischem Idiom, das ab dem 8. Jahrhundert speziell bei Berching zu Einfluss gekommen sein dürfte, vielleicht Gôdenacker = Wotans Acker? Wurde daraus später aus Gründen der Lautverschiebung und mythologischen Verwechslung ein Jettenacker = Riesen-Acker?

      Wir wollen eine solche Erklärung des uralten Namens nicht auschließen, haben wir doch die Juthungen und nachfolgend die Karolinger als Kandidaten für die Landnahme und weitere Erschließung am Gödenacker bereits dingfest gemacht! Beide werden durchaus mit Resten der nordgermanischen Mythologie kontaminiert gewesen sein!

    • Und dennoch meinen wir, für dieselbe Zeitspanne eine zwar weniger romantisch überhöhte, dafür aber insofern glaubwürdigere, weil nüchtern an der konkreten historischen Situation orientierte Theorie der Wortbildung Gödenacker - Gettnacker - Jettenacker anbieten zu können:

      Variante 1:

      Im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm, das schon mehrfach zitiert wurde, liest man unter den Stichwort "Gäten" folgende etymologische Erklärung:

      Auszug aus dem Deutschen Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm, Leipzig 1874, Bd. 4, Sp. 1489-1493.

      Hier finden wir unten dem alten Begriff "gäten" nicht nur die Basis des aktuell gebräuchlichen Wortes "jäten", sondern vor allem auch alle Lautverschiebungen, die die Varianten des Wortes "Gödenacker" aufweisen. Dazu zählen nicht nur die G-J-Lautverschiebung und die T-Verdoppelung, sondern vor allem die erklärungsbedürftige Diphthongierung zum weichen "Geyers Acker".

      Wichtig ist der Hinweis auf die lateinischen Grundwörter "evellere" und "runcare". Denn was das heute im Hausgarten gebräuchliche Wort "jäten" nicht wiedergibt, beschreiben diese Basiswörter, deren etymologische Bedeutung wir dem "Großen Georges" von 1913 [21] entnehmen:

      "Evellere" heißt mit der "Wurzel ausreißen", was sich speziell auch auf Bäume bezieht und sehr gut den Vorgang des Rodens und Wurzelziehens beschreibt, und "runcare" enthält als Mitbedeutung das "Glattrichten" und "Unkraut-Mähen", also die Erzeugung von nutzbarem Weideland, so wie z. B. "runco" die Reuthacke des Rodungsbauern beschreibt, die die kleinen Wurzeln entfernt und den Boden vor dem Grasaufwuchs vertikultiert.

      Damit kommen wir zu einer Erklärung, die uns relativ plausibel erscheint:

      Das heute etwas verballhornte "Gödenacker" mit seinen besser verstehbaren historischen Varianten "Getenacker" oder "Jetenacker" bedeutet in der eudeutschen Transkription nichts anderes als der "gejätete Acker" oder besser der "Rodungsacker", womit genau die Umwandlung eines Waldes in offenes Weideland beschrieben ist! Damit sind wir u. U. in der Frühgeschichte angelangt. Denn genau die Situation des Rodens, die Umwandlung von Urwald in landwirtschaftliches Nutzland, liegt am sogenannten "Gödenacker" vor! Dabei dürfte es sich zunächst um eine Brandrodung gehandelt haben, der ein Ausgraben der Baumwurzeln und eine erste Beharkung folgte.

      Die Göttersagen des Nordens müssen wir damit nicht mehr zwingend bemühen.

      Ganz wichtig ist aber auch der Verweis der Gebrüder Grimm, dass das Erklärungswort "gaeten" bereits im Althochdeutschen gebräuchlich war. Althochdeutsch bezeichnet die älteste schriftlich bezeugte Form der hochdeutschen Sprache in der Zeit zwischen 750 und 1050 n. Chr. Demnach könnten es doch die Karolinger gewesen sein, die dem Gödenacker seinen Schriftnamen gaben! Aber wir geben uns auch damit noch nicht zufrieden, denn die zeitliche Begrenzung des Althochdeutschen bezieht sich primär nur auf den Beginn einer systematisch erforschbaren Schriftlichkeit. Einzeln verwertbare Schriftquellen gab es bereits früher, und die vor-althochdeutschen Dialekte reichen noch wesentlich weiter zurück. So bezieht z. B. eines der besten Werke der Sprachforschung den G-J-Übergang bei den Wörtern "gäten" und "jäten" eindeutig auf das Urdeutsche, d. h. den Ausgangspunkt der deutschen Mundarten in vor-althochdeutscher Zeit. [22]

      Auszug aus O. Behaghel: Geschichte der Deutschen Sprache, Strassburg 1911.

      Frappierend war nun für uns, dass dieser Sprachstil auch im Alemannischen, d. h. in den altertümlichen Schweizer und Schwäbischen Dialektbereichen, nachweisbar ist. Besonders gilt dies für den Terminus "Infang", der uns bereits am Westende des "Gödenackers" begenet ist.

      Weitaus häufiger und in weitaus mehr Spielarten können wir ihn nicht nur in alten Quellen, sondern selbst heute noch als lebendiges Sprachgut im ehemaligen Siedlungsgebiet der Alemannen nachweisen:

      • Diverse historische Quellen:

        Wir fanden den "Infang" z. B. im "Einsiedler Urbar" oder im Emmental des Jahres 1569: "Ist ein ingefangen guetli, hus, hof, matten, weid und holtz, alls in eim infang in einer Züni..." Hier bleibt kein Zweifel, dass es sich um einen Einfriedungsbezirk per Zaun handelt! Auch eine Sittener Quelle von 1307 kennt den Begriff "Infang" und vermengt ihn in eine lateinische Formulierung: "quendam infang cui dicitur Ried..." - ein gewisser Infang mit dem Namen Ried... Ried - das ist nun wiederum nichts anderes als Rodung! Selbst im Nordost-Schwarzwald des Jahres 1452 erfahren wir von einem "Infang", nunmehr sogar in einen städtischen, gemauerten Bereich: "... die Obersammlung mit dem Infang, dem kleinen Törle, den steinernen Stiegen..." Weitere Textstellen, die ebenfalls stark in den schwäbisch-alemannischen Raum verweisen, liefert auch das Deutsche Rechtswörterbuch unter dem Stichwort "Einfang": [Link]

      • Lebendiger Sprachgebrauch

        Das "Jaundeutsche Wörterbuch" von 2014 beschreibt einen sehr seltenen, hochalemannischen Dialekt, der nur noch in zwei Dörfern im Jauntal (Bezirk Greyerz, Kanton Freiburg) gesprochen wird. Eines dieser beiden Dörfer heißt "Im Fang", wozu erklärt wird: "Im Fang" ist eine Nebenform des Namens "Bifang" und "Infang", was "eingefriedigtes Land, Wiese oder Acker" bedeutet. [Link]

        Das "Liechtensteiner Namenbuch" ist ebenfalls ein Forschungsprojekt unserer Tage, nunmehr zu den Flurnamen von nur 11 Gemeinden einer Dialektinsel des Alt-Alemannischen im Fürstentum Liechtenstein. [Link] Seine Spezialwörter sind mittlerweile in 6 umfangreichen Bänden erfasst. Das Namenbuch äußert sich zum Stichwort "Fang" mit zugehörigen Quellenangaben folgendermaßen:

        "Fang: mhd. vanc m. 'der Fang, das Auffangende, das Umfangende'. Deverbale zu mhd. vahen 'fangen, auffangen, festhalten'. Fang und die (auf verbaler Ebene) «präfigierten» Ifang und Bifang m. [...] gehören teilweise zu den frühen Landgewinnungsnamen der alemannischen Rodungszeit, wobei Fang namengeographisch [...] auf die innere und westliche Schweiz begrenzt ist."

        Fast möchte man ergänzen: "...und in der westlichen Oberpfalz nachweisbar!". Mit dem alemannischen Mundartausdruck "I-fang" an Stelle von "In-fang" hätten wir auch einen fließenden Übergang zur Fehlform des "Ir-fang" in Urkatasterblatt des Gödenacker. Ein mündlich gedehntes "I-fang" kann leicht von einem nicht-kundigen Schreiber als "Ir-fang" verstanden worden sein!

      Variante 2:

      Nicht zuletzt kann auch der Stamm der Juthungen selbst im Begriff "Gödenacker" verborgen sein, vor allem dann, wenn berücksichtigt, dass das Name des nahen Jettenhofen um 1060 noch "Uotinhofen" alias "Utinhofen" geheißen hat. Dies wurde bereits erwähnt. In "Uotin" oder auch "Outin" verbirgt sich das aus Dänemark bekannte "Yding" - als Synonym für den dort ursprünglich heimischen "Juthungen"! Wir werden gleich noch ausführlicher auf diese Ableitung zurückkommen.

      Interessanterweise gibt es in Baden-Württemberg, genauer gesagt zwischen Tübingen und Reutlingen, den kleinen Ort "Jettenburg", der eine ähnliche etymologische Ableitung bietet: Um 1100 soll die dortige Burg, die wohl an einem gleichnamigen Brückenbauwerk lag, noch "Utinbrugge" geheißen haben.

      Sollte es eine Abteilung der viel weiter östlich und vor allem nördlich der Limes siedelnden Juthungen bis hierher geschafft haben?

      Wir wollen dies nicht apodiktisch behaupten, denn Alemannen und Juthungen müssen ethnisch sauber von einander unterschieden werden, und wir befinden uns hier tief im Alemannischen. Man vergleiche hierzu nochmals unsere bereits erwähnte und verlinkte Arbeit zu den Juthungen.

      Wir schließen aber den Zusammenhang auch nicht aus, denn die juthungische Läten-Siedlung von Gauting bei München - "Gautinger" war der mittelalterliche Name der Juthungen, nach Aventinus - liegt z. B. auch nicht im Kernland der Juthungen, sondern im einstmaligen Dekumatland des Römischen Reiches, das römisch und germanisch besiedelt war. Und dasselbe gilt nun auch Jettenburg!

      Warum haben wir diese Idiome aus dem Bereich des ehemaligen Alemannien so ausführlich dargestellt?

      Sie belegen auch ohne historischen Schriftbeweis, dass einige der genannten Ortsangaben etymologisch im ehemaligen Alemannien verankert sind und dort über lange Zeit in Gebrauch waren, und dies vielleicht sogar noch weitaus mehr als in unserer Region. Auch die Alemannen, wohl ein Vielvölkergemisch, das sich aus politischen Gründen (Bekämpfung der Römer) zusammengefunden hatte, kamen aus dem Norden.

      Deswegen, und wegen der unmittelbaren Nachbarschaft zu den hier ansässigen Juthungen, mögen diese Begriffe, die auf noch viel frühere Zeit zurückweisen, in unseren Sprachraum eingedrungen sein, vielleicht im 3. bis 5. Jahrhundert!

      Juthungen auf der Suche nach neuen Siedlungsgebieten.

      Es waren demnach nicht die Karolinger, sondern die Juthungen bzw. deren sesshaft gewordenen Nachfahren, die auf den Überresten frühgeschichtlicher Siedlungskammern die Talsiedlungen "Berchingen" und Höhendörfer "Riblingen" - mit der alemannischen -ingen-Endung! - und auch "Jettingsdorf" gründeten!

      Schon bei Rübling liegt dies ganz nahe! Felix Mader meinte einst, es seien Bajuwaren unter der Führung eines Häuptling Rupilo gewesen, der der Niederlassung zum späteren Namen Rupilingen oder Riblingen (Ickstatt 1751) = Rübling verhalf. Heute wissen wir: Volk und Zeit stimmten bei Mader nicht, dagegen der Name, denn Rupilo kommt aus dem Alemannischen. [23] Kein Wunder also, wenn sich analog auch ein Ort "Rieblingen" bei Wertingen in Schwaben findet.

      Bei Berching ist es ja nicht anders: In "Birkingen" am Südrand des Schwarzwaldes, bei Waldshut, stand einst ebenfalls eine "villa Pirichinga" (Urkunde von 585, Kloster St. Gallen).

      Den endgültigen Beweis erhalten wir mit Jettingsdorf! Konnten wir zwischen dem "Gödenacker" und "Jettingsdorf" keinen etymologischen Zusammenhang herstellen, so gelingt dies umso mehr bei Jettingsdorf und den Juthungen. Dazu gehen wir noch einmal auf den mittelalterlichen Wortstamm "Ydung" oder "Yding" zurück, den wir bereits oben geschildert haben. Das "Reallexikon der Germanischen Altertumskunde", das uns in seiner Originalversion von 1913-1917 (vier Bände) und in seiner aktualisierten Form von 2000 (bis jetzt 81 Bände!) vorliegt, äußert sich hierzu unmissverständlich:

      Das Wort "Juthungen" bedeutet für diesen Teilstamm der Sueben übersetzt "die echten Abkömmlinge" und geht auf den Wortstamm "i(j)od" zurück, aus dem dann im Althochdeutschen "eodunc" und mittelhochdeutsch "jedunc" wurde. Dies bestätigt u. a. ein Originalzeugnis, ein in Köln gefundener Matronenstein mit der lateinischen Aufschrift "suebis euthungabus", ist so aber auch in einen Personennamen (altbairisch "Eodunc", gotisch "Eutharicus") eingeflossen und findet sich als Toponym heute noch in dem schwedischen "Yddinge" (Ortsname im südschwedischen Schonen). [24]

      Wir konnten den Namen aber auch in Dänemark nachweisen: "Yding" heißt ein Ort direkt neben der höchsten Erhebung des dänischen Festlandes, der "Yding Skovhøj" (Ydinger Waldhöhe 173 m), südwestlich von Aarhus. Die Orte liegen in den alten Stammesgebieten dieses nordgermanischen Volkes, die heute meist den Elb-Germanien zugeordnet werden, aber durchaus weiter nördlich, im dänischen Jütland und Südschweden beheimatet waren und von den alten Kimbern abstammten. Was die Juthungen und den bei Caesar im Gallischen Krieg erwähnten Stamm der Eudusier, aus denen sie hervorgegangen sind, betrifft, so hat bereits der Sprachforscher Ernst Schwarz 1954 auf Jütland als Ausgangsort verwiesen! [25] Nun fällt selbst dem Laien die frappierende Übereinstimmung zwischen dem schwedischen und dänischen "Yddinge-Yding" und dem hiesigen "Ydings"- oder "Ydungesdorf" ins Auge.

      Mit dieser Analogie besteht für uns kein Zweifel:

      Jettingsdorf hieß ursprünglich nichts anderes als "Juthungsdorf", so wie Jettenhofen nicht anderes als der "Hof eines Juthungen" war! Nun wird bei Jettingsdorf auch seine eigenartige Aussprache, die so gar nichts mit den doppelten -t- im heutigen Ortsnamen zu tun hat, verständlich: Das weiche -sch- in "Aingsch" entspricht einem Idiom, das dem Alemannischen ähnelt (vgl. das schwäbischen"muscht" fur das hochdeutschen Wort "musst" oder dem "Augsch" in "Augsburg").

      Mit den toponym-prägenden Eigennamen "Rupilo" und "Yding" können wir nun die Juthungen für eine sehr frühe Zeit (3.- 5. Jahrhundert) auch auf der Jura-Höhe als gegeben ansehen!

      Damit ist nicht nur ein weiterer Beweis für die Präsenz der Juthungen im Sulzgau, sondern auch für die juthungische Herkunft Berchings erbracht, die wir aufgrund anderer Indizien bereits lange zuvor angenommen hatten!

      Am ehesten erfolgte bei den von Norden eingewanderten Juthungen die Aufgabe des Wanderlebens und die Sesshaftwerdung schon zum Beginn des 2. Jahrhunderts. Die ausführliche Begründung findet sich in unserer Schwerpunkt-Arbeit zu den Juthungen. Die Jthungen ließen sich nach mehrfachen Einfällen nach Raetien nördlich des untergegangenen Limes im Sulztal nieder und vermischten sich wohl mit der Urbevölkerung, mussten aber später in Teilen nach Südböhmen abwandern, um nach ihrer Rückkehr zu Beginn des 6. Jahrhunderts in den Bajuwaren aufzugehen. Aber auch dann waren sie noch immer sehr stolz auf ihre nordische Herkunft und nannten sich deshalb "die echten Nachkömmlinge"! Der größere Teil der Juthungen gab in seiner Aversion gegen alles Römische nicht nach, war ihnen doch durch die Römer über mitgespielt worden. Siehe dazu unsere Arbeit zur Caracalla-Schlacht des Jahres 213 n. Chr., die mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade auf dem Ostende des Gödenacker, beim oben erwähnten Ehekamm, stattfand. [Link] Ein kleiner Teil dieser kampferprobten Germanen trat allerdings später in römische Söldnerdienste, kämpfte in Ägypten und Syrien, am Nil und am Euphrat, wie die "Notitia dignitatum", ein spätrömisches Verwaltungshandbuch aus der Zeit um 430 n. Chr. aufweist:

      Auszüge aus historischen Ausgabe der "Notitia dignitatum" von Philipp Labbé aus dem Jahr 1651.

      Aus diesen Stammesanteilen, den Läten (aus lat. "laeti") entstanden später die besagten Siedlungen im Dekumatland, vielleicht auch der Ort Jettenburg bei Tübingen! Das war aber der kleinere Teil, der weitaus größere Teil der Juthungen blieb, abgesehen von Einfällen, nördlich des Limes - und den Römern sehr feindlich gesinnt.

      Bei dem massiven Bevölkerungsdruck aus dem Norden konnten die Römer der "provincia raetia" den "Limes" als Demarkationslinie auf Dauer nicht mehr halten, so dass sich im 5. Jahrhundert in etwa folgende Situation ergab:

      Das Stammesgebiet der Juthungen ördlich der Donau. Roter Punkt = Berching. Auszug aus dem Film: Die Alamannen - Wotans Krieger stürmen das Imperium, in Youtube unter folgendem [Link].

      Nach dem Abzug des Stammes nach Böhmen waren Reste der Juthungen zurückgeblieben. Diese  entschlossen sich eines Tages, die Talgründe der Sulz zu verlassen und sich auf der Jurahöhe niederzulassen, weil man die dortigen Felder aus früherer Zeit wieder in fruchtbares Ackerland umwandeln wollte und die angrenzenden Wälder als hervorragendes Jagd- und Schweinezucht-Gebiet identifiziert hatte.

      Salzburger Kalendarium aus dem Jahr 818 (Codex 387 ÖNB), für die Monate Oktober bis Dezember: Die Weinlese im Oktober zur Linken tut hier nichts zur Sache. Die Hausschweine wurden meist Anfang November ins "Geäcker" getrieben und dort mehrwöchig gemästet, ehe sie gegen Ende Dezember geschlachtet wurden. Nur die kalte Jahreszeit war wegen des leicht verderblichen Fleisches zur Schlachtung geeignet!

      Nach Abschluss ihrer Rodungswerks nannten diese Juthungen die Felder für Ackerbau und Viehzucht zwischen den Wäldern einfach "den Juthungenacker" - oder weniger wahrscheinlich den "gejäteten Acker" -, woraus im Lauf der Zeit der "Jettenacker" wurde. Eine dazugehörige, mit Hecken oder Zäunen umringte Koppel im Bereich des Fangzone des Wildes erhielt später den Namen "Infang"!

      Ab dem 6. Jahrhundert nannten sich die aus Böhmen rückgewanderten Juthungen, die sich mit ihrem im Nordgau verbliebenen Stammesbrüdern vermischten, "Bajuwaren"; ihnen war die Gründung des Dukats Bayern zu verdanken, durch einen Kooperationsvertrag mit den fränkischen Merowingern unter Chlodwig I. - gegen die Goten. Ab der Mitte des 8. Jahrhunderts gerieten die Juthungen unter die Botmäßigkeit der wesentlich aggressiveren karolingischen Franken, die sich an frühere Abmachungen nicht mehr hielten. Ein Teil der Juthungen, der seine alten Freiheiten nicht aufgeben wollte, brach hierauf nochmals auf, um sich auf den unwegsamen Höhen der Südalpen niderzulassen, wo Reste des Stammes noch heute als sog. "Cimbri" = Zimbern nachweisbar sind.

      Von dieser Zeit an schwand im Nordgau die Erinnerung an Juthungen, doch ihre Tradition und Sprache erhielt sich in einigen Toponymen und Mundartausdrücken unserer Gegend, wie z. B. in "Bacham" oder "Aingschdorf".

      Um zum Thema "Juthungen" dem Leser auch optische Eindrücke zu vermitteln, folgen nochmals ein paar Bilder:

      Die Juthungen in der "Tabula Peutingeriana", einer römischen Straßenkarte von ca. 375 n. Chr. (oben Kopie aus dem 12. Jhd., Cod. 324 ÖNB Wien, unten besser lesbare Kopie von Conrad Miller 1887/88): Das Wort "jutugi" (so!) findet sich ganz am Oberrand der Karte und ist in den Namen der weiter östlich angesiedelten Stamm der Quaden hineinverschränkt, da zur Linken der Karte kein weiterer PLatz für einen germanischen Stamm war.

      Juthungische Glasperlenkette aus einem Brandgrab in Berching, Pollanten, 4. Jahrhundert.

      Links: Sogenannter "Augsburger Siegesaltar" (heute Römisches Museum Augsburg), errichtet nach einem Sieg des raetischen Statthalters M. Simplicinius Genialis über die Juthungen am 24./25. April 260, nachdem diese den Limes überrannt hatten und nach Rätien eingefallen waren. Um 270/271 wiederholte sich die Invasion, wiederum erfolglos. Zwischen 356 und 358 erneuter Einfall, zusammen mit anderen Alemannen, dabei Zerstörung des Legionslagers Regensburg. Im Jahr 383 weitere Kämpfe mit den Alanen und Hunnen, und zwischen 429 und 431 nochmals mit den Römern. Danach verschwinden die Juthungen unter diesem Namen aus den Quellen. Rechts: "Neo-Juthunge" aus der archäologischen Hobbytruppe "Ask" (link unten).

      Wer nun neugierig geworden ist und sich etwas näher mit den Juthungen beschäftigen will, sei nochmals auf unsere große Arbeit zu diesem Thema verwiesen, die mit vielen falschen Gemeinplätzen zu den Juthungen aufräumt:

      [Kimbern, Juthungen, Bajuwaren, Zimbern - 4 Namen, 1 Volk, 2140 Jahre Geschichte] 

      Was Jagd, Ackerbau und Vienzuicht der Juthungen in unseren Breiten betrifft, so machen wir uns am Ende dieser Ausführungen nochmals bewusst:

      Weit und breit gab es dafür kein so geeignetes Gelände wie am Gödenacker: Weite Rodungsflächen für den Feldbau, gesäumt von Waldzonen mit seitlichen Schluchten, die einen umfangreichen Wildbestand garantierten, gab es vielleicht auch anderswo!

      Hinzu kam aber als Gunst der Natur ein für die Treib- und Hetzjagd bestens geeignetes flaches Terrain oben auf der Höhe der Waldberge, mit einem schmalen Korridor hin zu den Weiten der sich anschließenden Jura-Hochebene, der sich als Fangzone bestens eignete!

      Dafür hatten bereits die Menschen der Völkerwanderungszeit ein geübtes Auge!

      Den Römern aber war zuvor dieses Gebiet nicht erschlossen gewesen - und eine Eroberung unter Caracalla gelang ihnen dank des beherzten Einsatzes der Juthungen nicht.

      Das Jagdgebiet des Gödenacker nach 1523: Helle Zone = überwiegend baumfreies Weideland, dunkle Zone = gemeinsames, nach der Juthungenzeit aufgeforstetes Land des Gödenacker, zur Treib- und Hetzjagd geeignetes Wild-Gebiet der Fürstbischöfe von Eichstätt und der Pfalzgrafen der Oberen Pfalz. Rote Bögen = die Engstelle am "Infang". Der gemeinsame Wildbann selbst reichte weiter - bis hinein in den Seligenportner Forst und zum Röschberg, ließ allerdings dort nur die Einzeljagd zu. Unten die weite Jura-Hochebene, bevorzugte Fluchtrichtung des Wildes bei der Jagd. Das kleine rote Karo enspricht einer (fraglichen) Keltenschanze bei Stierbaum, die oben erwähnt wurde.

       

      Das ist nach unsere Ansicht die Gründungsgeschichte des Waldes an der alten Feldflur Gödenacker - und der benachbarten Dörfer Rübling und Jettingsdorf zugleich!

      Betrachten Sie nach diesen langen Ausführungen noch einmal den letzten Rest des eigentlichen Gödenackers am "Infang", die Waldwiese am Ende unseres Spaziergangs! Wir hoffen, dies geschieht jetzt mit anderen Augen als zuvor!

      Ob es eine so große Heldentat ist, nördlich dieses Wiesenstreifens einen Fichtenwald aufzuforsten, wo seit gut 1500 Jahren mit Kalkül nie einer stand?

      Es wäre wirklich ein Glücksfall gewesen, hätten wir hier die ausgedehnten Magerwiesen, Felder und Koppeln der Gründerzeit noch vorgefunden!

       

      Ein schöner und geschichtsträchtiger Samstag-Vormittag im März 2015 ist damit zu Ende gegangen. Dieser Waldspaziergang ist jedermann zur Nachahmung empfohlen - unter einer Voraussetzung,

      dass er alles Gesehene und Durchwanderte, das Erbe unserer Väter und Vorväter, mit Ehrfurcht und Rücksicht behandelt!

      - Ende -

       


      Fußnoten

      [01] Remigius Vollmann: Flurnamensammlung in Bayern, in: Heimatstudien, Sonderbeigaben zu den Bayerischen Heften für Volkskunde, München 1926, S. 59.

      [02] Hierzu mehr bei Karl Röttel: Das Hochstift Eichstätt, Grenzsteine, Karten, Geschichte, Ingolstadt 1987, S. 122, 125f. Auch: Historischer Atlas Bayern, Franken Reihe I, Heft 6 Eichstätt, S. 37f.

      [03] Johann Kaspar Bundschuh: Lexikon von Franken, Band 2, Ulm 1800, Spalte 348. In der Abbildung ist der Umbruch des Lexikoneintrags geändert.

      [04] Urkunde Nr. 323 in: Monumenta Germaniae Historica, Diplomata, Urkunden Heinrichs IV., 1077-1106, S. 424f.

      [05] Vergl. Johann Baptist Fuchs: Geschichte des ehemaligen Benedictinerklosters Plankstetten, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für Mittelfranken, Bd. 16, 1847, S. 48.

      [06] Vergl. Simon Federhofer: Der Waldname Appel und die Ortsnamen Pondorf und Pollanten, eine Erinnerung an die Kelten, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, Band 131, 1991, S. 28 und 41.

      [07] Vergl. Karl Bosl: Das Nordgaukloster Kastl, Gründung, Gründer, Wirtschafts- und Geistesgeschichte, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, Band 89, 1939, S. 3ff. Jüngst: Mathias Hensch: Archäologische Untersuchungen im Randbereich der Burg Pfaffenhofen..., in: Beiträge zur Archäologie in der Oberpfalz, Bd. 6, Büchenbach 2004, S. 62ff. Beide Autoren weisen die "Pabonenlücke" auf, wobei Bosl sogar "die Burggrafen von Regensburg" und die "Grafen von Abenberg" in der frühen Grundherrschaft erkennt, aber im Weiteren links liegen lässt und sich auf die Grafen von Sulzbach fixiert.

      [08] Franz Xaver Buchner: Burgen und Burgställe des Eichstätter Bistums, in: Sammelblatt des Historischen Vereins Eichstätt, Bd. 39, 1924, erscheinen in Eichstätt 1925, S. 18.

      [09] Vergl. Johann Heinrich von Falckenstein: Codex Diplomaticus Antiquitatum Nordgaviensium..., Frankfurt, Leipzig 1733, S. 320ff. Interpretation bei Felix Mader: Geschichte der südlichen Segelau, in: Sammelblatt des Historischen Vereins Eichstätt, Bd. 53, 1937, S. 8ff.

      [10] Vergl. W. Robl: Auf den Spuren der Försterfamilie Gluck in den Sulzgaudörfern Weidenwang und Erasbach - Fallstricke und Lösungen der regionalen Gluck-Forschung, Berching 2015, online [hier]. Und  W. Robl: Schlüssel zum Verständnis Bayerns: Kimbern, Juthungen, Bajuwaren, Zimbern, 4 Namen, 1 Volk, 2140 Jahre referierte Geschichte, Berching 2018, online [hier].

      [11] Das wichtigste Werk von Jan van der Straet hieß "venationes ferarum", d. h. "Jagden auf wilde Tiere", und erschien bereits 1578. Wertvolle Hinweise zum Verständnis der mittelalterlichen Jagd gab uns das zweibändige Werk von Ulrich Wendt von 1907/08, das immer noch als Referenzliteratur gilt: Kultur und Jagd - ein Birschgang durch die Geschichte, Bd. 1: Das Mittelalter, Bd. 2: Die neuere Zeit, Berlin 1907 und 1908. Anschauliche Beispiele aus dem Fürstbistum Würzburg gibt ein neues Buch von Stephanie Nomayo, Museumsleiterin in Kitzingen: Saufeder, Hirschfänger und Federspiel - Waidwerk in Franken bis zum Ende der Feudaljagd, Schriftenreihe des Städtischen Museums Kitzingen, Bd. 7, Kitzingen 2014. Dieses Geheft ist auch kostenfrei bei www.academia.edu erhältlich: [Link]

      [12] Die Jagd der Minne, in Joseph von Laßberg: Liedersaal, Bd.2, 1822, S. 302.

      [13] Textstellen entnommen aus: Mathias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Leipzig 1872–1878. Wilhelm Müller: Mittelhochdeutsches Wörterbuch, Leipzig 1854. Johann Andreas Schmeller: Bayerisches Wörterbuch, Stuttgart Tübingen 1827-1837. Jakob Grimm: Weisthümer, Göttingen, 1840-1872. Sämtliche Zitate sind heute online abrufbar unter: [http://woerterbuchnetz.de]

      [14] Vergl. Herbert Rädle: Eine alte Jagd- und Hoheitsgrenze zwischen dem Hochstift Eichstätt und der Oberpfalz bei Berching, in: Die Oberpfalz, 94. Jg. Heft 6, Kallmünz 2006, S. 340ff.

      [15] Vergl. Federhofer, Waldname Appel, wie oben angegeben, S. 41f.

      [16] So z. B. 1805 von Loewenthal in seiner "Geschichte des Schultheißenamts Neumarkt" gebraucht. Vergl. Johannes Nepomuk von Loewenthal: Geschichte des Schultheißenamts und der Stadt Neumarkt auf dem Nordgau oder in der heutigen Oberpfalz, München 1805, S. 124. Auch aus inhaltlichen Gründen können wir mit dem "Paten" hier nichts anfangen, obwohl im Schwäbischen, das weiter unten noch eine Rolle spielen wird, dafür auch die helle und harte Variante "Gette" oder "Getti" = Patenonkel bekannt ist.

      [17] Vergl. Mader, Seglau, wie oben angegeben, S. 85. Zu Jettingsdorf und Jettenhofen auch Michael Lefflad: Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Bd. 3 Abt. 2, S. 83, und 4. Abt., Urkunde 909 (anno 1305).

      [18] Vergl Dr. Fr. Anton Mayer: Ein paar Worte über ein paar Druidenbäume im Königreiche Bayern, Eichstätt Leipzig 1826, vor allem S. 27. Desgleichen Sage zum "Jetten-Bühel zu Heidelberg" in: Gebrüder Grimm: Deutsche Sagen, Bd. 1, Berlin 1816, S. 209f.

      [19] Vergl. Friedrich Kreuzer: Symbolik und Mythologie der alten Völker, 6. Teil, Geschichte des nordischen Heidentums, Leipzig, Darmstadt 1825, S. 153. Und Emil Jonas: Illustriertes Reise- und Skizzen-Buch für Schweden, Berlin 1870, S. 24. Das "Jettenacker Holz" ist erwähnt in den Gemarkungsplänen des Generallandesarchives Karlsruhe, herausgeg. von Marie Salaba und Gisela Schenk, Inventar, Bd. 1, 2001, S. 469. Zu St. Lorenz und den Jetten siehe Christian Molbech: Briefe über Schweden..., Hamburg-Altona 1818, S. 104.

      [20] Vergl. Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen, Bd. 3, Augsburg 1859, S. 92.

      [21] Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Reprint der Ausgabe Hannover, Hahnsche Buchhandlung 1913/1918. Das Handwörterbuch des Gothaer Gymnasialprofessors und angesehenen Lexikographen Karl Ernst Georges (1806–1895) erschließt den großen Reichtum des klassischen Lateins. Heute online verfügbar unter [Zeno.org].

      [22] Otto Behaghel: Geschichte der Deutschen Sprache, Strassburg 1911, S. 203.

      [23] Nach Karl Gustav Andresen: Die altdeutschen Personennamen, Mainz 1873, S. 56, und Albert Heintze: Die deutschen Familiennamen geschichtlich, geographisch, sprachlich, Halle 1903, S. 166f., stammt der Eigenname "Rupilo" als eine von zahlreichen Varianten vom altnordischen "Hrod" bzw. "Hrôdt" ab, d. h. Schall oder Ruhm. Dieser sei bereits ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. nachweisbar. Heintze ordnet den in gleicher Weise wie bei Andresen abgeleiteten Altnamen "Rupilo" unter der Rubrik "zweistämmige Kürzung Hrodb-" als Urform der Schweizer Eigennamen "Rubi" und "Rüppli" ein. Womit wir erneut im 5. Jahrhundert und bei den Alemannen angekommen wären!

      [24] Vergl. Stichwort "Juthungen" in: Johannes Hoops: Reallexikon der Germansichen Altertumskunde, Straßburg 1913-17, Bd. 2., S. 624. Und: Herbert Jankuhn, Heinrich Beck et al.: Reallexikon der Germansichen Altertumskunde, Berlin New York 1968 bis 2015, 81 Bände, Bd. 16, 2000, unter Stichwort "Juthungen".

      [25] Vergl. Ernst Schwarz: Die Herkunft der Juthungen, in Jahrbuch für Fränkische Landesforschung, Bd. 14, 1954, S. 1ff. Schwarz kennt nicht unser Jettingsdorf im Kerngebiet der Juthungen, allerdings als weiteres "Ydungesdorf" die Ortschaft Igensdorf in Franken (MB 29, 1, S. 287, Nr. 474), sowie "Ydungespeuge", heute Jedenspeigen an der March. Damit ist ein breiter geographischer Rahmen gespannt, der allerdings durch den Verlauf der Germanenkriege gerechtfertigt ist. Schwarz nennt in diesem Zusammenhang nach dem Altdeutschen Namenbuch von E. Förstemann (1, 1901, und 2, 1872) auch ein "Eotindorf" in Niederbayern, das wir in einem Passauer Codex identifizieren konnten (MB 28b, Urkunde 20, zwischen 818 und 838, S. 18f.): "Ad chalpaha qui vocatur eotindorf...""Eotindorf" liegt schon sprachlich nahe an Jetting(s)dorf, allerdings gibt es dort keinen Fluss namens Halbach. Ein solcher liegt wiederum im niederösterreichischen Mostviertel und bedeutet "Salzfluss", womit ein Zirkelschluss zurück zur Berchinger Sulz, einst "Solenza", also ebenfalls "Salzfluss", möglich wäre.

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